Russland:Alle Schuld dem Westen

Russland: Putin bei seiner Rede in Sankt Petersburg auf dem Internationalen Wirtschaftsforum.

Putin bei seiner Rede in Sankt Petersburg auf dem Internationalen Wirtschaftsforum.

(Foto: Anton Vaganov/Reuters)

Präsident Wladimir Putin wettert bei einem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg gegen Sanktionen.

Von Silke Bigalke, Moskau

Wladimir Putin kam mit fast zweistündiger Verspätung auf die Bühne, dafür kam er dort gleich zu Sache. Bevor er beim Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg auf die russische Wirtschaft sprach, machte er seiner unverhohlenen Abneigung gegen den Westen Luft. Die USA hätten den Kalten Krieg gewonnen und sich dann zu "Gottes Repräsentanten auf Erden erklärt" - zu Menschen, die keinerlei Verantwortungen hätten, nur Interessen. "Jetzt ist das eine Einbahnstraße, die die Welt destabilisiert", behauptete der Kremlherrscher.

Putin machte die USA und EU für fast alle globalen Probleme verantwortlich. Sie hätten in der Vergangenheit immer mehr Geld gedruckt, um dann die globalen Märkte leerzukaufen, behauptete er. Dass habe die Preise für Energie und Lebensmittel in die Höhe getrieben. Für den Hunger in den ärmsten Ländern der Welt seien allein die US-Regierung und die Bürokraten in Brüssel verantwortlich. Jetzt nutze der Westens Putins "militärische Spezialoperation", wie der Krieg in Russland genannt werden muss, um ihm die Schuld dafür anzuhängen, behauptete er.

Russland: Durchweg zufrieden wirkte der Kremlchef nicht bei der Wirtschaftskonferenz.

Durchweg zufrieden wirkte der Kremlchef nicht bei der Wirtschaftskonferenz.

(Foto: Maxim Schemetow/Reuters)

Westliche Regierungen machen Moskau verantwortlich für die Blockade des ukrainischen Getreideexports, die russische Armee riegelt ukrainische Häfen ab. Putin sagte dazu: "Wir sind nicht diejenigen, die das verhindern." Schließlich seien es nicht die Russen gewesen, die die Schwarzmeerhäfen vermint haben. Tatsächlich ist es die Ukraine, die so ihre Häfen vor russischen Kriegsschiffen zu schützen versucht. Moskau wäre die Minen gerne los und könnte das Getreide als Hebel nutzen. Seine "Spezialoperation" nennt Putin in Petersburg "erzwungen und notwendig", wiederholt seine Behauptung, der Westen habe die Ukraine "mit Waffen aufgepumpt". Er sagte auch, "alle Aufgaben der militärischen Spezialoperation" würden "sicherlich gelöst" - und ließ offen, was er damit meinte.

Die Politiker in Europa hätten den Realitätsbezug verloren, sagt der Kremlchef

Während sich die EU-Kommission in Brüssel am Freitag dafür aussprach, der Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen, ließ sich Putin in Sankt Petersburg minutenlang über Europa aus. Die EU habe ihre "politische Souveränität" verloren. Wahlen seien dort nur noch eine Fassade, europäische Politiker hätten ihren Bezug zur Realität verloren. Für einen Kongress, der internationalen Investoren den russischen Markt eigentlich schmackhaft machen sollte, war es ein bemerkenswerter Auftritt.

Schließlich gab es Jahre, da saßen gleich mehrere europäische Regierungschefs in Sankt Petersburg neben Putin auf der Bühne. Angela Merkel war einst zu Gast, genauso der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Christine Lagarde, damals Chefin des Internationalen Währungsfonds. Diesmal leistete lediglich Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew Putin Gesellschaft, Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Chinas Staatschef Xi Jinping schicken ihre Grußworte nur per Videoübertragung.

"Der ökonomische Blitzkrieg gegen Russland", sagte Putin während seines beinahe vierstündigen Auftritts, sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Sanktionen nannte er "leichtsinnig und verrückt", der Westen leide selbst am stärksten - eine Behauptung, die Putin seit Jahren wiederholt. Später erklärte er, er habe keine Einwände gegen einen EU-Beitritt der Ukraine, diese sei im Gegensatz zur Nato "keine militärische Organisation, kein politischer Block". Ob der Beitritt im Sinne der EU sei, müsse diese selbst wissen, so Putin. Sicher werde die Ukraine hohe Subventionen brauchen.

Die Suche nach neuen Freunden soll eines der Ziele sein

Der diesjährige Kongresses trug das Motto "Neue Möglichkeiten in einer neuen Welt", Putins "Spezialoperation" und ihre Folgen waren als Thema überall spürbar. In einem Forum ging es etwa darum, wie sich "nationale Marken" entwickeln lassen, basierenden auf dem kulturellen Erbe einer Nation. Viele internationale Konzerne wie Ikea, H&M oder Coca-Cola haben Russland bereits verlassen. Statt McDonalds gibt es dort seit dem Wochenende die neu geschaffene Burger-Kette "Wkusno i Totschka" - "Lecker und Punkt".

Putin beendete seine Rede mit den Worten, dass die "Bildung und Geburt einer neuen Weltordnung ein schwieriger Prozess" sei. Die Regeln würden dabei von starken, souveränen Staaten wie Russland geschrieben. "Wir werden noch stärker werden", so Putin.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow hatte im Vorfeld des Forums mitgeteilt, Putin werde unter anderem darüber sprechen, "wie wir neue Freunde in anderen Teilen der Welt suchen und wie wir sie bereits gefunden haben". Tatsächlich versucht Russland längst, seine Wirtschaftsbeziehungen nach China und Indien, aber auch in afrikanische und südamerikanische Länder zu stärken.

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