Podcast-Tipps im April:Reden wir über Sex

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(Foto: Illustration: Luis Murschetz)

Die pornoindustrielle Revolution, Hollywoods Verhältnis zur Erotik und intime Gespräche: fünf Podcast-Empfehlungen.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Wild Wild Web - Der Pornhub-Effekt

br.de/mediathek

Eine Szene in der zweiten Staffel des Podcasts Wild Wild Web fasst die Revolution in der Pornoindustrie zusammen: Im Jahr 2004 steht ein Pornoproduzent in seinem Warenlager und freut sich, dass er Hunderte Videokassetten bald alle durch platzsparende DVDs ersetzt hat. Ein junger Darsteller steht daneben und sagt: "In ein paar Jahren wirst du die auch nicht mehr brauchen, wird alles im Internet sein." Der Produzent klopft ihm auf die Schulter und sagt: "Das haben wir im Griff, Junge." Spoiler: Hatten sie nicht. Die zweite Staffel der genialen Podcast-Reihe des Bayerischen Rundfunks erzählt den Aufstieg der Internetpornografie anhand des deutschen Datenpioniers Fabian Thylmann sowie der Seite Pornhub und wirft Licht auf die dunkle Seite. Auf diese Weise erzählen die einnehmenden Hosts Janne Knödler und André Hörmeyer mit liebevoll verspielten Soundeffekten nicht weniger als eine Geschichte darüber, wie sich durch diese Entwicklung auch unser Sex und seine Unwägbarkeiten mitverändert haben. Timo Posselt

My Dad Wrote A Porno

mydadwroteaporno.com

Im unendlichen Angebot an erotischen Online-Inhalten klafft eine Marktlücke bisher schmerzlich: die gehobene Porno-Kritik. Das ist eine Erkenntnis beim Hören von My Dad Wrote A Porno, der ersten Staffel des Comedy-Podcasts aus dem Jahr 2015, in dem der Brite Jamie Morton mit seinen Studienfreunden James Cooper und der BBC-Moderatorin Alice Levine Kapitel für Kapitel die erotische Novelle besprechen, die Mortons Vater geschrieben hat. "Belinda Blinked" heißt das meisterhafte Schundwerk über die ovalbrüstige Handelsvertreterin einer Firma, die "pots and pans" vertreibt. Die so unerotische Branche der Töpfe und Pfannen zu wählen, ist nur eine der herrlich eigenwilligen Entscheidungen, die der Autor mit dem Pseudonym Rocky Flintstone traf - und die den Podcast so lustig machen. Sogar für diesen sehr tapferen Sohn, der die naiv-erotischen Abenteuer aus der Feder seines Vaters furchtlos vorliest. Beim Sex soll man lachen können, heißt es doch von Therapeuten, beim Porno also bitte auch! Aurelie von Blazekovic

You must remember this - Erotic 80s

open.spotify.com

Um Sex und Erotik in der Popkultur geht es auch bei You Must Remember This. Die amerikanische Filmkritikerin Karina Longworth hat in ihrem Podcast, der das erste Jahrhundert Hollywoods behandelt, schon ausführlich über Serienmörder und Sektenguru Charles Manson oder die Filmproduzentin Polly Platt gesprochen. Die neue Staffel, von der bislang zwei Folgen zu hören sind, heißt "Erotic 80s". In der zweiten Folge geht es um Schauspielerin Bo Derek und wie sie als 18-Jährige zum Sexsymbol und als solches auch despektierlich behandelt wurde. Longworth schafft es, das Hollywood der Achtziger, von heterosexuellen weißen Männern dominiert, mit historischen Fakten, Originalaufnahmen aus der Zeit und eigener Einordnung lebendig werden zu lassen. Und diese Welt ist gar nicht so lang her, wie man vermutet - auch vor dem Hintergrund aktueller Debatten über kulturelle Aneignung oder "Me Too". In weiteren Episoden soll es unter anderem um American Gigolo mit Richard Gere oder Flashdance gehen. Im Herbst wird Karina Longworth ihren Podcast dann mit "Erotic 90s" fortsetzen. Carolin Gasteiger

Ist das normal?

zeit.de/serie

Seit seiner HIV-Infektion, sagt Christopher Klettermayer, habe er die Möglichkeit verloren, sich in intimen Momenten fallen zu lassen. Gleichzeitig seien seine sexuellen Erfahrungen intensiver und wertvoller. In der aktuellen Folge des Sex-Podcasts der Zeit ist Klettermayers HIV-Infektion das Thema - und wie diese seine Intimität mit Partnerinnen beeinflusst. In einem intensiven Gespräch über wissenschaftliche Hintergründe und konkrete Gefühle baut sich Nähe auf. Das gelingt in vielen der mehreren Hundert Folgen. Dieser Mischung verdankt sich ein Podcast über sexuelle Tabus, Krankheiten und Fetische, körperliche Beschaffenheiten oder nischige Vorlieben wie Chemsex, also Sex auf chemischen Drogen. In den Gesprächen der Hosts untereinander - der Sexualtherapeutin Melanie Büttner und des Wissenschaftsjournalisten Sven Stockrahm - sowie mit Experten, Buchautoren und Betroffenen wird ein informativer, intensiver und dabei herrlich normaler Zugang zu unserer Sexualität ermöglicht. Die Pointe so vieler Folgen: Redet miteinander! Auch wenn es sein kann wie im Podcast beschrieben: "Über Sex sprechen ist wie Radfahren: Man fällt auch mal auf die Nase." Eva Goldbach

Poppcast

open.spotify.com

Den Umweg über wissenschaftliche Expertisen nimmt Anna nicht. Vielmehr ist sie entwaffnend durch die Direktheit ihrer persönlichen Einblicke. Nur so viel Privatsphäre muss sein: Anna hat in diesem Podcast keinen Nachnamen und kein Gesicht, das man auf einem Cover sehen könnte. Ansonsten aber erfährt man nahezu alles von ihr. Und ihren Freundinnen. Stets hat Anna eine Frau zu Gast, die etwas zu erzählen hat über das Thema, um das es gerade geht: den ersten Sex nach dem Ende einer langen Beziehung zum Beispiel, die Wahrnehmung des eigenen Körpers beim Geschlechtsverkehr oder über Frauen und Pornokonsum. Bedürfnisse werden selbstbewusst formuliert, Grenzen stets neu gezogen und dann wieder überschritten, es wird über Erfüllung und Enttäuschung debattiert. Von Frauen, die ein - zumeist - erfülltes Sexualleben haben. Und wissen, was sie dafür tun oder gegebenenfalls über sich und ihre Partnerinnen und Partner noch lernen müssen. Was für sie keinesfalls in Betracht kommt: sich zum Objekt männlicher Begierde reduzieren zu lassen. Stefan Fischer

sz.de/podcast-tipps

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