Trainer-Abschiede in der Bundesliga:Warum so viele Coaches gehen

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Der bisherige Gladbacher Trainer Adi Hütter (rechts) ist fürs Erste ohne Job, und seit Dienstag auch Hoffenheims Sebastian Hoeneß. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Hütter weg, Kohfeldt weg, Weinzierl weg, jetzt auch Hoeneß: Die Liga erlebt eine ungewöhnliche Scheidungswelle auf den Trainerposten. Doch das zeugt nicht von der Brutalität der Branche - sondern vom neuen Selbstverständnis.

Kommentar von Philipp Selldorf

"Fallen im Herbst die Blätter, wackeln im Fußball die Stühle der Trainer", lautet eine alte und in zig Jahren bewährte Bauernregel der Bundesliga, deren Wahrheitsgehalt nun aber in Frage steht - auch an dieser Stelle wirkt ein Klimawandel auf die überlieferten Gegebenheiten ein.

Der vorige Herbst war für die Cheftrainer der ersten Liga eine relativ geruhsame Zeit. Ende November erwischte es Pal Dardai in Berlin, Anfang Dezember Jesse Marsch in Leipzig, das war's. Erst jetzt, wo die Bäume wieder voller Grün sind, kehrt mit dem Abpfiff der Saison eine Scheidungswelle ein: Wolfsburg trennte sich von Florian Kohfeldt, Mönchengladbach von Adi Hütter, und Markus Weinzierl entließ sich in Augsburg lieber selbst, bevor es der Verein tun konnte. Auch Sebastian Hoeneß, so wurde am Dienstag bekannt, sollte die Saisonanalyse in Hoffenheim nicht überstehen.

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Dennoch bedarf es nicht des Eingreifens von Umweltschützern, um die bedrohte Art der Fußball-Lehrer durch die heiße Jahreszeit zu bringen. Stattdessen gibt es wohl Anlass für den Volksmund, eine neue Weisheit zu formulieren. Etwa so: "Blühen an Pfingsten die Rosen, wechseln die Klubs die Trainer wie Hosen." An der Poesie wäre zweifellos noch zu arbeiten. Aber das Phänomen könnte damit ungefähr beschrieben sein.

Der Umgang mit den Trainern gleicht sich immer mehr dem mit den Spielern an

Dass jetzt die genannten Trainer aus ihren Jobs scheiden, drückt jedoch keine neue Form der Brutalität in der Branche aus. Es hat mit dem neuen Selbstverständnis zu tun, mit dem sie durchs Land ziehen. Erstmals wurde dies im vorigen Sommer auffällig, als es in der ersten Liga unter dem Einsatz von Vertragsklauseln, Ablösesummen und allerlei gebrochenen Versprechen eine noch nie erlebte Trainer-Rochade gab: Wolfsburg, Mönchengladbach, Dortmund und Frankfurt vollzogen einen fast kompletten Ringtausch; RB Leipzig transferierte Julian Nagelsmann zum Höchstpreis zum FC Bayern.

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Hieß es früher immer, die Trainer seien als Führungskräfte im Vergleich mit den Fußballern unterbezahlt und unterprivilegiert, so zeichnete sich eine Entwicklung ab, die der bedeutenden Stellung der Trainer im Markt entsprach: Beraten von Agenten betrieben sie ihren eigenen Stellenwechsel.

Die Trennungsfälle vom Wochenende zeigen die nächste Stufe der Angleichung an die Spielerebene an. Die Austauschbarkeit wird von beiden Seiten anerkannt und professionell abgewickelt. Mit dem Effekt, dass nun ein anderes Requisit von früher wieder in Mode kommt: Das Trainerkarussell hat wieder Zulauf.

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