Tankrabatt:"Vom Krieg zu profitieren, das gehört sich eigentlich nicht"

Tankrabatt: Die langfristige Senkung der Spritpreise hat nicht so geklappt wie von vielen erhofft.

Die langfristige Senkung der Spritpreise hat nicht so geklappt wie von vielen erhofft.

(Foto: IMAGO/IMAGO/MiS)

Bürgerinnen und Bürger werden durch den Tankrabatt kaum entlastet. Die Bereicherung der Mineralölkonzerne sorgt für Ärger in der Ampelkoalition. Die FDP weist die Verantwortung von sich - und zeigt auf die Grünen.

Von Henrike Roßbach und Mike Szymanski

Die ausbleibende Entlastung der Autofahrer durch den Tankrabatt sorgt nicht nur für Frust an den Zapfsäulen, sondern auch für Ärger in der Ampelkoalition. Weil die Steuersenkung auf Diesel und Benzin offenbar nicht vollständig ankommt bei den Verbrauchern, kommt aus den Reihen von SPD und Grünen der Ruf nach einer Korrektur. Der Ton gegenüber den Konzernen wird schärfer.

"Es ist Aufgabe der Politik, auf veränderte, belastende Lebensrealitäten zu reagieren. Das gilt auch, wenn erwünschte Wirkungen ausbleiben", sagte SPD-Chefin Saskia Esken der Süddeutschen Zeitung. Die Realität an den Tankstellen zeige, dass der Tankrabatt "nicht die erwünschte Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger erbringt".

Esken verbindet ihre Kritik mit einer offenen Drohung an die Mineralölkonzerne: "Wir verfügen - nicht zuletzt in Krisenzeiten und bei Engpässen - durchaus über Mittel und Wege, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen." Als Beispiel führt sie das Energiesicherungsgesetz von 1975 an, das nach der jüngsten Novelle dem Wirtschaftsministerium weitreichende Befugnisse einräumt - unter anderem die Möglichkeit, Unternehmen der kritischen Infrastruktur zeitlich befristet unter Treuhandverwaltung zu stellen. Als letztes Mittel sieht das überarbeitete Gesetz vom Mai sogar Enteignungen vor.

Esken führte aus, dass derzeit die Preise an den Tankstellen in keinem Verhältnis zu den Rohölpreisen stünden. Das führe dazu, dass die zur Entlastung der Bürger eingesetzten Steuermittel Gewinne der Mineralölindustrie erzeugten, denen keine Leistung gegenüberstehe. "In einer solchen Situation sind wir als Politik dazu verpflichtet, über Maßnahmen nachzudenken, die über den reinen Appell hinausgehen", erklärte Esken.

Eine Übergewinnsteuer nach italienischem Vorbild wird diskutiert

Auch andere führende SPD-Politiker gehen auf Distanz zum Tankrabatt. Fraktionsvize Detlef Müller sagte, es gehe jetzt darum, einer "schamlosen Gewinnmaximierung einzelner Unternehmen in Kriegs- und Krisenzeiten auf Kosten der Allgemeinheit Einhalt zu gebieten". Aus seiner Sicht böte sich entweder an, die Konzerne zur Weitergabe der steuerlichen Entlastung zu verpflichten oder durch eine Übergewinnsteuer nach italienischem Vorbild zur Kasse zu bitten.

In den Bundesländern wächst ebenfalls die Unzufriedenheit. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte der SZ, es könne nicht richtig sein, "dass einige Unternehmen sich eine goldene Nase verdienen, während Bund und Länder ihrerseits Milliarden aufwenden müssen, um die unter den Preissteigerungen leidenden Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen". Bovenschulte nannte es eine Frage "der ökonomischen Vernunft und der Fairness, sich zumindest einen Teil dieser Sonderprofite zurückzuholen, um sie für die Finanzierung der notwendigen Entlastungspakete zu nutzen".

