Naturschutz:Nationalpark Bayerischer Wald wächst um 700 Hektar

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Das Finsterauer Filz ist ein Naturjuwel im Erweiterungsgebiet des Nationalparks Bayerischer Wald nahe der Ortschaft Mauth. (Foto: Karl Klostermann/NP Bayerischer Wald)

Ministerpräsident Söder hatte die Erweiterung zum 50. Jubiläum angekündigt, jetzt wird sie umgesetzt. Was sich ändert und warum vor allem Rollstuhlfahrer profitieren.

Von Christian Sebald, Mauth

Eine wilde Waldnatur mit aussichtsreichen Gipfeln wie dem 1452 Meter hohen Rachel, stille Filze und Moore und eine einzigartige Artenvielfalt, zu der auch Luchs und Wolf zählen: Der Nationalpark Bayerischer Wald ist das hochkarätigste Naturjuwel des Freistaats. Das kann man auch an den Besucherzahlen ablesen. Etwa 1,4 Millionen Tagesgäste und Urlauber zieht es jedes Jahr in das Schutzgebiet zwischen Falkenstein und Lusen. Aber nicht nur die Nationalparkzentren mit ihren Tiergehegen sind Besuchermagneten. Sondern auch abgelegene Orte wie das felsige Höllbachgspreng oder das Zwieselter Filz. Allerdings muss man sich diese mühsam erwandern. Eltern mit Kinderwagen, Senioren mit Rollatoren und Rollstuhlfahrer können die Natur im Nationalpark bisher allenfalls in dessen Randbereichen erleben.

Das ändert sich nun. Aktuell wird die Erweiterung umgesetzt, die Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Deutschlands ältestem und wohl berühmtesten Nationalpark zu dessen 50-jährigem Bestehen vor zwei Jahren spendiert hat.

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Es handelt sich um eine gut 600 Hektar große Fläche im Südosten des Schutzgebiets nahe dem Ort Mauth, direkt an der Grenze zu Tschechien und dem dortigen Nationalpark Šumava. Im Herzen des Erweiterungsgebiets liegt das Finsterauer Filz. Es soll nun so für Besucher erschlossen werden, dass auch Menschen mit Bewegungshandicap die urwüchsige Natur erleben können. "Es wird nicht nur einen barrierearmen Bohlenweg geben", sagt Nationalpark-Chef Franz Leibl. "Sondern auch Aussichtsplattformen in Richtung Lusen, die für Menschen mit Handicap gut erreichbar sind." Außerdem werden eine Infostelle mit Café und Parkplätze eingerichtet - ebenfalls barrierearm.

Wald-Nationalpark Nummer eins

Umweltminister Thorsten Glauber rühmt die Erweiterung sehr. "Der Nationalpark Bayerischer Wald ist seit mehr als 50 Jahren ein Hotspot für die Artenvielfalt und ein Aushängeschild für sanften Tourismus", sagte er, als der Landtag unlängst die Erweiterung absegnete. "Diese Erfolgsgeschichte schreiben wir jetzt fort." Aus Glaubers Sicht ist besonders bedeutsam, dass der Nationalpark Bayerischer Wald nun auch von der Größe her Deutschlands Wald-Nationalpark Nummer eins ist. Bisher lag in diesem Ranking der Nationalpark Harz mit 24 700 Hektar Fläche knapp vorne.

Mit den gut 600 Hektar Erweiterungsgebiet und zusätzlichen 95 Hektar meist kleineren Arrondierungsflächen, die quer über das Nationalpark-Gebiet verstreut sind, wächst der Nationalpark Bayerischer Wald nun auf 24 945 Hektar Fläche und überholt die Konkurrenz in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt um fast 250 Hektar. Der Aspekt war auch Ministerpräsident Söder sehr wichtig, der bekanntlich ein Rekorde-Fan ist, als er vor zwei Jahren die Absicht verkündete, den Nationalpark zu erweitern.

