Ukrainische Flüchtlinge an der BIS:Auf Integration spezialisiert

Ukrainische Flüchtlinge an der BIS: Sie alle bemühen sich um das Wohl von 40 Gastschülerinnen und -schülern, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind und an der Bavarian International School unterrichtet werden (v.l.): Claire Ashbee, Dasha Kozlova, Chrissie Sorenson und Fred Luzanycia.

Sie alle bemühen sich um das Wohl von 40 Gastschülerinnen und -schülern, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind und an der Bavarian International School unterrichtet werden (v.l.): Claire Ashbee, Dasha Kozlova, Chrissie Sorenson und Fred Luzanycia.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

40 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine besuchen seit Monaten kostenlos die Bavarian International School in Haimhausen. Die Strukturen dort sind ideal, wurden sie doch geschaffen, um junge Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen schnell zu integrieren.

Von Alexandra Vettori, Haimhausen

Ob es den ukrainischen Kindern und Jugendlichen, die seit bald drei Monaten die Bavarian International School (BIS) in Haimhausen besuchen, bewusst ist, dass nicht alle deutschen Schulen so aussehen? Unterricht im Schloss, Pausen im weitläufigen Garten mit Blick auf das Ampertal? Vermutlich denken sie nicht darüber nach, haben mit dem Hier und Jetzt, dem Verlust ihres Umfeldes und der Angst um liebe Menschen genug zu tun. Und so sitzen stellvertretend Milolika und Svyet ganz entspannt zum Interview an einem der Außentische im strahlenden Sonnenschein, um sie der Pausen-Trubel. Mit dabei Claire Ashbee, Pastoral Coordinator, was am ehesten mit Schulsozialarbeiterin zu übersetzen ist, und Ana und Felix, die jeweils die gleiche Klasse besuchen und die beiden ein wenig unter ihre Fittiche genommen haben.

Milolika ist zwölf Jahre alt, kommt aus Kiew und lebt mit ihrer Mutter und einer weiteren ukrainischen Familie seit drei Monaten in der Nähe von Dachau. Die Väter mussten daheim bleiben, zur Heimatverteidigung. Bei Svyet sind es die zwei großen Brüder, um die er sich sorgt. Er ist 14, kommt aus Charkiv und war mit Mutter und Vater gerade in Urlaub, als die Nachricht vom Überfall sie erreichte. Sie flohen nach München, wo eine Tante lebt. Die Brüder sind schon über 18 und müssen in der Ukraine bleiben. "In der ersten Woche hat Svyet einen Mathe-Test geschrieben und gleich eine Eins gehabt, er ist super in Mathe", erzählt Felix. Er hat Svyet auch gleich in eine Fußballmannschaft an der Schule gebracht, denn Fußball spielt Svyet auch super.

Die ukrainischen Gastschüler müssen die Gebühren von bis zu 20 000 Euro im Jahr nicht zahlen

Ende März kamen die ersten "Gastschüler" aus der Ukraine an die BIS. Dass das möglich war, erzählt später Schulleiterin Chrissie Sorenson in ihrem Büro, sei mehreren Faktoren zu verdanken. Bevor sie mit dem Vorschlag an den Vorstand heran getreten sei, habe sie erst ihr Kollegium gefragt, ob dort nach der anstrengenden Corona-Zeit noch Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingskindern bestünden. "Die Resonanz war überwältigend", so Sorenson. Auch der Beschluss im Aufsichtsrat der Privatschule fiel einstimmig aus. Auf die Schulgebühren, immerhin 15 000 bis 20 000 Euro im Jahr, wurde verzichtet, und in der Schulfamilie selbst war die Hilfsbereitschaft ohnehin groß, nicht nur beim Spendensammeln für die Ukraine oder der Aufnahme von Geflüchteten. Dazu kam, dass wegen Corona weniger Experts international eingesetzt waren und deshalb auch die Schülerzahlen an der BIS gesunken und Plätze frei waren.

