Staatsbesuch in Indonesien:"Welche Lehren ziehen wir aus Russland für unser Verhältnis zu China?"

Staatsbesuch in Indonesien: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird durch die Tempelanlage Borobudur auf der Insel Java geführt. Die Stätte gehört seit 1991 zum Unesco-Weltkulturerbe.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird durch die Tempelanlage Borobudur auf der Insel Java geführt. Die Stätte gehört seit 1991 zum Unesco-Weltkulturerbe.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bundespräsident Steinmeier besucht Indonesien, um mit Präsident Joko Widodo über Klimawandel, Ernährungskrise und den G-7-Gipfel zu sprechen. Doch ein anderes Thema drängt sich in den Vordergrund.

Von David Pfeifer, Yogyakarta

Jakarta liegt weit weg von Berlin. Etwa 10 000 Kilometer Luftlinie. Vergangene Woche hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einen A 340 der Luftwaffe gesetzt und ist mit einer Delegation aus Deutschland nach Singapur und Indonesien gereist, um die Beziehungen mit diesen Ländern zu stärken. Indonesiens Präsident Joko Widodo wird außerdem Gast auf dem G-7-Gipfel in Elmau sein. Und Gastgeber des G 20 auf Bali im November. Und Samstag eröffnet auch noch die Weltausstellung "documenta fifteen", kuratiert von dem Künstlerkollektiv Ruangrupa aus Indonesien. Themen gab es also reichlich, und da ist die zunehmende Aggressivität Chinas noch nicht einmal angesprochen.

Doch weil so ein Flugzeug der Luftwaffe groß ist und viele Menschen reinpassen, fliegt natürlich auch der Krieg mit, den Russland gegen die Ukraine führt und der die Europäer derzeit mehr interessiert als alles andere. Der Korso des deutschen Präsidenten rauscht mit Polizeieskorte am Stau vorbei, raus aus Jakarta nach Bogor, zum Palast des indonesischen Präsidenten, der ein sehr mächtiger Mann mit großen Befugnissen ist, im Land mit dem viertgrößten Bevölkerungsreichtum der Welt - während der deutsche Präsident vorwiegend der Macht der Worte und Symbole vertrauen muss. Eine Marschkappelle spielt, als der Korso im Schritttempo im Palastgarten ankommt, die Rehe fliehen in Panik.

Der schneidig aussehende Jokowi begrüßt den größeren Steinmeier, dann muss noch das Ehrenspalier abgeschritten werden. Die Soldaten tragen silbern funkelnde Gewehre und weiße Lackstiefel. Indonesien ist ein Schlüsselland in Südostasien, das größte im Asean-Verband, dem Zusammenschluss von zehn Ländern der Region, mit Sitz in Jakarta. All diese Länder eint ihre Nähe zu China, die sie mit einer gewissen Distanz pflegen möchten. Indonesien übernimmt nächstes Jahr turnusmäßig den Vorsitz. Obendrein ist der Inselstaat ein großer Wirtschaftspartner Chinas, etwa 50 Prozent des Handels wird mit der asiatischen Supermacht abgewickelt. China investiert massiv in Infrastruktur in Indonesien.

Staatsbesuch in Indonesien: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) wird am Präsidentenpalast von Joko Widodo, Präsident Indonesiens, mit militärischen Ehren begrüßt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) wird am Präsidentenpalast von Joko Widodo, Präsident Indonesiens, mit militärischen Ehren begrüßt.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Widodo könnte also ein Vermittler sein, in den Konflikten, die sich zwischen China und der westlichen Welt auftürmen. Doch da der Ukraine-Krieg alles überschattet, wird die deutsche Delegation gebeten, in den bilateralen Gesprächen doch auch noch mal das Thema Russland und Putin anzuschneiden. Denn Fragen dürfen die Journalisten beim gemeinsamen Auftritt der Präsidenten leider keine stellen. Was, wenn Putin zum G 20 kommt? Eingeladen ist er. Würde Widodo ihn empfangen?

Widodo sagt der Presse, dass er "jeden Angriff auf die Souveränität einzelner Länder" verurteile. Steinmeier sagt: "Es kann in diesen Zeiten keinen Normalzustand geben." Was Widodo sagt, kann mit Steinmeiers Worten im Zusammenhang als Absage an Russland verstanden werden. Ist aber vermutlich nicht so gemeint. Tatsächlich ist Indonesien in dieser Frage unentschieden. Sie ist in diesem Teil der Welt nicht einmal besonders drängend. Kiew liegt ebenfalls fast 10 000 Kilometer von Jakarta entfernt. Und von den Deutschen wünscht man sich hier eher Unterstützung in der Wirtschaftsentwicklung, nicht so sehr Beratung in Moralfragen. Schließlich handeln die Deutschen auch mit China. Und Russland.