Genau das aber will Bundesfinanzminister Christian Lindner auf keinen Fall. Schon am Dienstagnachmittag sagte der FDP-Chef, die Auswirkungen einer "sogenannten Übergewinnsteuer" ließen sich kaum prognostizieren. Es bestehe die große Gefahr, dass das Gegenteil von dem erreicht werde, was die Befürworter wollten. Denn zusätzliche steuerliche Belastungen würden von den Betrieben natürlich eingepreist. "Ich verstehe total den Ärger über das, was an der Zapfsäule ist", sagte Lindner. Aber es sei eben eine "Weltmarktentwicklung", und die "Weltmarktakteure" könnten im Fall einer deutschen Übergewinnsteuer auch auf die Idee kommen, einfach nicht mehr im bisherigen Umfang nach Deutschland zu liefern. Außerdem basiere das deutsche Steuerrecht auf dem Prinzip der Leistungsfähigkeit "und nicht darauf, ob eine Branche gerade angenehm oder unangenehm ist".

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte dagegen dem Sender RTL, es müsse nicht jeder Gewinn akzeptiert werden. "Vom Krieg zu profitieren, das gehört sich eigentlich nicht." Das Problem sei allerdings, diese Profite von anderen abzugrenzen. "Trotzdem, finde ich, man soll daran arbeiten, wissend, dass es kompliziert ist." Auch die grüne Haushaltspolitikerin Paula Piechotta sagte: "Eine Übergewinnsteuer kann ausgleichend wirken, wenn wenige auf Kosten aller immense Gewinne einstreichen, ohne dass sie einen Mehrwert geschaffen haben."

Wen werden die Bürger dafür verantwortlich machen?

Die politisch entscheidende Frage wird letztlich sein, wem die Bürger den misslungenen Entlastungsversuch anlasten. Die FDP versucht bereits, die Verantwortung offensiv von sich zu weisen. "Es ist kein Geheimnis, ich war nicht ein Befürworter der Steuersenkung bei der Energie", sagt etwa Lindner. Sein Modell sei ein "direkt ausgezahlter Rabatt" gewesen - wie in Italien oder Frankreich. "Die Steuersenkung an der Zapfsäule, das war die Umsetzung insbesondere der Grünen."

Auch Fraktionschef Christian Dürr sagte der SZ, die FDP habe sich ein anderes Modell gewünscht. "SPD und Grüne waren anderer Ansicht, daher haben wir uns auf einen Kompromiss geeinigt." Dürr warnte zudem vor voreiligen Urteilen: Die Vorräte, die die Tankstellen vor Inkrafttreten des Rabatts eingekauft hätte, seien noch mit dem höheren Steuersatz belastet gewesen. "Natürlich kostet dieser Sprit auch mehr." In den nächsten Tagen müsse aber darauf geachtet werden, dass die Steuersenkung vollständig ankomme. In der Pflicht sei da Wirtschaftsminister Habeck.

Fakt aber ist: Auch wenn das am Ende beschlossene Instrument nicht das Lieblingsmodell der FDP war, die verpuffende Steuersenkung könnte den Freien Demokraten am Ende trotzdem mehr schaden als ihre Partnern - und gleichzeitig liefert sie Grünen und SPD eine Steilvorlage für die von Lindner so ungeliebte Übergewinnsteuer. Damit sind die Liberalen sozusagen gleich doppelt in der Defensive.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki gibt sich dennoch demonstrativ gelassen: "Ich bin, was das Koalitionsklima in Sachen Tankrabatt angeht, außerordentlich entspannt", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Denn aus meiner Sicht gibt es hier keine koalitionsinternen Gewinner oder Verlierer, wenn die erhoffte Entlastung ausbleibt." Doch auch er will sicherheitshalber die Verantwortung sortieren: "Es bleibt allerdings weiterhin die Aufgabe des Bundeskartellamts im Verantwortungsbereich des Wirtschaftsministeriums, die Preissteigerungen genau zu beobachten und gegebenenfalls einzuschreiten." Und in dem von Kubicki angesprochenen Ressort führt bekanntlich der Grüne Habeck die Geschäfte.

Zur SZ-Startseite

Andreas Mundt
:Der Mann, der die Ölkonzerne erschrecken soll

Kann der Präsident des Kartellamts etwas tun, um den Tankrabatt durchzusetzen? Er kann zumindest Zeichen setzen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: