Schwarzbauten:"Es ist eine Katastrophe, bestehende Häuser abzureißen"

Schwarzbauten: Drei kürzlich erbaute Häuser am Isarspitz in Weidach sollen nun wieder abgerissen werden, weil sie Schwarzbauten sind. Nun befasst sich der Petitionsauschuss im Landtag damit.

Drei kürzlich erbaute Häuser am Isarspitz in Weidach sollen nun wieder abgerissen werden, weil sie Schwarzbauten sind. Nun befasst sich der Petitionsauschuss im Landtag damit.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In Wolfratshausen stehen drei neue Wohnhäuser, die gegen das Baurecht verstoßen - nun droht ihnen der Abriss. Die betroffenen Familien hoffen, dass das Unglück noch abgewendet werden kann.

Von Marie Heßlinger, Wolfratshausen

Im Wolfratshauser Stadtteil Weidach ist seit Wochen einiges los: Schaulustige fahren selbst aus München zum Isarspitz und verwickeln die Bewohner der drei Einfamilienhäuser in Gespräche. Kameraleute filmen ihre Gärten, Journalisten stellen Fragen. Die Hausnummern 24, 24a und 25 gelten als Schwarzbauten und sollen abgerissen werden. Die Familien, die darin zur Miete wohnen, wissen derweil nicht, wie es weitergeht.

"Wir lesen immer nur Zeitung", sagt eine Mieterin, die in einem der drei Häuser lebt und ihren Namen nicht preisgeben möchte. "Wir kriegen keine Informationen, von niemandem." Vor zwei Jahren ist sie mit ihrem Mann und ihren jugendlichen Kindern in eines der drei neuen Häuser am Isarspitz eingezogen. "Wir sind hier angekommen und haben uns alles schön gemacht, den Garten angelegt." Ein gutes Nachbarschaftsverhältnis habe sich entwickelt. "Keiner will hier raus", sagt sie. Allen voran die Kinder nicht. Doch es steht im Raum, dass die drei Häuser abgerissen werden sollen.

Der Bauherr hat beim Bau der Häuser nämlich gegen Vorschriften verstoßen. Bei jedem der drei Häuser wird die Wandhöhe überschritten und die genehmigte Firsthöhe nicht eingehalten. Er hat das Gelände aufgefüllt, anstatt Stufen anzubringen. Die Dachneigung weicht ebenfalls von den Vorgaben ab, außerdem ließ der Bauherr Doppelgaragen statt Carports bauen. Mit seinem Versuch, eine nachträgliche Genehmigung zu bekommen, scheiterte er nicht nur beim Landratsamt, sondern auch beim Verwaltungsgericht München und zuletzt im Mai beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Das Landratsamt hat ein Bußgeldverfahren eingeleitet und verlangt, die Häuser abzureißen.

"Es sind wunderschöne Häuser"

Die Mieter stellt das vor eine Herausforderung: Wohnraum in der Umgebung ist rar. Sie habe sich bereits immer mal wieder umgeschaut, sagt die Mieterin, doch: "Es gibt nichts Vergleichbares auf dem Markt." Hinzu kommt: "Das sind wunderschöne Häuser, gutes Material, das zu entsorgen und alles wieder zunichte zu machen - keine Ahnung, ob das so sinnvoll ist."

Ihr Vermieter und Bauherr will seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen. Der Unternehmer aus Geretsried hat bereits eine Vielzahl von Immobilien in der Region verkauft. "Aber in 27 Jahren bauen, ohne größere Probleme mit den Behörden, habe ich einen großen Fehler gemacht", sagt er in einer Stellungnahme. "Ich habe die Sache total falsch eingeschätzt und es tut mir außerordentlich leid für meine Mieter." Einen derart strengen Umgang sei er nicht gewohnt, sagt er. "Im Innenbereich war es gängige Praxis, dass man Planungsfehler während des Bauens korrigierte und nachträglich via Tektur legalisierte." Als Tektur bezeichnet man die nachträgliche Änderung des Bauantrags.