Indonesien hofft auf "Zusammenarbeit bei der Energiewende"

Widodo spricht lieber von seinen Ideen für eine "Industrie 4.0". Die Deutschen sollen hier "Halbleiter herstellen und Elektroautos". Widodo verweist auf die belastbaren Lieferketten und die Stabilität in dem demokratischen Land. Widodo ist vom Volk gewählt, keine Selbstverständlichkeit im Asean-Bund, dem auch Thailand, Vietnam und eigentlich noch Myanmar angehören, das jedoch unter anderem wegen der Gewalt der dort herrschenden Junta zuletzt ausgeladen war. Widodo hofft auf "Zusammenarbeit beim Klimawandel, bei der Energiewende" - eines der Probleme, das sie in diesem Teil der Welt viel stärker spüren. Derzeit wird eine neue Hauptstadt gebaut, weil Jakarta jedes Jahr ein bisschen mehr untergeht.

In Elmau wird man vom Klimawandel nicht viel spüren, wenn Widodo anreist, aber er wird das Thema im Gepäck haben, es gibt für die Länder Südostasiens kein wichtigeres. Nach der Presseansprache ziehen sich die beiden Präsidenten zum Mittagessen zurück. Dann geht es weiter im engen Takt, Steinmeier spricht in einer deutschen Schule, er nimmt den Schülern freundlich ihre Nervosität. Er interessiert sich für die Sorgen einer Gruppe von Umweltaktivisten, fragt informiert nach. Einen Sandelholzbaum pflanzt er auch im Garten des Präsidentenpalasts, zwischen dem des japanischen Premierministers Kishida Fumio und dem des Kronprinzen von Abu Dhabi. Es ist schon gut, hier daran zu erinnern, dass es Deutschland und Europa auch noch gibt und dass man sich dort nicht nur für sich selbst interessiert.

Am Freitagabend in Yogyakarta, nach einem Hürdenlauf an Repräsentationsterminen, den man bei 34 Grad auch erst mal würdevoll absolvieren muss, sieht Steinmeier sich noch ein Projekt von Umweltaktivisten an, spricht mit Künstlern, bevor er wieder in den A 340 der Luftwaffe steigt, um am Samstag die Documenta zu eröffnen. Das Künstlerkollektiv Ruangrupa, das diese Ausgabe der Weltausstellung gestaltet hat, versammelt Aktionskunst aus dem südlichen Teil des Planeten. Man wird sich dort ein Bild von den Sorgen und Nöten machen können, die die Menschen in Indonesien und Singapur sowie ganz generell im südlichen Teil der Welt haben. Die Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber Ruangrupa gehören übrigens nicht dazu, die versteht man in Jakarta nicht, weil auch deutsche Debatten eben sehr weit entfernt stattfinden.

Bevor die Maschine aber abhebt, noch eine drängende Frage an den Präsidenten: Kann es sein, dass die Deutschen, die Europäer derzeit zu stark fixiert sind auf Russland - und zu wenig auf China schauen? "In der ganzen Debatte, die wir im Augenblick über Russland führen, ist China immer ein Stichwort", sagt Steinmeier. Die Frage sei: "Welche Lehren ziehen wir aus der Entwicklung zwischen Deutschland und Russland, Europa und Russland für unser zukünftiges Verhältnis mit China?"

Draußen regnet es, drinnen strecken sich dem Präsidenten noch einmal die Mikros der Journalisten entgegen. "Man kann sagen, dass Politik und Wirtschaft gemeinsam gelernt haben, dass wir Abhängigkeiten reduzieren, dass wir Handelsrouten diversifizieren, dass wir Lieferketten erweitern. Aber wenn man das sagt, dann braucht man auch Partner, mit denen man das hinkriegen kann. Und Partner wie Singapur, Indonesien, und möglicherweise andere, hier in der Asean Association, gehören dazu." Dann fährt der Korso los zum Flughafen, begleitet von Blaulicht. Es geht in der Nacht noch zurück nach Deutschland. Am Samstag wird Steinmeier nach einem langen Rückflug wieder reden, in Kassel, auf der Documenta.

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