Iga Swiatek und Naomi Osaka:Der Beginn einer wunderbaren Rivalität

Iga Swiatek und Naomi Osaka: Außergewöhnliche Leistung: Iga Swiatek (links) gewann die Turniere in Indian Wells und Miami; "Sunshine Double" nennen sie das in den USA. Die Japanerin Naomi Osaka hat wieder Spaß am Tennis.

Außergewöhnliche Leistung: Iga Swiatek (links) gewann die Turniere in Indian Wells und Miami; "Sunshine Double" nennen sie das in den USA. Die Japanerin Naomi Osaka hat wieder Spaß am Tennis.

(Foto: Chandan Khanna/AFP,)

Natürlich fehlt die zurückgetretene Ashleigh Barty. Doch Iga Swiatek, die neue Nummer eins der Weltrangliste, und Naomi Osaka beweisen, dass es im Tennis weiter charismatische Führungsspielerinnen gibt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es passiert ja nicht häufig im Sport, dass nach einem Endspiel Siegerin und Unterlegene gleichermaßen zufrieden sind; deshalb war dieser Moment in Miami durchaus ein besonderer. Iga Swiatek hatte das Finale 6:4, 6:0 gegen Naomi Osaka gewonnen, es war ihr 17. Sieg nacheinander und der bereits dritte Erfolg bei einem Masters-Turnier (Doha, Indian Wells) in diesem Jahr; nach dem Karriereende von Ashleigh Barty wird die 20-jährige Polin nun auf Platz eins der Weltrangliste geführt. Sie hatte Osaka vor allem im zweiten Satz regelrecht dominiert, und doch sagte die Japanerin: "Trauriges Ergebnis, toller Tag."

Das liegt auch daran, dass sich die beiden Finalistinnen bei den Australian Open 2020 getroffen und beim Abendessen ein bisschen über Tennis und das Leben unterhalten hatten. Osaka denkt ja bekanntermaßen intensiv über Tennis und das Leben nach, und auch deshalb war sie nun trotz der Niederlage zufrieden. Es ging beim Gespräch damals darum, dass Swiatek daran zweifelte, ob ihr Beruf der richtige für sie sei, ob das Leben nicht vielleicht einen anderen Weg für sie bereit halte, ob sie nicht lieber eine Uni besuchen sollte.

Osaka riet Swiatek damals, dass sie den Uni-Besuch mal lieber verschieben und vielmehr prüfen solle, wie viel sie auf dem Tennisplatz noch lernen könne - es könne doch beim Lernen voneinander und dem Austausch miteinander eine wunderbare Rivalität entstehen, und siehe da: Osaka gewann im Herbst 2020 die US Open und setzte dabei Zeichen gegen Polizeigewalt und Rassismus; Swiatek siegte kurz darauf völlig überraschend, sie war damals Nummer 54 der Weltrangliste, bei den French Open, die wegen der Corona-Pandemie später ausgetragen wurden.

"Es fühlt sich gut an, etwas zu jagen; das habe ich vermisst", sagt Osaka

Es schien alles prima zu laufen bei den beiden, doch bemerkten beide danach, dass der Tennissport und das Leben bisweilen gemeine Prüfungen bereit halten. Osaka haderte mit den Tücken dieses Berufs, bei dem Scheitern für die ganze Welt sichtbar ist und man dieses Scheitern danach der ganzen Welt zu erklären hat bei verpflichtenden Pressekonferenzen - in Indian Wells vor ein paar Wochen erst verlor sie nach dem Zwischenruf eines Fans ("Naomi, you suck!") ihre spielerische Linie und schied aus.

Viele Experten, darunter zahlreiche ehemalige Spielerinnen, rieten Osaka, darüber nachzudenken, ob dieses Tennis wirklich der richtige Beruf für sie sei. Nun sagte Osaka, dass sie für sich entschieden habe, dass es das sei, dass sie sich in der Rolle der Jägerin besser gefalle und sie Ende des Jahres - vor Miami lag sie auf Platz 77 - wieder zu den Top Ten der Rangliste gehören wolle: "Es fühlt sich gut an, etwas zu jagen; das habe ich vermisst."

Die Probleme von Swiatek lagen ebenfalls im mentalen Bereich, wenn auch eher auf dem Platz. Nach dem French-Open-Sieg war sie plötzlich bekannt, damit aber auch ihre Spielweise und Schwächen. Sie war nicht mehr die Nummer 54 der Welt, die keine ernst nimmt, sondern Grand-Slam-Gewinnerin, auf die sich die Gegnerinnen einstellen - und die wussten: Swiatek haderte mit sich, wenn ein paar Punkte nicht liefen, wie sie das gerne hätte. Ach was: Sie haderte, wenn es in einem Ballwechsel nicht so lief, wie sie das wollte. Also war die Strategie: einzelne Punkte verlängern und ihr vor wichtigen Momenten zeigen, wie wichtig die nächsten Ballwechsel sein werden.

Swiatek hat die Turniere in Kalifornien und Miami gewonnen. "Sunshine Double" nennen sie das in den USA

Was ist passiert? Nun, die Polin Daria Abramowicz ist ihre Sportpsychologin, und die erkannte, dass es für einen gesunden Geist einen extrem fitten Körper braucht. Karrieren und Spielerinnen lassen sich freilich nur schwer vergleichen, aber es war ein bisschen wie bei Angelique Kerber 2015: Deren Trainer Torben Beltz drillte Kerbers Fitness, dass ihre Schultern wortwörtlich und im übertragenen Sinn breiter wurden.

Swiatek vertraut nun ihrer Fitness, gerade bei wichtigen und längeren Ballwechseln, und das sorgt für das Selbstbewusstsein, auch gegen eine viermalige Grand-Slam-Siegerin wie Osaka dauernd attackieren zu können. Ihr Markenzeichen, zu bestaunen auch am Sonntag: der Konter, bei dem sie so weit in die Knie geht, dass ihr kurzer Rock bisweilen sogar den Boden touchiert. Nun haben die Gegnerinnen noch mehr Respekt vor Swiatek. Osaka sagte nach dem Finale: "Ich habe viel probiert, doch sie hat derzeit auf fast alles eine Antwort."

Swiatek hat die Turniere in Kalifornien und Miami gewonnen; "Sunshine Double" nennen sie das in den USA. Ein Sonnenschein-Doppel waren aber auch Siegerin und Unterlegene am Sonntag - und Swiatek sagte über dieses strahlende Duo: "Das könnte der Beginn einer wunderbaren Rivalität sein."

Zur SZ-Startseite

Tennis
:Wildcard im Wohnzimmer

Philipp Kohlschreiber ist im Frühwinter seiner Karriere neben Alexander Zverev der bekannteste deutsche Spieler bei den Münchner BMW Open. In seinem Heimturnier hat der inzwischen 38-Jährige vom 23. April an harte Konkurrenz. Danach möchte er wieder in die Top 100 der Welt - oder aufhören.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: