Bayreuth:Und was ist mit Richard Wagner?

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Die Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth finden heuer mit deutlich weniger Corona-Beschränkungen statt als noch im vergangenen Jahr. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Zwar hat Oberfrankens Hauptstadt entschieden, das umstrittenste Straßenschild der vergangenen Jahrzehnte umzubenennen. Aber eine viel größere Debatte könnte noch anstehen.

Kolumne von Olaf Przybilla, Bayreuth

Es hat länger gedauert in Bayreuth als andernorts, viel länger sogar. Schon vor 15 Jahren beschlossen Bayerns größte Städte, Nürnberg und München, dem Landesbischof Hans Meiser keine Straße mehr zu widmen. In Oberfrankens Hauptstadt, überaus protestantisch geprägt, haben sie dafür lange Schwung holen müssen. Kürzlich aber war es nun doch so weit, wenn auch mit denkbar knapper Mehrheit: 21 Stadträte votierten dafür, aus der Hans-Meiser-Straße eine Dietrich-Bonhoeffer-Straße werden zu lassen - 19 Räte dagegen.

Warum das so lange gedauert hat? Wie man Meisers Rolle in der NS-Zeit bewertet, war immer schon eine Sache der Gewichtung. Die einen argumentieren, er habe sich zu Hitlers Zeiten immerhin gegen das Eingliedern der Landeskirche in die Reichskirche gewehrt, sei dafür gar für kurze Zeit festgenommen worden - so viele haben dergleichen bekanntlich nicht gewagt. Den anderen reicht das beileibe nicht aus, um jemanden auf Dauer mit Straßennamen zu beehren - gerade wenn man Meisers judenfeindliche Einlassungen und seine wenig rühmliche Rolle im und nach dem Krieg betrachte.

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Sämtliche Bayreuther Umbenennungs-Debatten also nach jahrzehntelangem Gewürge beendet? Ganz im Gegenteil, die könnten gerade erst richtig beginnen. Anlass ist weniger die verbürgte Missstimmung in der bisherigen Meiser-Straße (Anwohner halten die Unannehmlichkeiten einer Adressänderung häufig für verzichtbar). Katalysator ist eher eine Äußerung einer Pfarrerin, die sich im Nordbayerischen Kurier zitieren ließ, sie sehe den Fall Meiser anders als die Stadtratsmehrheit. Weil: "Dann müsste in Bayreuth auch Richard Wagner fallen." Schließlich sei der ein "Ober-Nazi" gewesen. Öha.

Das wiederum wollen nun andere so gar nicht auf dem Herrn vom Hügel sitzen lassen. Ja, der Besagte sei Antisemit gewesen (was gerade wieder eine Schau in Berlin dokumentiert). Mit solchen Vergleichen aber - gemeint ist wohl: Wagner/Meiser - werde "ein Fass" aufgemacht, warnt die örtliche CSU. Zumal die Zuschreibung "Ober-Nazi" für einen 1883 Verstorbenen "hanebüchen" sei.

Nicht auszuschließen, dass die Stadt damit am Anfang einer noch viel längeren Debatte steht. Bei der ginge es dann nicht um den Namen einer beschaulichen Wohnstraße in Bayreuth-West. Sondern um die Richard-Wagner-Festspiele.

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