Klimapolitik:Wie die EU das Klima schützen will - und die Industrie

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Die deutsche Industrie - hier holzverarbeitende Betriebe am Seehafen Wismar im Januar 2022 - hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Treibhausgas-Emissionen verursacht. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Der Umweltausschuss des Europaparlaments stimmt dafür, ehrgeizige Gesetze noch zu verschärfen. Unter anderem sollen dreckige Billigimporte verteuert werden. Doch es droht Ärger.

Von Björn Finke, Brüssel

Das Europaparlament will den geplanten Klimazoll der EU verschärfen: Am Dienstag stimmte der Umweltausschuss des Parlaments mit 49 zu 33 Stimmen dafür, das sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichssystem früher einzuführen und für mehr Produkte gelten zu lassen. Wenn das Plenum im Juni diese Position bestätigt hat, können die Verhandlungen zwischen Parlament und Ministerrat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, über das brisante Gesetz beginnen. Das System, das in Brüssel vor allem unter seiner englischen Abkürzung CBAM firmiert, soll Europas Industrie vor Billigimporten aus Ländern schützen, in denen laxere Klimaschutz-Standards gelten.

Der Gesetzentwurf der Kommission sah vor, das System zunächst nur für Zement, Aluminium, Dünger, Eisen und Stahl sowie Elektrizität einzuführen. Die Abgeordneten ergänzten die Liste um Wasserstoff, Plastik und organische Chemieprodukte. Dieser Mechanismus soll das bewährte Emissionshandelssystem ergänzen: In der EU müssen Kraftwerke und viele Industriebetriebe schon seit 2005 Kohlendioxid-Zertifikate vorweisen können, wenn sie Klimagase in die Atmosphäre blasen. Mit diesen Verschmutzungsrechten darf man handeln; Konzerne, denen die Verringerung des CO₂-Ausstoßes einfacher fällt, können überschüssige Zertifikate verkaufen. Damit werden die Emissionen auf die günstigste und wirtschaftlichste Art verringert.

Doch wegen der strengen Klimaschutzziele reduziert die Kommission die Zahl der Verschmutzungsrechte. Deren Preise steigen - und damit die Kosten der hiesigen Industrie sowie die Gefahr, dass die Hersteller nicht mit billigeren Importen mithalten können oder ihre Werke aus der EU wegverlagern. Der CBAM soll dem entgegenwirken. Er verlangt von Importeuren, ebenfalls Kohlendioxid-Zertifikate für ihre Einfuhren zu kaufen und so faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Diese Pflicht entfällt nur, wenn die Produzenten in Amerika oder Asien bereits in der Heimat angemessen für ihren CO₂-Ausstoß gezahlt haben. Für Staaten, die ein eigenes und vergleichbares Emissionshandelssystem aufgebaut haben, ändert sich also nichts. Doch Konzerne, die zu Hause nicht für ihren Ausstoß an Klimagasen zur Kasse gebeten werden, müssen damit rechnen, dass CBAM ihre Exporte in die EU künftig verteuert.

Europas Wirtschaftsvertreter sind entsetzt

Eine andere Änderung der Abgeordneten betrifft die freie Zuteilung von Emissionsrechten: Bisher erhalten Europas Industriebetriebe eine bestimmte Menge kostenloser CO₂-Zertifikate, um besser im Wettbewerb mit Rivalen aus Ländern ohne Emissionshandelssystem bestehen zu können. Diese Geschenke sollen auslaufen, wenn CBAM in Kraft tritt, um einen doppelten Schutz zu verhindern. Die Kommission wollte die kostenlosen Verschmutzungsrechte bis 2036 schrittweise abschaffen, der Umweltausschuss stimmte nun für 2030 als Enddatum.

Der Europaabgeordnete Mohammed Chahim, ein niederländischer Sozialdemokrat, ist als sogenannter Berichterstatter dafür zuständig, die CBAM-Verordnung durchs Parlament zu lotsen. Er sagte nach der Abstimmung, CBAM werde ein "Pfeiler von Europas Klimapolitik sein". Die Regelung werde Anreize für die Handelspartner der EU setzen, den Treibhausgasausstoß ihrer eigenen Industrien zu senken. Allerdings warnen Fachleute, dass der Klimazoll Regeln der Welthandelsorganisation WTO brechen und Handelsstreitigkeiten lostreten könnte.

Der Umweltausschuss stimmte außerdem über seine Position zur Reform des Emissionshandelssystems ab. Mit 62 zu 20 Stimmen votierten die Abgeordneten für einen Kompromiss, der unter anderem vorsieht, die von der Kommission für 2026 geplante Ausweitung auf Brennstoffe fürs Heizen und auf Treibstoffe fürs Auto erst später einzuführen - zumindest für Privatleute. Private Gebäude und Fahrzeuge sollen erst von 2029 an dazukommen, und das auch nur unter bestimmten Bedingungen.

Der EU-Unternehmerdachverband Business Europe nennt die Positionen des Umweltausschusses "unrealistisch". Cheflobbyist Markus Beyrer sagte, wenn das am Ende so Gesetz werde, würde "Europas Wirtschaft als Ganzes einen hohen Preis zahlen, da die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf beispiellose Weise untergraben würde".

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