Champions League gegen Villarreal:Bayerischer Knockout in der 88. Minute

Champions League gegen Villarreal: Leroy Sane und Leon Goretzka konnten es nicht ändern: Am Ende herrschte Riesenfrust bei den Bayern.

Leroy Sane und Leon Goretzka konnten es nicht ändern: Am Ende herrschte Riesenfrust bei den Bayern.

(Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Dieses Aus wird schwer wiegen: Die Münchner spielen beim 1:1 gegen Villarreal nach der Pause dominant - doch am Ende kostet sie eine Unaufmerksamkeit alle Möglichkeiten aufs Halbfinale.

Aus dem Stadion von Andreas Liebmann

Und dann müssen sie laufen, hatte Julian Nagelsmann noch gesagt. Die Metapher als solche ist ja ein hübsches Werkzeug, allerdings mit ein paar kleinen Makeln: Man kann mit ihr leider keine Spiele gewinnen, auch nicht in der Champions League; und sie lässt sich auch nicht sonderlich gut in Glaskästen im Vereinsmuseum präsentieren, auch wenn sie noch so schön ist - wie jene "silberne Schnalle", von der der Trainer des FC Bayern München vor dem Viertelfinal-Rückspiel gegen den FC Villarreal gesprochen hatte. Drei Tage lang habe er die Spieler zuletzt an der kurzen Leine gehalten, hatte er am Montag erzählt, nun müsse er nur noch diese Schnalle öffnen. Ein schönes Bild.

Wer daraufhin erwartet hatte, dass die Münchner im Vollsprint loslegen würden am Dienstagabend, dass sie die zuletzt von ihrem Trainer eingeforderte Wucht im Pressing entwickelten, dass dieser Abend vielleicht ein ähnliches Statement bringen würde wie beim 7:1-Rückspielsieg im Achtelfinale gegen Salzburg - der sah sich allerdings getäuscht. Es war zunächst alles andere als ein bayerisches Überfallkommando. Wenig deutete darauf hin, dass sich die Münchner etwas Großes vorgenommen hatten. Und am Ende wurde es das auch nicht. 1:1 lautete der Endstand. Erst zum vierten Mal in den vergangenen zehn Jahren verpassten die Bayern das Halbfinale der Königsklasse.

Den ersten Schuss Richtung Tor gab Villarreals Stürmer Gerard Morena ab. Die ersten kleineren Chancen verzeichneten dann zwar die Bayern: Nach einer Volley-Hereingabe Leroy Sanés kam Thomas Müller nicht an den Ball, und nach einer Viertelstunde flog Joshua Kimmich knapp unter einer Sané-Flanke hindurch. Bis es erstmals richtig gefährlich wurde, dauerte es dennoch fast eine halbe Stunde: Nach der ersten diagonalen Verlagerung von Kingsley Coman auf Sané brachte Jamal Musiala einen Kopfball zumindest mal aufs Tor von Villarreal. Bayern näherte sich ganz allmählich an. Die Gäste verteidigten geschickt und warteten ab.

Weil seine Spieler nicht nur laufen sollten, sondern im besten Falle auch wissen, wohin und wozu, habe er zuletzt sehr viel gesprochen mit ihnen, auch das hatte Nagelsmann schon am Tag zuvor verraten. "Sehr viel Detailarbeit" habe er verrichtet, und vor allem immer wieder betont, welche Intensität er sehen wolle, dass sie beim Pressing im Hinspiel die letzten Schritte Richtung Gegenspieler versäumt hätten, um jenen Druck aufzubauen, den es brauche gegen die spielerisch starken Spanier.

Champions League gegen Villarreal: Die Spieler von Villareal jubeln über das 1:1.

Die Spieler von Villareal jubeln über das 1:1.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Und dann hatte Nagelsmann seine Grundordnung überraschend verändert. Er ließ den Topsprinter Alphonso Davies ebenso draußen wie Serge Gnabry, stellte die Abwehr auf eine Dreierkette um, packte Coman und Sané auf die Außenpositionen um Musiala herum und bot den Freigeist Thomas Müller damit fast als eine zweite Spitze auf.

Auf dem Papier war das eine verblüffend offensive Variante, doch recht viel intensiver wurde der Münchner Vortrag bis zur Pause nicht mehr. Allenfalls etwas emotionaler nach einigen robusten Zweikampfduellen, die die Arena in Stimmung brachten. Einmal wäre Arnaut Danjuma, Villarreals Torschütze vom 1:0-Hinspielsieg, fast noch enteilt, und mit dem Pausenpfiff setzte Morena einen Drehschuss neben das Tor von Manuel Neuer.

Viel hatten sie zuvor vom Kitzel dieser K.-o.-Spiele gesprochen in München, von jenem Druck, unter dem sie zuletzt doch immer wieder geliefert hatten, wie der Trainer es ausdrückte. Doch dann brauchte es wie schon bei der seltsamen Generalprobe vom Wochenende gegen den FC Augsburg eine deutliche Intensitätssteigerung nach der Pause, um zu zeigen, was eigentlich möglich wäre - und mal wieder Robert Lewandowski. Nach einem Ballgewinn durch Coman im Mittelfeld bediente Müller den Polen, der platziert zum 1:0 einschoss (52.).

Erst jetzt hatte man wirklich das Gefühl, dass die Schnalle offen, die Leine gelöst war. Dass die Münchner ihre Gäste einschnürten, die Abwehrkette sich aufs Ablaufen von Konteransätzen beschränken konnte. Coman begann auf der linken Seite, seine gefürchteten Haken zu schlagen, Sané auf der anderen Außenbahn kam zwar nicht ganz so gefährlich in seine Dribblings, dafür flankte er immer wieder gefährlich - wie in der 70. Minute, als seine Hereingabe Müller aus aussichtsreicher Position neben das Tor setzte. Ein einziges Mal kamen die Spanier halbwegs gefährlich vor das Münchner Tor, Danjuma schoss knapp am langen Eck vorbei. Manuel Neuer war nicht weiter gefordert.

Nagelsmann wechselte spät Gnabry für Musiala ein, kurz vor Schluss erst kam dann auch Davies für Lucas Hernandez. Und dann passierte das, womit in dieser Phase nicht mehr zwingend zu rechnen war - aber als Quittung für die erste Halbzeit aufgefasst werden konnte: Der eingewechselte Samu Chukwueze vollendete einen Konter - nicht die Spezialität der Gäste, wie Nagelsmann zuvor betont hatte - zum 1:1 (88.). Ein paar Minuten des verzweifelten Anrennens folgten noch, dann rannten die spanischen Auswechselspieler und Betreuer mit Schlusspfiff jubelnd aufs Feld. Nun wirkten sie wie entfesselt.

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