Rugby:Abenteuer mit Standortvorteil

Rugby: Auf und davon Richtung Aufstiegsfinale: Nationalspieler Oliver Stein (l.) und der MRFC streben in die erste Liga.

Auf und davon Richtung Aufstiegsfinale: Nationalspieler Oliver Stein (l.) und der MRFC streben in die erste Liga.

(Foto: Klaus Theml/oh)

Der MRFC ist kontinuierlich gewachsen und steht vor dem Aufstieg in die Bundesliga - früher als geplant. Dabei profitiert er von München als Studien- und Sehnsuchtsort, sogar Nationalspieler sind im Team.

Von Christian Bernhard

Psst. Von allen Seiten wurde unmissverständlich Ruhe eingefordert - und diese stellte sich innerhalb weniger Sekunden auch ein. Rund 500 Zuschauer schauten an der Bezirkssportanlage im Münchner Stadtteil Großhadern gespannt darauf, wie sich Niklas Hohl sorgfältig den ovalen Rugbyball zurechtlegte, das Tor sekundenlang anvisierte und den Ball mit wenigen Schritten Anlauf wuchtig trat. Als sein Straftritt in der 68. Minute zum 25:16-Endstand verwandelt war, entlud sich die Anspannung der Zuschauer in lauten Jubel.

Einen weiteren Straftritt hatte Hohl am Samstag ebenso verwandelt, wodurch der Kapitän des München RFC gehörigen Anteil am Erfolg gegen den RSV Köln hatte. Durch diesen sicherte sich der Münchner Zweitligist das Ticket für das Bundesliga-Aufstiegsendspiel. "Das war die Pflicht", frohlockte RFC-Präsident Götz Köthe, der passend zu den Vereinsfarben unter einer blauen Zeltkonstruktion am Spielfeldrand mitfieberte und parallel dazu den Liveticker pflegte. "Jetzt haben wir noch zwei Aufstiegsoptionen." Am 25. Juni tritt der RFC im Aufstiegsfinale gegen den BSC Offenbach an. Sollten die Münchner dieses Spiel verlieren, böte sich ihnen noch eine zweite Aufstiegschance, eine Woche später in der Relegation gegen den Siebtplatzierten der Bundesliga Süd/West, den Rugby Club Luxembourg.

Unter den knapp 600 Vereinsmitgliedern sind Spielerinnen und Spieler aus 22 Nationen

Niklas Hohl ist nicht nur Kapitän des RFC, sondern auch Kapitän der deutschen Rugby-Nationalmannschaft. Dass dieser wie sein Nationalmannschaftskollege Oliver Stein für einen Zweitligisten spielt, ist "eher ungewöhnlich", weiß auch Köthe. Beide Spieler hat es, wie auch andere Stützen des Teams, des Studiums wegen nach München verschlagen - der Klub lebt in Sachen Spielerverpflichtungen auch davon, dass München eine internationale Stadt ist. Oder im Fall von Ramathan Govule sogar ein Sehnsuchtsort. Er trat im Jahr 2017 mit der Nationalmannschaft Ugandas beim Oktoberfest-7-Turnier im Münchner Olympiastadion an und tauchte nach dem Turnier mit zwei Nationalmannschaftskollegen unter, weil sie in Deutschland Asyl beantragen wollten. Ein RFC-Klubmitglied unterstützte das Trio dabei und alle drei Verfahren wurden bewilligt. Nun arbeitet Govule in München, spricht perfekt deutsch - und spielt für den RFC.

Der Klub, der im Jahr 2000 erstmals in der Bundesliga spielte, damals aber nur eine Saison lang, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, unter den knapp 600 Mitgliedern sind Spielerinnen und Spieler aus 22 Nationen. Der Kunstrasenplatz, den die Stadt München im Jahr 2018 für den Verein errichtete, ermöglicht es dem Klub, bei allen Witterungsbedingungen trainieren zu können. Davor mussten die Trainingseinheiten bei schlechtem Wetter und daraus resultierenden Platzsperren in die öffentlichen Grünanlagen des Ostparks verlegt werden.

Eine "ganz entscheidende Rolle" spielt Trainer Umberto Re, der aus Freimann kam

In der aktuellen Zweitliga-Saison fing sich der RFC nach zwei Niederlagen im Oktober, eine davon gegen den Lokalrivalen StuSta Freimann, und gewann seitdem alle Partien. Eine "ganz entscheidende Rolle" bei der positiven Entwicklung habe Trainer Umberto Re, unterstrich Köthe. Der Italiener, der 13 Jahre lang in Italien als Profi gespielt hat, kam im Sommer 2020 aus Freimann zum RFC und hat die Mannschaft seitdem nicht nur spielerisch, sondern auch in Sachen Mentalität weiterentwickelt. "Er hat das Thema Einstellung ganz klar herausgearbeitet", betonte Köthe.

Auch dank Re ist der RFC seinem selbst gesteckten Zeitplan deutlich voraus. Eigentlich hatten die Klubverantwortlichen im Jahr 2016 den Plan geschmiedet, sich binnen zehn Jahren in der Bundesliga zu etablieren. Sechs Jahre später ist nun der Aufstieg greifbar. "Ich hätte nicht damit gerechnet, diesen Schritt so schnell gehen zu können", sagte Köthe, der mit Blick auf eine eventuelle Bundesliga-Teilnahme von einem "Abenteuer" spricht. Die wirtschaftliche Basis dafür wäre laut ihm jetzt schon gelegt. Die Reisekosten würden in der Bundesliga zwar deutlich steigen, doch Köthe geht davon aus, "dass wir das mit unserer jetzigen Struktur ganz gut hinbekommen würden". Eine wichtige Rolle im Klub sollen weiterhin die Jugendförderung und die Trainerausbildung einnehmen - egal ob in Liga eins oder zwei. Der RFC ist im vergangenen Jahr vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) mit dem "Grünen Band" für vorbildliche Talentförderung ausgezeichnet worden, 120 Kinder tummeln sich in den verschiedenen Jugendmannschaften. Ein renommierter Trainer des internationalen Rugby-Verbandes kommt regelmäßig nach München, um die Klub-Trainer weiterzubilden.

Sollte es mit dem Aufstieg nicht klappen, "würden wir eben in der nächsten Saison nochmal Anlauf nehmen", sagte Köthe. Das sei Teil der Rugby-Mentalität: "Wenn es weh tut, wisch dir den Mund ab, steh auf und weiter geht's."

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