Nationalpark-Chef Leibl indes hat vor allem den Naturschutz im Sinn. Er betont, dass das neue Gebiet von der Artenvielfalt her sehr wertvoll ist - gleich ob es sich um die Pflanzen- oder die Tierwelt dort handelt. Das betrifft nicht nur das Finsterauer Filz, sondern auch die Hammerklause am Teufelsbach. Die vormalige Holztrift ist heute ein idyllischer See. Und es betrifft die jungen, kräftigen Fichtenwälder, die zum Beispiel entlang der Buchwaldstraße heranwachsen, seit dort in den Neunzigerjahren Stürme und der Borkenkäfer den alten Wäldern arg zugesetzt haben. Im Erweiterungsgebiet finden sich denn auch allerlei seltene und bedrohte Arten. Als Beispiele nennt Leibl Haselhühner und Auerhühner. Beide stehen auf der Roten Liste und sind streng geschützt. Für Leibl ist die Erweiterung "eine wichtige und hochwertige Ergänzung für unseren Nationalpark".

Außerdem tut das Projekt der Kooperation des Nationalparks mit seinem tschechischen Pendant gut. Die beiden Schutzgebiete arbeiten schon lange eng zusammen, was auch daran liegt, dass sich die Chefs Leibl und Pavel Hubený verstehen. Die Kooperation betrifft natürlich zuallererst den Naturschutz. Aber auch die Forschung zum Beispiel über die Flora in der Region. Und natürlich den Tourismus. Schon bisher gibt es etliche grenzüberschreitende Wanderwege, dazu mehrsprachige Lehrpfade und Infotafeln. Allerdings sind sie oft recht abgelegen. Im Erweiterungsgebiet hingegen kann man schon bisher schnell über die Grenze gelangen und hat dann auf tschechischer Seite ein weitläufiges Netz aus Wander- und Radwegen und im Winter Loipen zur Verfügung. Zudem erstreckt sich dort eine attraktive, weitläufige Wiesen- und Hügellandschaft mit alten Siedlungsresten.

Die Skeptiker sind weniger geworden

Die meisten Einheimischen begrüßen die Erweiterung. Das war nicht immer so. Als Borkenkäfer von den Neunzigerjahren an auf großer Fläche die alten Fichtenwälder im Nationalpark zerstörten, gab es massive Proteste der Anwohner. Vor allem viele der Älteren hätten den Nationalpark lieber heute als morgen wieder aufgelöst. Die Zeit ist vorbei. "Natürlich gab es einige Skeptiker gegen die jetzige Erweiterung", berichtet der Mauther Bürgermeister Ernst Kandlbinder (CSU). "Aber die allermeisten haben sie begrüßt." Das hat drei Gründe. Zum einen tut der Freistaat alles Menschenmögliche, damit eine etwaige Borkenkäferplage im Nationalpark nicht auf die Wälder außerhalb übergreift, schon gar nicht auf die der privaten Waldbesitzer. Zum anderen sind immer mehr Einheimische mit dem Nationalpark aufgewachsen, sie kennen die Zeit davor nicht mehr. "Da gehöre ich auch dazu", sagt Kandlbinder, "der Nationalpark ist da, seit ich denken kann, für Leute in meinem Alter ist er eine Selbstverständlichkeit."

Der wohl wichtigste Grund aber ist der dritte. Die Region profitiert ungemein vom Nationalpark. Die meisten Tagesgäste und Urlauber kommen nämlich wegen des Nationalparks in den Bayerischen Wald. Mauth zählt 12 000 Urlauber pro Jahr. Sie lassen dort knapp fünf Millionen Euro. Das ist viel Geld für den 2200-Einwohner-Ort. Aber das ist es nicht alleine. Dank des Nationalparks haben sie im Bayerischen Wald eine Infrastruktur, auf die andere Regionen neidisch sind. "Auch in der Hinsicht ist die Erweiterung ein wichtiger Impuls", sagt Bürgermeister Kandlbinder. "Der Freistaat macht jetzt hoffentlich schnell voran mit der neuen Infostelle und den anderen Einrichtungen, die er uns zugesagt hat."

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