Mitten in Manching:Wie Bayern seine Schätze verspielt

Raubgräber haben in Manching mehr als 100 archäologische Funde entwendet. Die aktuelle Gesetzeslage kommt den ruchlosen Plünderern auch noch entgegen.

Von Hans Kratzer

Abertausende Automobilisten brettern jeden Tag auf der A 9 über die Ebene des Ingolstädter Beckens. Ob ihnen allen bewusst ist, dass gerade hier der große Atem der Geschichte weht? Vom 4. Jahrhundert vor Christus an, also mehr als tausend Jahre vor der Gründung der Städte München und Berlin, tobte im Oppidum von Manching bereits das Leben in seiner ganzen Fülle. Die Geschichte inszeniert sich stets auf ihre eigene Weise, wo es heute glänzt und glitzert, war gestern nichts als Staub und Erde, und das gilt auch umgekehrt. In diesem Sinne hat sich einst in Manching die älteste Großstadt nördlich der Alpen erstreckt. Sie blühte auf, weil sie in idealer Lage an das weitläufige Handelsnetz entlang der Donau angebunden war.

Heute ist das Areal des Oppidums ein Paradies für Archäologen. Seit 1955 wird die weite Fläche durch Grabungen systematisch erschlossen. Leider wecken die Bodenfunde auch Begehrlichkeiten bei jener Klientel, die das Licht scheut. Man nennt sie Raubgräber, ihnen geht es nicht um wissenschaftliche Erkenntnis, sondern um den schnellen Gewinn. In ihrer Gier schrecken sie vor Zerstörung nicht zurück, sie sind gewissenlose Söldner des Mammons.

Vor wenigen Tagen haben diese Räuber in Manching zahlreiche Objekte ausgegraben und mitgenommen. Im Schutze der Nacht suchten sie die Grabungsfläche mit Metallsonden ab. An mehr als 100 Stellen nahmen sie mit, was ihnen in die Hände fiel. Welche Schätze das waren, kann das Landesamt für Denkmalpflege derzeit noch nicht sagen. Mit Sicherheit waren für die Wissenschaft wertvolle Objekte aus Metall darunter, Gewandnadeln etwa, Rüstungsteile und Münzen. Und die Diebe hatten auch noch Glück. Sie ahnten vermutlich nicht, wie gefährlich das Betreten der Grabungsfläche ist. Direkt daneben liegt der Militärflughafen Manching, das ganze Gebiet ist kontaminiert mit explosiven Kampfmitteln aus dem Krieg.

Der Raub belegt die Problematik der Gesetzeslage. Für Raubgräber ist Bayern geradezu ein Paradies. Hier dürfen sich Finder und Grundbesitzer einen Bodenfund teilen, und das gilt selbst dann, wenn der Fund illegal gehoben wurde. Auf Raubgräber wirkt das wie eine Einladung. So gibt Bayern sein historisches Erbe an ruchlose Geschäftemacher preis.

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