"Tannhäuser" in Hamburg:Seufzer beim Sektempfang

"Tannhäuser" in Hamburg: Tanja Ariane Baumgartner und Klaus Florian Voigt in der Inszenierung von Kornél Mundruczó.

Tanja Ariane Baumgartner und Klaus Florian Voigt in der Inszenierung von Kornél Mundruczó.

(Foto: Brinkhoff/Mögenburg)

Der Regisseur Kornél Mundruczó und der Dirigent Kent Nagano überraschen an der Staatsoper Hamburg mit einem neuen Blick auf Richard Wagners "Tannhäuser".

Von Helmut Mauró

Es sollte ein hör- und sichtbar anderer Wagner-Abend werden. Der Dirigent Kent Nagano verfolgte in der Produktion von Richard Wagners "Tannhäuser" an der Staatsoper Hamburg einen eher selten eingeschlagenen Weg, nämlich den ganzen Furor und das enorme Getöse dieser Partitur auf ein Maß zurückzuschneiden, das vielen Wagnerianern befremdlich vorkommen musste. Was sie am Ende auch deutlich zeigten. Schon die fulminante Ouvertüre erklang diesmal quasi auf halbmast, die aufpeitschenden Streicherorgien blieben gedämpft. Man schaute dabei auf das seitlich positionierte, großflächig projizierte Gesicht Tannhäusers auf dem Sterbebett, immer wieder durchbrochen und überblendet von Traumbildern aus seinem Leben, in dem er letztlich an seinem Verständnis von Liebe und Leidenschaft zerbrach. Mit ihm die keusche Elisabeth, Nichte des Landgrafen, der wie Tannhäusers Konkurrent Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide und weitere Mitglieder der Jagdgesellschaft, denen er im Wald wiederbegegnet, einem Ritterorden angehört.

Nagano versucht, Wagners Überwältigungsmusik zu aktualisieren

Tannhäuser ist ja wie die übrigen der historischen Figur nachgestellt, im Codex Manesse aus dem frühen 14. Jahrhundert ist er in Deutschordenstracht dargestellt. Die Begeisterung für Ritter, Burgen und Ritterfräulein, die in der Romantik aufblühte, ebenso den Wunsch nach einem geeinten Deutschland, hat Wagner für die damals florierende Vision eines analog der übrigen europäischen Länder konzipierten Nationalstaates geschickt aufgegriffen und in eine Überwältigungsmusik verwandelt, die zwischen Wunsch und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden will. Heute wirkt das oft überzogen und deplatziert, deshalb hat der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó einige Stolpersteine eingebaut. Ziemlich große sogar. Wenn das Wort "deutsch" auftaucht, wackelt gleich die ganze Regie. Einmal bricht der Chor spontan in einen Schreckensseufzer aus, ein andermal fällt beim Sektempfang auf der Ritterburg einer Serviererin gleich das Tablett aus der Hand.

Hauptthema der Oper ist aber der Streit um das Wesen der Liebe. Während der abtrünnige Ritter Tannhäuser vehement die Fleischeslust propagiert, tritt die übrige Ritterrunde für die keuschere Variante ein, die vielleicht für mehr Frieden und Gerechtigkeit sorgt. Dies überzeugend darzustellen, gelingt selten - Mundruczó schafft es. Nicht, indem er die Venus als noch schärferes Erotik-Model aufpeppt als üblich, sondern indem er in einer Art Tropical Island die Blumenmädchen diesmal nicht von gestandenen Frauen mimen lässt, sondern tatsächlich von Mädchen. Venus versucht ja alles, um Tannhäuser in ihrem Dunstkreis zu halten, und selten wurde dabei so klar, dass sie nicht nur sich selber meint, sondern ein Prinzip vertritt, einen Lebensentwurf, ein Menschenbild.

Dass der Tannhäuser des Klaus Florian Vogt diesem nicht gerecht wurde, war klar und erschreckte doch. Sein Tenor klang flach, obertonarm, oft nahe am Sprechgesang. Was den Vorteil hatte, dass man bei ihm - anders als bei der Venus der Tanja Ariane Baumgartner - jedes Wort verstand. Die Übertitel waren etwas unglücklich platziert, sodass man sie nicht von allen Plätzen aus sehen konnte. Die meisten der zum Teil hervorragenden Gesangssolisten allerdings, einschließlich des tapferen Tölzer Hirtenknaben Florian Markus blieben textverständlich und bewährten sich auch klanglich in der etwas trockenen Akustik. Die ermöglichte andererseits Details, die man in der Tannhäuser-Partitur kaum vermutete oder längst vergessen hatte. Zum Beispiel das Geschnatter von Kastagnetten mitten im opulenten Orchesterklang, die Wagner für die Pariser Aufführung ergänzt hat.

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg bot diese und andere Petitessen mit Präzision und Einfühlungsvermögen, es zeigte sich insgesamt auf sehr hohem Wagner-Klangniveau. Und doch war man am Ende ein bisschen enttäuscht. Was anfänglich und über weite Strecken als schlüssige Alternative zum erwartbaren Wagner-Donner aussah, entpuppte sich mehr und mehr als vorsichtiges, ein bisschen bräsiges Herantasten an den Wagnerschen Klangraum. Aus dem neugierigen Staunen über diese Musik blieb am Ende nur noch befremdliche Distanz. Es konnte also nicht völlig überraschen, dass Nagano am Ende ausgebuht wurde. Ungewohnt war es aber doch.

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