Landkreis München:Warum so wenige junge Menschen eine Ausbildung machen

Lesezeit: 3 min

Wer eine Ausbildung im Landkreis München machen will, hat gute Chancen, einen Platz zu ergattern. Doch das Interesse ist gering. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Nirgendwo sonst im Freistaat erlernen so wenige junge Menschen ein Handwerk oder einen anderen Fachberuf wie im Landkreis München. Der Fachkräftemangel in München und Region ist enorm.

Von Angela Boschert und Martin Mühlfenzl, Neubiberg

Die Chancen im Landkreis München Koch zu werden, stehen eigentlich ganz gut. Auf nahezu zwei gemeldete Ausbildungsstellen kommen hier statistisch gesehen nur eine Bewerberin oder ein Bewerber. Dennoch verzeichnet der Landkreis München mit einer Ausbildungsquote von nur 3,1 Prozent die mit Abstand niedrigste in ganz Bayern, wie aus dem neuesten Bildungsbericht des Landkreises hervorgeht - und die Gründe hierfür sind vielfältig: Vor allem aber liegt die Quote von Schülern, die im so wohlhabenden Landkreis das Abitur ablegen, weit über dem bayernweiten Schnitt. Nahezu 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Landkreis erwerben die allgemeine Hochschulreife, im gesamten Freistaat sind es nur etwa 28. In Gemeinden wie Grünwald und Gräfelfing liegt die Übertrittsquote von der Grundschule aus Gymnasium sogar bei mehr als 85 Prozent. Da kommen das Handwerk und andere Fachberufe zwangsläufig zu kurz.

Dennoch bilden im Landkreis mehr als 2000 Betriebe aus. Allerdings konzentriert sich das Interesse von Bewerbern auf einige ausgewählte Berufe. Traditionell ist der Beruf des Mechatronikers vor allem bei Männern beliebt, nahezu 2000 Auszubildende im Landkreis erlernen diesen Beruf. Beliebt ist auch das Handwerk, in dem 34 Prozent aller Azubis tätig sind - aber nur elf Prozent der weiblichen Lernenden. Frauen lernen vor allem in den sogenannten Freien Berufen - etwa im Gesundheits- und Sozialwesen, als Erzieherin. Heilpraktikerin oder Dentistin.

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Im Vergleich zum Jahr 2019, so offenbart es der Bildungsbericht, ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für eine Ausbildung im Landkreis München allerdings stark um 14,2 Prozent zurückgegangen - und auch die bei der Arbeitsagentur gemeldeten Stellen verzeichneten einen starken Rückgang, binnen zwei Jahren waren es 400 Angebote weniger.

Vor allem der Wohlstand im Landkreis München lastet wie eine schwere Bürde auf dem Handwerk und der Industrie. Der Fachkräftemangel ist enorm, die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und die Region spricht davon, dass alleine im Landkreis München bis zu 90 000 Fachkräfte fehlen. Und das in einem Landkreis, der mit starken Arbeitsmarktzahlen protzen kann: 145 665 Landkreisbürger arbeiten in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis - rund 31 Prozent mehr als noch im Jahr 2019.

Mehr als 240 000 sozialversicherungspflichtige Jobs gibt es im Landkreis und nahezu 80 Prozent der hier Beschäftigten pendeln ein. Mit 116 215 Euro pro Einwohner weist der Landkreis das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt in Bayern auf. Und dennoch gibt es ein Dilemma auf dem Ausbildungsmarkt, dem die Ausbildungsmesse in der Realschule Neubiberg am Samstag, 7. Mai, von 11 bis 16 Uhr etwas entgegen setzen will.

Gitta Svoboda ist Vorsitzende des Fördervereins der Realschule Neubiberg. Sie hat sich schon für die Finanzierung von vielen Projekten eingesetzt. (Foto: Claus Schunk)

Treibende Kraft ist Gitta Svoboda, die Vorsitzende des Fördervereins, der seit fünf Jahren die Messe gemeinsam mit der Schulfamilie veranstaltet. Waren es anfangs 16, sind es heuer 33 namhafte Unternehmen aus der Region, die ihre Ausbildungsmöglichkeiten vorstellen. Sie kommen aus den Bereichen kaufmännische Berufe und Dienstleistung, Touristik und Versicherungen, (IT-)Technik, Maschinenbau und Naturwissenschaften, öffentlicher Dienst und Handwerk. Svoboda will bewusst keinen Aussteller einzeln nennen, verspricht aber, es präsentierten sich Weltkonzerne ebenso wie kleine Einzelunternehmen und öffentliche Institutionen.

Svoboda selbst ist Geschäftsführerin von Nunn-Aufzüge in Hohenbrunn und der dortigen internationalen Personalberatung, Top-Jobs-Europe. Bei beiden Unternehmen fragen mehr Interessierte an, als sie ausbilden können. Wie das? "Wir sind bekannt dafür, dass wir uns insbesondere anfangs sehr intensiv um unsere Azubis kümmern." Die müssen die Prozesse kennenlernen und zum Beispiel verstehen, was Kunden und Lieferanten erwarten. Man spüre, wie sie nach einem dreiviertel Jahr selbstbewusster werden und zunehmend auch von allein Arbeiten sehen, die zu tun sind. "Dann laufen sie bald als volle Arbeitskraft mit", so Svoboda. Große Unternehmen hätten eine Ausbildungskultur entwickelt, dies sei auch für kleine und mittlere Unternehmen entscheidend. Man müsse sich mehr zeigen, um gute Auszubildende zu finden. Nicht zufällig habe bei der Ausbildungsmesse jeder Aussteller freie Plätze, ergänzt sie.

Sie lädt insbesondere Schüler der 8. bis 10. Klassen aller Schulen des Landkreises ein, diese Chance zu nutzen, entscheidende Weichen für die Zukunft zu stellen. Firmenvertreter und Auszubildende geben im persönlichen Gespräch qualifizierte Ratschläge aus der Praxis. Impulsvorträge informieren über den passenden Auftritt beim Bewerbungsgespräch (11.15 Uhr), die Entscheidung "Ausbildung oder FOS?" (11.45 Uhr) sowie über "Assessment-Center - Was erwartet mich und wie bereite ich mich vor?" (12.30 Uhr). Als Themen-Special referiert ein Vertreter der Ausbildungsoffensive Bayern um 13.45 Uhr über "Karriereperspektiven in der Metall- und Elektroindustrie". Selbstverständlich können auch Eltern kommen und erhalten Antworten auf brennende Fragen. Mehr Informationen sowie Zeitplan und Programm unter www.clever-azubi.com.

Fünfte Ausbildungsmesse 2022 Neubiberg, Samstag, 7. Mai, von 11 bis ca. 16 Uhr, Staatliche Realschule Neubiberg, Buchenstraße 4, Neubiberg

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