Bedrohte Biokruste:Ein natürliches Hilfsmittel gegen Sandstürme droht zu verschwinden

Bedrohte Biokruste: Sandsturm in einem Flüchtlingslager im syrischen Idlib.

Sandsturm in einem Flüchtlingslager im syrischen Idlib.

(Foto: Anas Alkharboutli/dpa)

Eine dünne Schicht aus Pilzen, Moosen und Kleinstlebewesen beugt in vielen trockenen Gebieten dem Aufwirbeln von Staub vor. Doch die "Biokrusten" sind akut bedroht.

Von Elizabeth Pennisi

Vor zwei Jahren stiegen 24 Millionen Tonnen Staub hoch über Afrika auf und bildeten eine Wolke, die über den Atlantik wirbelte und Puerto Rico in eine rosa Patina hüllte. Ein ungewöhnlich mäandernder Jetstream trug zur Bildung der monströsen Staubwolke bei. Doch jetzt haben Ökologen einen weiteren Faktor für solche Stürme ausgemacht: das Verschwinden der "Biokruste", einer mikrobiellen Matte, die den trockenen Boden bedeckt und den Staub an Ort und Stelle hält.

Eine Biokruste ist eine harte Oberflächenbeschichtung oder "Haut", die in der Regel nur wenige Millimeter dick ist und eine blühende Gemeinschaft von Pilzen, Flechten, Moosen, Cyanobakterien und anderen Mikroben enthält. "Sie klebt den Sand zusammen", sagt Bettina Weber, Ökologin an der Universität Graz und Mitautorin der in Nature Geoscience erschienenen Studie. Doch von Vieh zertrampelt und infolge des Klimawandels zerstört, wird dieser Klebstoff in Zukunft wahrscheinlich schwächer, der Boden wird zur Beute des Windes. Die Staubstudie zeige, "dass der Verlust der Biokruste in einem bestimmten Gebiet der Welt weitreichende Auswirkungen haben kann", sagt Rebecca Finger-Higgens, Ökologin beim US Geological Survey.

Bedrohte Biokruste: Biokruste im australischen Bundesstaat New South Wales.

Biokruste im australischen Bundesstaat New South Wales.

(Foto: David Eldridge, UNSW)

Bislang haben Ökologen den Biokrusten, die Böden in trockenen, halbtrockenen und extrem kalten Gebieten auf der ganzen Welt bedecken, wenig Beachtung geschenkt. Forscher haben jedoch erkannt, dass diese Schichten Nährstoffe produzieren und verarbeiten, die andere Organismen in der Umgebung brauchen, um zu gedeihen, insbesondere in trockenen Umgebungen. Außerdem helfen sie Trockenböden, ihre geringe Feuchtigkeit zu bewahren.

Im Jahr 2018 kartierten Weber und ihre Kollegen alle Biokrusten der Erde und kamen zu dem Schluss, dass sie zwölf Prozent der Landoberfläche bedecken. Anschließend taten sie sich mit Klimamodellierern und Staubexperten zusammen, um herauszufinden, wie viel Staubbildung der Biokrustenkleber derzeit verhindert. Zunächst ermittelten die Forscherinnen und Forscher, welcher Wind nötig ist, um die Biokruste zu zerstören und den Boden wegzublasen. Dann berechneten sie die Staubemissionen an 31 verschiedenen Standorten und gaben die Ergebnisse in ein Modell zur weltweiten Staubentwicklung ein - und wie stark sie ohne die Biokruste ansteigen würde.

Biokrusten verringern die Staubbelastung der Luft demnach um 700 Millionen Tonnen pro Jahr, berichten Weber und ihr Team. Diese Menge würde ganz New York unter 35 Zentimetern Staub begraben. Die Studie zeige, "dass Biokrusten eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Vermeidung von Staubemissionen spielen", sagt Fernando Maestre, ein Ökologe für Trockengebiete an der Universität von Alicante.

Staub kann Atemprobleme und andere Leiden verschlimmern

Staubstürme wie jener, der im Jahr 2021 Städte im Südosten Brasiliens verwüstete, könnten häufiger werden, da die Böden in Trockengebieten weniger Feuchtigkeit speichern. In den nächsten 65 Jahren werden zwischen 25 und 40 Prozent dieser Krusten verschwinden, sagt Emilio Rodriguez-Caballero, der an der Studie beteiligt war und jetzt an der Universität von Almeria arbeitet. Einerseits bedroht der Klimawandel die Bodenorganismen, er könnte etwa die Hälfte der Zerstörung bewirken. Die Krusten werden zudem von Menschen und Nutztieren zertrampelt oder kommen unter die Räder von Landmaschinen.

Finger-Higgens und Kollegen haben die Auswirkungen des Klimas genauer dokumentiert. In einer Langzeit-Untersuchung von Flächen im Canyonlands-Nationalpark in Utah stellten sie fest, dass vor allem Biokruste-Flechten unter steigenden Temperaturen leiden. Da die Temperaturen in den Canyonlands um 0,27 Grad Celsius pro Jahrzehnt gestiegen sind, sind Flechten, insbesondere solche, die dazu beitragen, den Stickstoff in der Luft in eine Form umzuwandeln, die andere Organismen nutzen können, fast verschwunden, berichtete das Team im April im Fachmagazin PNAS.

Mit weniger Stickstoff können weniger Pflanzen überleben, was zu kahleren Böden und mehr Staubemissionen führt, so Finger-Higgens. Einige Auswirkungen eines staubigeren Klimas sind den Forschern zufolge noch unklar. Der Einfluss von Staub auf die Temperaturen hängt zum Teil von der Größe der Partikel ab. Staubpartikel dienen als Kerne für die Wolkenbildung und können dazu führen, dass Schnee schneller schmilzt. Staub trägt zwar dazu bei, wichtige Nährstoffe für die Pflanzenwelt zu transportieren, kann aber bei Menschen Atemprobleme und andere gesundheitliche Leiden verschlimmern.

Bisher ging man davon aus, dass staubige Gebiete wie die Sahelzone grüner und weniger staubig werden, da höhere Kohlendioxidwerte eine düngende Wirkung haben. Doch der Verlust von Biokruste wird diesem Prozess wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad entgegenwirken, stellen Weber und ihre Kollegen fest.

Klimamodellierer hätten oft vernachlässigt, wie sich Staub auf Temperatur und Niederschlag auswirkt, sagt Michael Mann, Atmosphärenforscher an der Pennsylvania State University. Die Auswirkungen der schwindenden Biokrusten dürften aber nicht so dramatisch sein, dass sie in den globalen Klimamodellen einen großen Unterschied machen, meint er.

Joseph Prospero, Atmosphärenchemiker an der Universität von Miami, warnt jedoch, dass es große Gebiete auf der Erde gibt, für die es kaum Informationen über Biokrusten gibt. Weber, Maestre, Finger-Higgens und andere Experten bemühen sich nun um die Finanzierung von Biokrusten-Messungen auf der ganzen Welt.

Die Notwendigkeit, diese empfindlichen Gemeinschaften zu schützen, steht laut den Forschern bereits fest. Die Verringerung von Emissionen und die Änderung von landwirtschaftlichen und anderen Landnutzungspraktiken können dazu beitragen, ihren Rückgang aufzuhalten, sagt Maestre. "Die Ergebnisse sind ein starkes Argument für den Schutz von Biokruste weltweit."

Dieser Beitrag ist im Original im Wissenschaftsmagazin Science erschienen, herausgegeben von der AAAS. Deutsche Bearbeitung: cvei

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