Haar:Mit mehr Energie zur Wende

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Im Jahr 2007 wurde in Salmdorf die größte Freiflächen-Photovoltaikanlage eröffnet. Die Grünen würden so etwas gerne wieder sehen. (Foto: Schunk Claus/lks)

Photovoltaik, Windkraft oder gar Geothermie: Die Grünen erwarten von den Haarer Gemeindewerken mehr Elan beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Deren Leiter Walter Dürr sieht Versäumnisse bei der Politik.

Von Bernhard Lohr, Haar

Es gibt ausreichend Gas und das Gas ist auch günstig: Was der Geschäftsführer der Gemeindewerke Haar im Gemeinderat verkündet, klingt in Zeiten einer akuten Energiekrise mit steigenden Preisen nach heiler Welt. Walter Dürr hat an diesem Abend viele beruhigende Botschaften für die Kunden des kommunalen Unternehmens im Gepäck. Und doch sind gewisse Spannungen im Gemeinderat unverkennbar. "Seien Sie mutiger", sagt Zweiter Bürgermeister Ulrich Leiner von den Grünen in die Richtung des Gemeindewerkechefs. Seine Fraktion würde sich ein progressiveres Agieren der Gemeindewerke wünschen, um den vielen Krisen auf dieser Welt irgendwie auch am Ort zu begegnen.

Die große Politik wird anderswo gemacht. Ein Gemeindewerkechef entschiedet nicht über Krieg und Frieden, nicht über den Füllstand von Gasspeichern und hat keinen Einfluss auf CO₂-Preise. Doch auch auf kommunaler Ebene passiert derzeit im Landkreis München einiges, was die viel besprochene Energiewende voranbringen soll. Und Haar ist selten mit von der Partie. Anders als Grünwald, Pullach, Unterföhring oder Unterschleißheim verfügt die 20 000-Einwohner-Gemeinde im Osten über kein Geothermiekraftwerk. In Haar wird nicht über Windkraft diskutiert und auch nicht über eine größere Freiflächen-Photovoltaikanlage, wenn man mal von der Anlage im Ortsteil Salmdorf absieht, die 2007 errichtet wurde und mit 3,4 Hektar damals die größte im Landkreis war. Der Betreiber denkt mittlerweile darüber nach, die Anlage zu ertüchtigen.

Walter Dürr, der Geschäftsführer der Haarer Gemeindewerke. (Foto: Claus Schunk)

Doch damit wollen sich die Grünen nicht zufrieden geben. Und sie erwarten sich gerade jetzt mehr Impulse. Walter Dürr zeigt sich bei seinem Auftritt im Gemeinderat, um den die Grünen wegen der aktuellen Verwerfungen auf dem Gasmarkt gebeten hatten, zunächst als seriöser Kaufmann, der seinen Auftrag im Dienst der Gemeinde erfüllt und sich durch die Umstände gebremst sieht. Seine Aufgabe sei es, die Kunden bestmöglich zu bedienen und für die Gemeinde Überschüsse zu erwirtschaften. Er mache keine Politik, sagt er. Und man hört ein Leider heraus: Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz sollen bis 2030 65 Prozent des Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden sollten. Doch es fehlten die Instrumente, das umzusetzen, sagt Dürr. An der Praxis scheitere oft die Vision.

Vorausschauende Einkaufspolitik sichert aktuell niedrige Gaspreise

Walter Dürr preist die vorausschauende Einkaufspolitik der Gemeindewerke bei Gas, die den Haarer Kunden tatsächlich günstige Preise gesichert habe. Man nehme auch noch Neukunden auf, zu den Tarifen der Bestandskunden. "Wir sind eigentlich zu billig", sagt Dürr. Die Gasspeicher würden gefüllt, von Russland aus, aber auch über Leitungen von Belgien, von wo offenbar LNG-Gas, also Flüssiggas, nach Deutschland ströme. Irgendwann müssten die Gemeindewerke freilich auch ihre Preise erhöhen. Man sei natürlich marktabhängig. Auch der CO₂-Preis werde irgendwann durchschlagen, sagt Dürr, auch beim Strom, alleine weil die Kohleverstromung zunehme.

Leiner und seine Fraktionskollegin Ulrike Olbrich wollen eigentlich anderes hören. Olbrich fragt, ob nicht ein Strategiewechsel notwendig werde. Sie spricht Photovoltaik, Wärmepumpen, Windkraft und Nahwärme an. Die regionale Energieerzeugung werde doch immer wichtiger. "Es ist eine Chance, dass wir Gemeindewerke haben", sagt sie. Dürr widerspricht nicht, mahnt aber zu einem realistischen Blick. Die Haarer Gemeindewerke seien klein. Nichts gehe ohne Kooperationspartner. Auf diese Weise sei man an einem Windrad in Nordbayern beteiligt. Nahwärme? "Legen Sie mal Leitungen, da kommen Ihnen die Tränen", sagt Dürr zu Olbrich. Die Kosten seien immens. Nicht anders sei es beim eigentlich notwendigen Ausbau des Stromnetzes. Alle redeten von Wärmepumpen und Elektromobilität, doch die Netze reichten dafür nicht aus.

Grüne Energie: Das Geothermie-Kraftwerk in der Messestadt-Riem liegt nicht weit von Haar entfernt. (Foto: Claus Schunk)

Vor Jahren war Haar als Partner im Gespräch, um mit Vaterstetten, Zorneding und eventuell Grasbrunn ein Geothmerie-Kraftwerk zu errichten. Daraus wurde, wie CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer beklagt - auch gegen das Werben der CSU am Ort - nichts, weil keine politische Mehrheit dafür vorhanden gewesen sei. Gerade unternehmen die östlichen Nachbarn von Haar einen neuen Anlauf. Das Kommunalunternehmen in Vaterstetten hat sich Mitte Februar eine großräumige Aufsuchungserlaubnis für Geothermie im Gemeindegebiet erteilen lassen und ist wieder mit Zorneding und Grasbrunn im Gespräch. Haar ist bei diesem Austausch nicht dabei. Und Haars Gemeindewerke-Chef Walter Dürr bezeichnet eine Investition in Erdwärme für Haar als "illusorisch". Sollte ein Unternehmen eine Erdwärme-Fernleitung durch Haar legen, würde man sich aber beteiligen, um Kunden anzubinden. Man stehe in Gesprächen mit großen möglichen Partnern, sagt Dürr. Die Stadtwerke München haben eines der ersten Geothermiekraftwerke in der Region in der Messestadt errichtet - nicht weit von der Haarer Gemeindegrenze.

Die Gemeindewerke wirken beim Aufbau von E-Ladestationen in Haar Dürr zufolge kräftig an der Energiewende mit. Dürrs Stellvertreter Peter Mendel spricht auch vom Austausch mit anderen Stadt- und Gemeindewerken, etwa über die Frage, ob durch Gasnetze dereinst Wasserstoff geleitet werden könnte. Laut Mendel zählen die Gemeindewerke Haar 23 Beschäftige. Es sei nahezu unmöglich, qualifiziertes Personal, wie etwa einen Heizungsbauer, zu bekommen, um den Ausbau von Wärmepumpen zu forcieren. Die Grünen wollen aber nicht locker lassen. Mike Seckinger wirbt für eine Sondersitzung des Aufsichtsrats der Gemeindewerke, um dort über die Strategie des kommunalen Unternehmens zu reden.

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