Hilfe für Geflüchtete:Grafinger Angebot

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Die Stadt bietet dem Freistaat förmlich an, neben dem Wertstoffhof bei Schammach eine Unterkunft zu errichten.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Theoretisch müssten nur noch die Pläne gezeichnet und der Bauantrag gestellt werden - für eine Geflüchteten-Unterkunft am Grafinger Ortsteil Schammach. Schon vor Jahren schließlich hatte die Stadt für das Areal südöstlich des neuen Bauhofs einen Bebauungsplan aufgestellt. Er sieht die Errichtung von Unterkünften und Wohnungen für Geflüchtete, Asylbewerber, anerkannte Asylbewerber und Wohnungslose vor. Niemand wird sofort losplanen, ist seit der jüngsten Sitzung des Grafinger Stadtrats klar. Wohl aber bietet die Stadt dem Freistaat nun das Gelände an.

Die Initiatorin des Antrags, Linke-Stadträtin Lena Huppertz, wollte ursprünglich noch einen Schritt weiter gehen. Sie hatte angesichts hunderttausender Geflüchteter alleine in Bayern vorgeschlagen, dass die Stadt sogleich die Baugenehmigung für eine solche Unterkunft beantragt. Parallel könnte sie sich an die konkrete Planung innerhalb der Abmaße aus der Baugenehmigung machen.

Das Geschenk von Lena Huppertz ist bei der Oma gut angekommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Dass sich in Grafing bereits so viele Privatleute gemeldet und ihren Wohnraum für die ukrainischen Geflüchteten angeboten haben ist sehr begrüßenswert und zeigt große Solidarität", hatte die 29-Jährige in der Antragsbegründung geschrieben. "Die Stadt sollte sich aber hier auch in der Pflicht sehen, diese Notlösung, die kein Dauerzustand werden darf, möglichst schnell für alle Beteiligten aufzulösen." Daher solle sie mit einer Entscheidung für die Baugenehmigung bei Schammach den nächsten Schritt gehen - "und Wohnraum für besonders vulnerable Menschen schaffen".

Die grundsätzliche Notwendigkeit von neuen Unterkünften stellte Bürgermeister Christian Bauer (CSU) nicht in Frage. "Rein baurechtlich steht das Areal für ein solches Vorhaben zur Verfügung." Doch gelte es zu beachten: "Wir sind im Grunde nicht zuständig, das ist der Freistaat." Bevor die Stadt eine Planung anstoße brauche sie Kenntnis, ob der Freistaat am Ende auch Geflüchtete in Schammach unterbringen wolle. "Wir würden vorschlagen, der Regierung von Oberbayern das Grundstück anzubieten - und dann schauen wir, was die antworten."

Grafings Bürgermeister Christian Bauer will erst einmal beim Freistaat fragen, ob dieser das Grundstück für eine Unterkunft haben will. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ob der Freistaat sich nicht von selber in Grafing melden würde, wollte FDP-Stadtrat Claus Eimer wissen? "Nein, das glaube ich nicht", antwortete Bauer. "Mein Gefühl ist eher, dass im Moment alle ein bisschen überfahren sind von der Situation." Da gebe eine Kleinstadt besser erstmal oben Bescheid.

Damit ging die Debatte dort weiter, wo sie mit dem "Sondergebiet Übergangswohnheim" im Jahr 2017 - damals vor dem Hintergrund der Kriege in Syrien und Afghanistan - geendet hatte: Mit der Frage, ob eine Geflüchtetenunterkunft so weit abseits der Stadt überhaupt sinnvoll wäre? "Ich bin skeptisch, ob der Ort geeignet ist", sagte CSU-Ortsvorsitzender Florian Wieser. "Dort gibt es den Wertstoffhof - und sonst nichts." Das erschwere die Integration der Geflüchteten. "Die Leute in der Stadt zu verteilen, wo man sich gegenseitig besser helfen kann, finde ich besser." Allein: Keine einzige städtische Wohnung steht aktuell frei, im Gegenteil. Die Warteliste ist lang.

Die Umgebung gilt nicht als optimal

Dennoch steht Wieser mit seiner Perspektive nicht alleine da. "Das Gelände ist nicht optimal, keine Frage", sagte Dritte Bürgermeisterin Regina Offenwanger (SPD). "Fraglich ist aber, ob wir in so einer Situation überhaupt ein Optimum finden können. Fürs erste ist der Schammach-Plan aber eine gute Lösung."

Grünen-Stadtrat Keno Maierhofer mahnte, die Debatte nicht nur auf den russischen Ukraine-Angriff zu beschränken. "Mit der fortschreitenden Klimaapokalypse werden langfristig immer mehr Geflüchtete gerade im globalen Westen Schutz suchen." Eine funktional bei Schammach geplante Unterkunft würde der Stadt auch aus einem anderen Grund helfen. In dem Gebäude könnten laut Bebauungsplan auch Wohnungslose eine Bleibe finden, die nicht vor Krieg geflüchtet seien.

Initiatorin Huppertz kann sich mit dem einstimmigen Stadtratsbeschluss für das förmliche Bebauungsangebot freilich anfreunden: "Ich hoffe, dass die Gespräche nun zeitnah und effektiv geführt werden, damit ein Baubeginn sobald wie möglich erfolgen kann", schrieb sie in einer Pressemitteilung zur Sitzung. "Ich wünsche mir, dass Grafing sich dann nicht mehr auf seine Bürgerinnen und Bürger verlassen muss, die schon oft und besonders in den letzten Wochen durch die Aufnahme von Geflüchteten im Privaten gezeigt haben, was für eine Haltung hier in der Stadt vorherrscht - nämlich Mitgefühl und Solidarität mit hilfesuchenden Menschen."

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