Kunst:Der Hass von Kassel

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Das Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz. (Foto: Uwe Zucchi/dpa)

SS-Runen, Schweinebilder: Die Documenta hat doch noch einen antisemitischen Vorfall bekommen.

Kommentar von Kia Vahland

Und nun ist es doch geschehen: Auf der Documenta wurde am Freitag ein offen antisemitisches Gemälde angebracht, eine Verleumdung von israelischen Juden in den übelsten feindlichen Stereotypen. Das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi zeigte auf dem zentralen Kasseler Friedrichsplatz in einem agitatorischen Wimmelbild eine Figur mit wölfischen Reißzähnen, Schläfenlocken, Kippa und verpasst ihr eine SS-Mütze: Die Opfer des Holocaust werden zu Tätern gemacht. Und ein Schwein mit Davidstern wird als "Mossad" bezeichnet, mit dem Namen des israelischen Auslandsgeheimdienstes. Wie alt jenes Schandmotiv des Schweins ist, zeigt gerade die Debatte um die Sau-Skulpturen mit jüdischen Figuren an mittelalterlichen deutschen Kirchen.

Dieser Hass, diese Hetze von Kassel zerstören einen schönen Traum: Dass die Kunstschau des Jahres eine Feier der Freiheit und der Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Nationen werden könnte. Sehr viele der mehr als 1500 Eingeladenen wollten und wollen genau das. Einige aber verbreiten lieber üble Ressentiments. Und andere verhindern ebendieses nicht: Weder das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa schritt ein noch die Geschäftsführerin oder jene Kulturfunktionäre, die das Werden der Ausstellung seit Monaten begleiten. Es ist ein einziges Scheitern.

Worauf wartet Ruangrupa noch - wann erklären sich die Kuratoren und ihre Unterstützer, hören den nun zu Recht entsetzten Jüdinnen und Juden im Land zu und nehmen das gesamte Gemälde ab, anstatt nur Teile verhängen zu wollen, wie es jetzt hieß? Wollen sie jetzt wirklich abwarten, ob das andere verfügen, und dann "Zensur" schreien? Man kann es auch immer noch schlimmer machen.

Den Schaden tragen schon jetzt auch all jene Künstler, die um der Kunst und des Austausches willen nach Deutschland reisten und unbedingt Sehenswertes schufen. Für sie lohnt sich immer noch ein Besuch.

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Von Jörg Häntzschel, Catrin Lorch und Nele Pollatschek

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