Kolumne "Eigener Herd":Das Schlüsselrezept

Kolumne "Eigener Herd": Grünes Glück: Salsa verde mit vielen Kräutern, Knoblauch und Chili.

Grünes Glück: Salsa verde mit vielen Kräutern, Knoblauch und Chili.

(Foto: imago stock/imago images/Panthermedia)

Für einen anständigen Sommer braucht man eine anständige Kräutersoße. Denn Salsa verde, Gremolata, Schnittlauchquark oder Frankfurter Grüne Soße sind nicht nur für jede Grilltafel eine Bereicherung.

Von Marten Rolff

Auf einem privaten Geburtstagsfest in Frankfurt gab es kürzlich ein so schlichtes wie gutes Gericht, das die Gäste erst überraschte und schließlich begeisterte: eine buttrige, warme und krosse belgische Waffel mit einer Scheibe bestem Räucherlachs, einem halben hartgekochten Ei und viel Frankfurter Grüner Soße. Die Kombination schmeckte toll, auch wenn nun unter den Gästen eine Diskussion begann, weil viele ihre "Grie Soß", die seit dem 19. Jahrhundert als Frankfurter Spezialität gilt und deren Name heute gesetzlich geschützt ist, eher als Begleitung zu Kartoffeln oder maximal zu weißem Fischfilet oder Schnitzel gewohnt waren.

Wenn man auf die Tradition schaut, dann ist das nachvollziehbar. Genau so wie der Ehrgeiz vieler Frankfurter, genau zu wissen, welche Kräuter und andere Zutaten in ihre Soße gehören oder wie man sie korrekt zubereitet. Und wie bei jedem anständigen "Originalrezept" variiert das natürlich, was wiederum - auch das gehört dazu - kein aufrechter Frankfurter jemals zugeben würde.

Die Wahrheit ist aber, dass man Kräutersoßen, übrigens egal welcher Art, gar nicht oft genug variieren, weiterentwickeln und aus ihrem gewohnten Kontext herausreißen kann. Vorausgesetzt, die Qualität der Zutaten stimmt, gehören sie zu den flexibelsten Begleitern überhaupt. Unbefangenes Anrühren ist dabei fast immer ein Gewinn, und jetzt im Sommer ist Hochsaison für Kräuterexperimente aller Art. Frankfurter Grüne Soße etwa würde sich ziemlich sicher auch als Bowl-Topping gut machen, aber das nur nebenbei.

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Die kalifornische Journalistin Fanny Singer, die kürzlich ihre Autobiographie vorgelegt hat, schwört auf eine andere Kräutersoße als ständige Begleiterin, nämlich auf Salsa verde, wie man sie in vielen Teilen der Welt isst, ob zu Grillgemüse, Fleisch, Fisch, Kartoffeln, Eintöpfen, Salat, Burgern oder Ofen-Kürbis. Für Singers Biographie ("Always Home", btb) kam nur die Kochbuchform in Frage, da sie als Tochter der Köchin und Gastronomin Alice Waters in einem der bekanntesten Restaurants der USA aufgewachsen ist.

Das "Chez Panisse" in Berkeley ist trotz französischer Bezüge kein Gourmettempel im klassischen Sinne, sondern eine Wiege der Slowfood-Bewegung. Die Sorte Lokal, die Genuss nicht nur mit Qualität, sondern auch mit Zukunftsoptimismus und einem intellektuellen Überbau verbindet. Singer war also schon als Kind der Achtzigerjahre gewohnt, dass ihre Eltern weite Wege für beste Produzenten zurücklegten, Bauernmärkte nach Lieblingsständen kategorisierten, sich zum Kochen im Garten bedienten und Neues ausprobierten. Ideale Bedingungen also für eine gute Kräutersoße. Für ihre Lebensgeschichte thematisiert Singer in jedem Kapitel ein Gericht ihrer Familie. Und Salsa verde, die anderswo auch Chimicurri, Chermoula oder Sauce verte genannt wird, ist für sie ein Schlüsselrezept, eben weil die Soße so wandelbar ist und - ähnlich wie ein populäres Gewürz - fast universell einsetzbar.

Mengenangaben sind nicht so wichtig

Als unverzichtbare Basis benötigt die Soße nur glatte Petersilie, Knoblauch, Salz, Öl (gutes Olivenöl) und Säure (Essig und/oder Zitrone), Singer nutzt außerdem frischen Koriander (Verhältnis zur Petersilie 1:1), das einzige Kraut, bei dem sie nicht nur die Blätter, sondern auch die Stängel (sehr fein) hackt und zugibt. Der Rest ist Freestyle. Singer selbst kombiniert Koriander und Petersilie gern mit frischen "weichen Kräutern" wie Minze, Oregano, Basilikum, Majoran, Estragon und Schnittlauch, aber auch mit Exoten wie - ein lohnender Tipp - frischen Curryblättern (erhältlich in gut sortierten Asia-Läden). Auf genaue Mengenangaben verzichtet sie, weil jeder die Zutaten nach eigenen Vorlieben aussuchen und portionieren sollte. Wichtig ist, dass das Ergebnis am Ende grün und "eher dünnflüssig" sowie "mehr säuerlich als ölig" sein soll.

Fanny Singer beginnt stets mit ein bis zwei am besten jüngeren Knoblauchzehen, nach Laune zudem mit einer Schalotte oder Frühlingszwiebel sowie einer oder einer halben Chili ohne Kerne und Wände (etwa Jalapeño oder Thai-Chili). All diese Zutaten extrem fein hacken und kurz in einer Schüssel im Saft einer unbehandelten Zitrone und/oder Weißweinessig ziehen lassen, damit die Schärfe abgemildert wird. Nun die Kräuter fein hacken, darauf häufeln und sofort mit ein paar Schlucken Olivenöl tränken und alles verrühren, damit das Grün nicht oxidiert. Mit ordentlich Salz abschmecken und nach Geschmack mehr Öl oder Säure zugeben. Ausgezeichnet hinein passen auch gehackte Kapern und Sardellen sowie frisch geriebene Kurkuma oder der Abrieb einer Zitrone. Da Öl und Zitrone konservierend wirken, lässt sich Salsa verde gut ein paar Tage im Kühlschrank lagern.

Wer wenig Zeit oder zu wenige Kräuter hat, verlegt sich vielleicht auf italienische Gremolata, die eigentlich ein Topping für Ossobuco ist. Dafür 1 TL Zitronenabrieb mit 1/4 TL Knoblauch und 1 EL Petersilie (beides fein gehackt) mischen. Beide Kräutermischungen machen den Sommer auf jeder Grilltafel perfekt.

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