"Wir sind als Schule darauf ausgelegt, so etwas zu bewerkstelligen", sagt Sorenson bestimmt und meint die rasche Integration. Die 1150 Schülerinnen und Schüler der BIS an den Standorten Haimhausen und Schwabing kommen aus 61 Nationen. Alle internationalen Schulen unterrichten nach einem Lehrplan, der zum internationalen Abschluss Bac führt, angepasst an die Besonderheiten des Standort-Landes. So können Neuzugänge auch unter dem Jahr problemlos aufgenommen werden, je nach Dienstplan der Eltern. Dazu gibt es einen ganzen Stab, der sich um Ankommen und Integration kümmert. "Das ist wie eine Mini-Welt für die international mobilen Familien", erklärt die Direktorin und zählt Vertrauenslehrer, Berater, Wellbeeing-Stunden und Fördereinheiten auf. Grundlegend ist die Sprache, schon die Kleinsten lernen Englisch und die örtliche Landessprache. "Die wenigsten Kinder, die wir bekommen, können schon Englisch, vielleicht 35 Prozent", so die Schulleiterin. Dennoch bleiben alle im Klassenverbund und jeder und jede wird gefördert, wo es nötig ist. Den ukrainischen Kindern und Jugendlichen kommt das jetzt zugute, sie müssen nicht wie in deutschen Regelschulen in eigene Willkommensklassen.

Ukrainische Flüchtlinge an der BIS: Normalerweise herrscht Hundeverbot an der BIS, bei Jack wird eine Ausnahme gemacht. Denn er hat als Therapiehund mit Frauchen und Schulsozialarbeiterin Claire Ashbee einen Job zu tun.

Normalerweise herrscht Hundeverbot an der BIS, bei Jack wird eine Ausnahme gemacht. Denn er hat als Therapiehund mit Frauchen und Schulsozialarbeiterin Claire Ashbee einen Job zu tun.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Einem Glücksfall in Gestalt von Dasha Kozlova ist zu verdanken, dass sie sich auch in Russisch austauschen können. Die Lehrerin stammt aus Bellarus und kümmert sich mit ihrer ebenfalls russischsprachigen Kollegin Amaryllis Schepens um die ukrainischen Kinder und Jugendlichen. Zu den täglichen Sprechstunden kommt immer jemand, "viele auch wegen der Sprache", sagt Kozlova mit einem Lächeln. Natürlich hätten die Kinder schlimme Erfahrungen gemacht, Väter im Krieg, zerbombte Wohnungen, Angst vor lauten Geräuschen, und einzelne hätten am Anfang auch besondere Aufmerksamkeit gebraucht. Doch inzwischen seien es mehr Teenagerprobleme. Auch die Klassen wurden vorbereitet, sie sollten kein besonderes Aufheben machen, aber gebotene Sensibilität walten lassen. Auch hier ist das internationale Umfeld an der BIS ein Vorteil: "Die meisten Schüler kennen es, wie es ist, das Haus zu verlassen und das soziale Umfeld zu verlieren", erklärt Kozlova.

Rund 20 ukrainische Schüler werden wohl auch im kommenden Schuljahr noch die BIS besuchen

Auch Geografie-Lehrer Fred Luzanycia ist eine wichtige Anlaufstelle geworden, er stammt aus der Ukraine, zu ihm kann kommen, wer in seiner Heimatsprache reden möchte. Seit Jahren engagiert er sich für die Hilfsorganisation Care& Aktive, eigentlich kümmert man sich um Waisenkinder, seit dem Krieg in der Ukraine aber vor allem um Flüchtlinge. Vom Engagement der Schule, von Spendenlauf bis Benefizkonzert ist er immer noch begeistert.

Als es jetzt darum ging, welche der Gastschüler im neuen Schuljahr, wieder nach Haimhausen kommen, sei die Spendenbereitschaft unter den Eltern erneut groß gewesen, erzählt Schulleiterin Chrissie Sorenson. Manche übernehmen sogar die Schulgebühren für ukrainische Gastschüler, "solange sie es brauchen". 18 bis 20 werden wohl wieder kommen, so wie es derzeit aussieht.

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