Bundeswehr:Gescheitert am Hindukusch

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Nur raus hier: Eine afghanische Familie wartet auf dem Flugplatz Kabul im August 2021 darauf, von Nato-Maschinen in Sicherheit gebracht zu werden. (Foto: MARK ANDRIES/AFP)

20 Jahre Afghanistan-Einsatz endeten in einem beispiellosen Desaster. Zwei Gremien wollen das nun aufarbeiten, wie es dazu kommen konnte. Darin steckt eine große Chance.

Von Tobias Matern

Deutschland ist wie die anderen westlichen Bündnispartner im vergangenen Sommer gedemütigt aus Afghanistan abgezogen. Nach 20 Jahren Einsatz am Hindukusch hat Berlin aufgrund eigener Fehler dazu beigetragen, dass die Taliban zurück an der Macht sind, auch wenn die Hauptschuld beim größten Truppensteller USA liegt.

Nun setzt der politische Betrieb in Berlin gleich zwei Gremien ein, die Lehren aus dem Desaster ziehen sollen: Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag, den nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch die Union unterstützt. Diesen sollen die letzten eineinhalb Jahre bis zum Abzug aus Afghanistan und der Rückkehr der Taliban an die Macht beschäftigen. Und es folgt dann eine mit Experten besetzte Enquete-Kommission, die sich die gesamten 20 Jahre vornimmt, in denen Bundeswehrsoldaten, Diplomaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan waren.

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Es ist zwar eine Floskel, aber im Scheitern in Afghanistan steckt für die deutsche Politik tatsächlich auch eine Chance: Wenn das Debakel schonungslos aufgearbeitet wird, lassen sich dadurch zumindest Lehren für die Zukunft ziehen, vor allem für die Frage, unter welchen Maßstäben sich Deutschland an Kriegen beteiligen sollte - oder eben nicht.

Die 18 Monate, die sich der Untersuchungsausschuss vornimmt, waren geprägt von dem grundsätzlichen diplomatischen Fehler der Trump-Regierung, die 2020 einen Deal mit den Taliban vereinbart hatte, dabei aber die afghanische Regierung im Regen stehen ließ. Das war der Brandbeschleuniger für den Fall Kabuls. Warum hat Berlin, das einige sehr fähige Diplomaten mit hoher Reputation in Afghanistan im Einsatz hatte, dagegen nicht beherzter Stellung bezogen?

Der Wille zu helfen, war nicht da

Vom Ende des Einsatzes im Sommer 2021 wird aus deutscher Perspektive vor allem der schäbige Umgang der Bundesregierung mit den afghanischen Ortskräften in Erinnerung bleiben, als die Soldaten der Bundeswehr den Heimflug antraten, ihre einheimischen Übersetzer und Mitarbeiter aber im Stich gelassen wurden. Die Frage für den U-Ausschuss: War es nur der Trägheit der zuständigen Außen-, Innen- und Entwicklungsministerien geschuldet, dass nicht schnell und unbürokratisch geholfen wurde? Die ehrliche Antwort wird lauten müssen: nein. Es war vielmehr politischer Wille, die Helfer der Bundeswehr nicht auf Kosten der deutschen Steuerzahler auszufliegen, wie es angesichts der Gefahr nötig und angemessen gewesen wäre. Dieses Versäumnis ließ sich durch eifrig twitternde Minister über späte Rettungsmissionen für Ortskräfte, als Kabul bereits an die Taliban gefallen war, nicht mehr zurechtrücken.

Für die Enquete-Kommission bliebe noch das Grundsätzlichere des Einsatzes: der Selbstbetrug der deutschen Außenpolitik, den die 20 Jahre in Afghanistan offengelegt haben. Es gab kein genuin eigenes Interesse jenseits der Bündnisverpflichtung, der Berlin nach den Anschlägen vom 11. September gegenüber den USA gerecht werden wollte. Deutschland willigte ein, einen Krieg nach Vorgaben der Amerikaner mitzuführen. Es war dafür aber weder militärisch gerüstet noch politisch willens, nachzusteuern, als es nötig gewesen wäre.

Deutschland evaluiert nun diesen Krieg, an dessen Ende Ertrag und Aufwand in keinem Verhältnis stehen: Die Taliban sind zurück, genau das sollte der Einsatz am Hindukusch vermeiden. Wenn der U-Ausschuss und die Enquete-Kommission das herausarbeiten, wäre schon viel erreicht, um künftig die Fehler aus Afghanistan nicht zu wiederholen.

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