Tatort aus Hamburg:Labskaus vegan

Tatort aus Hamburg: Der Tatort nähert sich der Lebenswirklichkeit da draußen an: Julia Grosz (Franziska Weisz) und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) in "Schattenleben".

Der Tatort nähert sich der Lebenswirklichkeit da draußen an: Julia Grosz (Franziska Weisz) und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) in "Schattenleben".

(Foto: O-Young Kwon/dpa)

In Sachen Diversität setzt die Episode mit den Ermittlern Falke und Grosz schon mal Maßstäbe - die Story lässt noch Luft nach oben.

Von Holger Gertz

Beim Dreh dieses Tatorts vom NDR wurde erstmals ein "Inclusion Rider" eingesetzt. Wer spielt denn den Inclusion Rider, werden Puristen fragen. Aber der Inclusion Rider ist eine Vertragsklausel: Die Produktionsfirma verpflichtet sich, Stab und Cast möglichst vielfältig zu besetzen. Dementsprechend werden in "Schattenleben" ganz selbstverständlich unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Hautfarben sichtbar. Der oft in Ritualen festhängende Tatort nähert sich der Lebenswirklichkeit da draußen an - Regie Mia Spengler, Buch Lena Fakler, Kamera Zamarin Wahdat, 2020 Oscarpreisträgerin für den besten Dokumentar-Kurzfilm.

Nicht nur, was die Behandlung des Themas Diversität angeht, ist die Besetzung also höchst ambitioniert. Regisseurin Spengler hatte vor Jahren die oft minderoriginellen Abenteuer des Bundespolizisten Thorsten Falke schon einmal veredelt: mit einer unverkitschten Ballade über die Reeperbahn, die zum Sammelpunkt von Komasäufern und Flatratefickern verkommen ist. "Die goldene Zeit" hieß das Stück. In "Schattenleben" ermittelt Kommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) undercover in einem radikalfeministischen, männerfreien Hausprojekt. Kollege Falke (Wotan Wilke Möhring) untersucht einen Brandanschlag auf die Polizei. Und in der Volxküche gibts Labskaus vegan. Links gegen rechts, Liebe gegen Hass, Autonomie gegen Staatsmacht. Die ganz alte, aber auch immer wieder neue Geschichte. Und es ist ein Gewinn für Falke-Krimis, die sich gern im Gestrüpp von internationaler Kriminalität verheddern, dass diese Episode hier nachvollziehbar ist.

Porzellanmops und Plastikfarn - über so was staunen Radikalfeministinnen

In die Höhe von "Die goldene Zeit" schwingt sie sich trotzdem nicht, der Erzählung hätte Straffung gutgetan. Als die Frauen ein Häuschen in der Vorstadt kapern, zieht sich das ewig, und natürlich ist es komplett unglaubwürdig, wie sie jeden Plastikfarn und jeden Porzellanmops bestaunen - als gäbe es solche Abscheulichkeiten in ihrem Kiez nicht. Die Charakterisierung der Autonomen wirkt manchmal aufgesetzt. Und die Impulsivität der WG-Genossin Nana (Gina Haller) wird sehr strapaziert. Subtext natürlich, wichtig für den Spannungsbogen: Die ist so geladen, die könnte die Täterin sein. Wobei die permanente Systemsprenger-Attitüde ziemlich anstrengt. Jedenfalls so lange, bis Nana brüllt: "Die Liebe meines Lebens sitzt in einem Scheiß-Einfamilienhaus in Pinneberch mit HSV-Flagge!" So eine Erkenntnis erklärt natürlich vieles.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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