Citroën Berlingo Dynavolt:Zwei Motoren unter der Haube

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Reichweite steigt auf 260 Kilometer, was auch die Verkaufschancen erhöhen würde / Entscheidung über Serienproduktion im Juli

(SZ vom 26.06.1999) Strom kommt aus der Steckdose - ja, wenn das so einfach wäre, dann gehörten die Automobiltechniker, die sich mit der Entwicklung von Elektroautos beschäftigen, zu den glücklichsten Menschen auf der Welt. Seit Jahren kämpfen sie aber immer mit dem gleichen Problem: Die Batterien machen einfach zu früh schlapp - und diese geringe Reichweite hindert die meisten Autofahrer daran, sich ernsthaft Gedanken über diese alternative Antriebsart zu machen. Wenn nicht Gesetze in verschiedenen Staaten die Einführung von Autos, die keinerlei oder nur sehr wenig Emissionen ausstoßen, fördern oder gar vorschreiben würden, hätten die Techniker das Kapitel E-Auto längst abgeschlossen. So sinnen die Entwickler nach immer neuen Krücken, um aus den kurzatmigen Elektroautos Fahrzeuge mit größerer Kondition zu machen.

Aus dieser Not heraus entstand die Idee, zwei Motoren in ein Auto zu implantieren, einen herkömmlichen Verbrennungsmotor und einen Elektroantrieb. Einer der ersten Vertreter dieser Gattung war der Audi Duo, der es nie zu mehr als einem Schaustück auf Autoausstellungen brachte. Den neuesten Vorstoß macht nun Citroën. Die Franzosen haben einem Berlingo die Kraft der zwei Herzen verliehen: Sie koppelten einen 28 kW (38 PS) starken Elektromotor mit einem Flüssiggasantrieb (LPG). Dieses Hilfsaggregat besteht aus einem Zweizylinder-Viertaktmotor mit 500 cm3, der zusätzlich 8 kW (11 PS) bereitstellt.

Beide Motoren sind unter der Haube des Berlingo Dynavolt untergebracht. Ein Blick in den Motorraum zeigt, daß darin jeder Winkel mit Technik vollgepfropft ist. Ganz vorne auf der linken Seite ist der Flüssiggasmotor angebracht, den Restplatz teilen sich der E-Motor und 16 Batterien. Die verbleibenden Akkus hat man unterhalb der Rücksitzbank untergebracht. Vier Batterien mußten aus dem normalen Berlingo Elektro ausgebaut werden, um dem LPG-Antrieb Platz zu machen.

Normal deshalb, weil Citroën in Frankreich schon mehr als 1000 Berlingo Elektro verkauft hat. In Deutschland brachte man es erst auf genau 14 ausgelieferte elektrifizierte Transporter, was auch am Preis von 47 000 Mark liegt. In Frankreich wird der Kauf eines Elektroautos mit insgesamt 15 000 Francs gefördert: 10 000 davon gibt der Staat, 5000 schießt die Stromversorgung zu. Grundsätzlich unterscheiden sich auch die Kosten für die Nickel-Cadmium-Akkus: Sie werden in Frankreich geleast und gehören nicht dem Autobesitzer wie in Deutschland.

Wenn aus dem Berlingo Elektro mehr als nur ein Fahrzeug für das Öko-Gewissen werden soll, sagte sich Citroën, muß die Reichweite gesteigert werden, denn vielen Autofahrern graut es bei dem Gedanken, auf der Heimfahrt mit ihrem fortschrittlichen Gefährt einfach liegenzubleiben. Das kann mit dem Berlingo Dynavolt nicht mehr so leicht passieren: Mit ihm kommt man bis zu 260 Kilometer weit, während die reine Elektrokraft nach 80 Kilometern erschöpft ist.

Bei ersten, kurzen Fahrten zeigte sich, daß aus dem Dynavolt, der als reines Schaustück im Frühjahr diesen Jahres erstmals auf dem Genfer Autosalon gezeigt worden war, ein durchaus fahrbereiter Prototyp geworden ist. Äußerlich unterscheidet sich der Dynavolt nicht von seinen Brüdern mit Otto- oder Elektromotor. Im Innenraum fällt das Display in der Mitte des Armaturenbretts auf, in dem die jeweils gewünschte Antriebsquelle eingestellt und die voraussichtliche Fahrstrecke eingegeben werden kann. Meistens ist dies die Hybrid-Position. Dann wählt ein elektronisches Energiesteuerungssystem die jeweils richtige Mischung aus Elektro- und Flüssiggasantrieb aus. Nur in Ausnahmefällen sollte der Fahrer den reinen Elektroantrieb auswählen (etwa wenn die Innenstädte nur für Zero-Emission-Fahrzeuge offen sind), oder auf den Gasmotor umschalten, wenn die Batterien schlappgemacht haben.

Dreht man den Zündschlüssel, hört man - wie bei anderen Elektroautos auch - erst einmal nichts außer einem leisen Surren, das von der Servounterstützung der Lenkung herrührt. Den Automatikwahlhebel auf die Position D gelegt, schnurrt der Belingo nach einem Tritt auf das Gaspedal sanft los. Eine Beschleunigungsorgie ist bei 38 PS eh nicht zu erwarten, aber der Dynavolt ist vor allem für den Einsatz in der Stadt oder in Ballungsräumen konzipiert. Wenn die Tachonadel die 60-km/h-Marke überschreitet, hört man aus dem Motorraum plötzlich ein stark anschwellendes Geräusch, das an den Motorensound eines Propellerflugzeugs erinnert: Jetzt schaltet sich der Verbrennungsmotor zu, was immerhin ruckfrei gelingt, da es keine mechanische Verbindung zu den angetriebenen Vorderrädern gibt. Bei etwa 90 km/h ist der Beschleunigungsvorgang beendet - was sicherlich auch an den rund 300 Kilogramm Mehrgewicht liegt, die der Dynavolt im Vergleich zu seinen Brüdern mit sich herumschleppen muß. Ob er jemals in die Serienproduktion gehen wird, entscheidet Citroën im Juli. Die Chancen stehen aber nicht schlecht, ist zu hören. Die ersten Fahrzeuge könnten dann in einem Jahr an Kunden ausgeliefert werden. Bis dahin wollen die Techniker mit zusätzlichem Dämmaterial dem LPG-Motor ordentliche Manieren beigebracht haben. Einer Verbreitung in Deutschland steht aber auch ein eigentlich nicht existierendes Tankstellennetz für Flüssiggas im Wege. Statt Flüssiggas könnte aber - nach einigen Modifikationen - auch Erdgas getankt werden.

Von Otto Fritscher

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