Der Bauherr hat sich an den Petitionsauschuss des Landtags gewandt

Seine Abweichungen von den Bauvorgaben begründet er so: "Die Eingabepläne waren nicht für vernünftiges Wohnen gemacht." Im Obergeschoss hätte man beispielsweise nur in gebückter Haltung zum Fenster herausschauen können, sagt er. Dennoch gibt er sich gegenüber dem Landratsamt reumütig. Laut eigenen Angaben habe er bereits ein Bußgeld von 50 000 Euro gezahlt. Doch einen Rückbau der Häuser möchte er verhindern. "In Zeiten der Wohnungsnot ist es eine Katastrophe, bestehende Häuser abzureißen". Deshalb hat er sich an den Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags gewandt. Auch eine weitere Petition, die sich gegen den Abriss der Gebäude ausspricht, ist beim Petitionsausschuss eingegangen.

Zwei Mitglieder des Petitionsausschusses werden sich nun mit dem Anliegen befassen. Im Juli - das genaue Datum ist noch nicht bekannt - werden sie den Sachverhalt in einer öffentlichen Sitzung den Mitgliedern des Ausschusses vortragen. Oft fällt im Petitionsausschuss noch am selben Tag eine Entscheidung, möglich ist aber auch, dass der Ausschuss noch eine gemeinsame Ortsbesichtigung ansetzt. Dann ist vermutlich erst im Herbst mit einem Beschluss zu rechnen. Wie eine mögliche Lösung aussehen könnte, dazu äußert sich die Pressestelle im Landtag bislang nicht. Auch die Landtagsabgeordneten Hans Urban (Grüne) und Martin Bachhuber (CSU), beide nicht im Petitionsausschuss, verweisen darauf, noch keine Akteneinsicht zu haben.

Das Landratsamt wird den Beschluss des Petitionsausschusses nun noch abwarten, bevor es eine Beseitigungsanordnung erlässt. Bislang hat es den Bauherrn nur zu einer freiwilligen Beseitigung der Gebäude bis zum 1. Oktober 2022 aufgefordert, und die Mieter zu einer freiwilligen Duldung dessen. Je nach Ergebnis im Petitionsausschuss könnte das Landratsamt eine Beseitigungsanordnung an den Bauherrn und eine Duldungsanordnung an die Mieter schicken. Würden die Mieter dieser nicht nachkommen, könnten zunächst Bußgelder folgen, als Ultima Ratio aber auch eine Räumung.

"Als Staatsbehörde müssen wir geltendes Baurecht vollziehen"

Maya Mantel, Leiterin des Baureferats im Landratsamt, ist der Ansicht: "Als Staatsbehörde müssen wir geltendes Recht vollziehen." Bei ihrer Abwägung habe sie alle Belange berücksichtigt. Der Rechtfertigung des Bauherrn, sich an gängige Praxis gehalten zu haben, widerspricht sie. Die Gerichte hätten dem Landratsamt recht gegeben. Eine Geldbuße allein ohne Abriss hält sie für schwierig: "Baurecht kann man nicht dadurch herstellen, dass jemand einen Betrag X zahlt", sagt sie. "Dann kauft man sich tatsächlich das Baurecht." Sie zieht den Vergleich zum Strafzettel: Wer ein Knöllchen wegen Falschparkens kassiere, müsse auch sein Auto wegfahren, und dürfe es nicht stehen lassen, bloß weil er das Geld gezahlt habe.

Für die Mieter besteht die Möglichkeit, gegen die Duldungsanordnung des Landratsamts ebenfalls vor Gericht zu ziehen, sollten sie eine solche erhalten. Nun jedoch müssen sie zunächst einmal das Urteil des Petitionsausschusses abwarten. "Wir sind jetzt relaxt, es bleibt uns ja nichts anderes übrig", sagt daher die Mieterin. "Man muss stark sein für seine Kinder."

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