Konzert:Das Wehen des Heiligen Geistes

Konzert: Dirigent Gerd Guglhör legt einen interpretatorischen Fokus noch deutlicher als in früheren Jahren in Richtung einer musikalischen Inszenierung mit großer Dramatik

Dirigent Gerd Guglhör legt einen interpretatorischen Fokus noch deutlicher als in früheren Jahren in Richtung einer musikalischen Inszenierung mit großer Dramatik

(Foto: Günther Reger)

Gelungene Aufführung der Johannespassion von Bach-Chor und -Orchester im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

"Es ist vollbracht!", so lauten die letzten Worte Jesu vor seinem Tod in der Passion des Evangelisten Johannes am Karfreitag. Hier ist ein Weg zu Ende gebracht, doch die Auferstehung an Ostern leuchtet bereits herein. Ein Ende, das kein endgültiges Ende ist - das stellt die Hoffnung über die Verzweiflung. Aus diesem Geist heraus ist auch die Vertonung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach entstanden. Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck führten das Werk unter der Leitung von Gerd Guglhör im sehr gut besuchten Stadtsaal auch in diesem Jahr auf. Dabei verschob der Dirigent seinen interpretatorischen Fokus noch deutlicher als in früheren Jahren in Richtung einer musikalischen Inszenierung mit großer Dramatik. Das oratorische Werk erlangte dadurch zumindest phasenweise opernhafte Züge, wenn auch konzertant und damit ohne Szenerie und Kostüme. Umso eindringlicher aber wirkte die Sprache des musikalischen Ausdrucks. Als Vokalsolisten waren der kurzfristig eingesprungene Tenor Jan Kobow als Evangelist, Manuel Winckhler als Jesus (Bassbariton), Roswitha Schmelzl (Sopran), Katharina Guglhör (Alt), Luca Gotti (Tenor) sowie Jörg Hempel (Bass) zu hören.

Der Eingangschor mit der musikalischen Darstellung der Dreifaltigkeit Gottes gelang in hoher Plastizität: Das Wehen des Heiligen Geistes ging auch bei aller Klarheit des Klangs nicht verloren, und doch waren die Spitzentöne mit dem Wort "Herrscher" zentral hervorhoben. Der Schlusschor "Ruht wohl" war von bestechendem Wohlklang, homogen ausgeglichen und voll Sanftheit. So schloss sich dramaturgisch wunderbar der Spannungsbogen über das ganze Werk. Auf dem Höhepunkt, quasi in der Mitte, setzte der Chor "Kreuzige, kreuzige" in schneidender, ja geradezu keifender Deklamation ein einschüchterndes Zeugnis der Entschlossenheit. Hinzu kam hier, dass diese Rufe durch die versetzten Stimmen omnipräsent waren und damit eine deutlich zugespitzte verbale Kraft vermittelten. Spielerisch parlierend dagegen geriet der Chorsatz "Lasset uns nicht zerteilen", denn der Wortsinn "zerteilen" schien hier vom Ausdruck her auch nicht durch die musikalische Umsetzung auf. Das Bach-Orchester als funktionaler Träger von Harmonie und wichtiger Unterstützer der musikalischen Intentionen passte sich punktgenau in den Gesamtklang ein und steigerte so das musikalische Erlebnis für die Zuhörer.

Den Chorälen kommt in den Passionen meist eine eher betrachtende Rolle zu. Gerd Guglhör hob sie aus dieser Ruheposition und inszenierte sie im Hinblick auf Agogik und Dynamik von ihrer Textaussage her. Dadurch wurden sie zu Zusammenfassungen des Geschehens aus übergeordneter Perspektive und zu integralen Bestandteilen der Johannes-Passion. Als Beispiel sei der Choral "Wer hat dich so geschlagen" genannt, bei dem die Deklamation des Wortes "geschlagen" von den Zuhörern fast körperlich wahrgenommen werden konnte.

Der Evangelist Jan Kobow hat eine große Versiertheit mit dieser Partie und verstand sich als mitfühlender Erzähler, auch wenn sein stimmlicher Ansatz nicht immer perfekt geriet. Damit verließ er ganz im Sinne der Interpretation die Rolle des distanzierten Berichtenden. Roswitha Schmelzl erfüllte die Sopran-Arie "Ich folge Dir gleichfalls" in schwingendem Tempo mit ihrer leuchtenden Stimme und brachte eine bestechende Innigkeit ein. Die Alt-Arie "Es ist vollbracht" entwickelte sich durch das weiche Timbre von Katharina Guglhör zu einem unumstößlichen Ruhepol. Nicht auf gleichem Niveau agierte der Tenor Luca Gotti in seiner Arie "Erwäge". Die Dichotomie zwischen linearer Führung und Klarheit des Einzeltons gelang ihm nicht optimal. Der Bass von Jörg Hempel überstrahlte in der Arie "Mein teurer Heiland" den Klang, der durch die Begleitfunktion des Chores gut unterfüttert war. Die kleinste Partie hatte Manuel Winckhler als Jesus, doch genügten ihm oft wenige Töne, um stimmlich den Mittelpunkt zu markieren.

Dass der Bach-Chor diesmal nur 56 Sänger hatte, erwies sich nicht als Nachteil. Die Flexibilität in der musikalischen Aktion war begeisternd, Klangpracht und Verschmelzungsrad ließen nichts zu wünschen übrig. Großen Beifall gab es am Ende, der auch ein Dank war für das schlüssige Gesamtkonzept.

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