Protestcamp zum G-7-Gipfel:"Wir sind nicht die Herrscher und Besitzer dieser Welt"

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Der Eingangsbereich des Protestcamps gegen den G-7-Gipfel mit diversen Zelten und Anweisungen für Journalisten und andere Besucher. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

2015 wollten die Behörden es verbieten, dieses Jahr wirkt es fast schon wie ein fester Bestandteil des G-7-Gipfels: das Protestcamp der Gipfelgegner. Doch wer wohnt da eigentlich? Und was machen die da überhaupt?

Von Patrick Wehner, Garmisch-Partenkirchen

Dass dieses Camp ein besonderes ist, macht sich schon am Eingang bemerkbar. Hier wacht ein Mann in seinen 60ern, Hände in den Hosentaschen, schwarzes T-Shirt, auf dem steht, dass Rassismus tötet. "Der Uli", wie sie ihn hier nennen, grinst und sagt: "Im Camp ist alles ruhig". Das mag zunächst wenig besonders und sogar sehr banal klingen. Doch "der Uli" ist nicht einfach nur eine Art Türsteher, der soeben seine Fünf-Stunden-Schicht am Campeingang begonnen hat.

Dr. Ulrich Wilken, wie ihn andere nennen, ist Vizepräsident des Hessischen Landtags und Mitglied der Linken. Wilken ist aber nicht als Landtagsrepräsentant hier, sondern als Mitglied des Motorradclubs Kuhle Wampe. Weil er es wichtig findet, seinen Protest gegen das G-7-Treffen zu zeigen. Der Motorradclub hat, wie schon 2015, beim Aufbau des Camps geholfen. Die linken Rocker fungieren zudem als eine Art Sicherheitsdienst.

Das Camp besteht am Samstagabend aus weniger Leuten, als von den Organisatoren rund um das Bündnis "Stop G7 Elmau" erwartet wurden. Bislang sind die angemeldeten 750 Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei Weitem nicht zusammengekommen, es sieht eher nach der Hälfte aus. Viele Gruppen, die ihren Protest eigentlich nach Garmisch-Partenkirchen und natürlich auch nach Elmau, wo der G-7-Gipfel, stattfindet, tragen wollten, waren wohl von der Polizeipräsenz abgeschreckt worden. So sehen es jedenfalls viele Campbewohner.

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Um das Camp herum zeigt die Polizei durchgehend Präsenz

Allein auf dem Weg von München nach Garmisch zeigte die Polizei massiv Präsenz. Im Markt selber spötteln manche, dass jeder Garmisch-Partenkirchner einen Polizisten bekommen hätte. Rund 18 000 Beamte sollen im Einsatz sein, aus allen Teilen Deutschlands. Selbst österreichische Polizei ist vor Ort. Um das Camp herum zeigen die Beamten ebenfalls durchgehend Präsenz, Journalisten werden nach dem Namen ihres Arbeitgebers und ihren Ausweisen gefragt. Zwar freundlich, aber auch sehr bestimmt.

Inmitten dieser ganzen Sicherheitsmaschinerie, die viele für übertrieben halten, wirkt das bunte Zeltlager am Rande des Marktes fast schon wie das kleine gallische Dorf, das tapfer Widerstand leistet. Beim ersten Gipfel hier im Jahr 2015 gab es große Widerstände gegen das Zeltlager. Der Besitzer der Wiese, Bernhard Raubal, wurde wegen verschiedener anonymer Anfeindungen unter Polizeischutz gestellt. Zudem hatten die Verantwortlichen im Rathaus damals das Zelten zunächst komplett untersagt. Das Verwaltungsgericht München wischte das Verbot der Marktgemeinde damals aber zügig beiseite. Diesen Gegenwind gab es dieses Jahr zwar nicht mehr, aber die Behörden genehmigten das Camp unter vielen Auflagen trotzdem erst vergangenen Montag, obwohl der Antrag schon ein gutes halbes Jahr vorlag.

Vor der Bergkulisse stehen eine paar Dutzend Zelte herum

Vor einer atemberaubend schönen Bergkulisse stehen hier ein paar Dutzend kleinere und größere Zelte rum. Eins mit einer Küche, in der gerade das Abendessen vorbereitet wird, natürlich alles fleischlos. Linsen Dal mit Orange gibt es heute. Eins, in dem am Abend zuvor eine Doku über die Ausbeutung indigener Bevölkerung in lateinamerikanischen Ländern gezeigt wurde, auf deren Land ohne ihre Zustimmung Windkraftanlagen gebaut werden. Und eins, in dem gerade Erich, Zine und Lukas auf einem Teppich am Boden sitzen.

Hinter ihnen hängt ein Plakat, auf dem "Denkt, träumt und verwirklicht!" steht, auf Tischen liegen Infobroschüren über die Kämpfe, die dem Globalen Süden ihrer Meinung nach vom Westen aufgezwungen werden. "Wir sind nicht die Herrscher und Besitzer dieser Welt", sagt Erich, 30, gelernter Krankenpfleger. Der G-7-Gipfel hier aber sei genau die Versinnbildlichung dessen. Eine Gruppe mächtiger Staaten treffe sich, um Dinge zu besprechen, die Auswirkungen auf den halben Planeten haben werden. Ärmere Länder seien dabei allenfalls Zaungäste. Gestiegene Preise für Weizen zum Beispiel, die fürchterliche Konsequenzen für Millionen Menschen haben könnten.

Es ist eine bunte Mischung Menschen, die gegen den G-7-Gipfel in Elmau protestieren: Hier eine ältere Frau, die ein Transparent mit der Aufschrift "Bitte friedlich" hoch hält. (Foto: Patrick Wehner)

Zine betont, man wolle aber nicht nur gegen etwas sein, sondern für etwas. Die 22-jährige Soziologiestudierende organisiert Bildungsarbeit in München, möchte über komplizierte Themen aufklären, wie die Rolle des Westens als Geldgeber in ärmeren Ländern. Und sie möchte eine Kommune gründen. "Aber nicht nach dem Motto, dass wir dort den ganzen Tag Sex miteinander haben", sagt sie und lacht.

Zine ist der Ansicht, man könne Menschen nicht über große Schlagzeilen oder reißerische Posts erreichen, sondern vor allem im persönlichen Gespräch. Erich und Lukas nicken. "Den Menschen in die Augen zu schauen, das ist wichtig", sagt Lukas. Der 29-Jährige hat technische Physik studiert und arbeitet gerade als Tagelöhner bei einem Bauern. Seine Mitmenschen zu kennen sei ein Schlüssel, um die Welt besser zu machen.

Gestern ist bei ihnen ein ehemaliges Mitglied der Bergwacht im Zelt gesessen, sagt Erich, das eine bemerkenswerte Geschichte erzählt habe. "Er sagte, früher war er strikt gegen Frauen bei der Bergwacht, wäre eher selbst ausgetreten, als diese als normale Mitglieder zu akzeptieren. Jahre später dann war die erste Frau in seiner Bergwacht seine eigene Tochter."

Das Camp zieht eben auch Leute an, die manche Beobachter dort eher nicht sofort vermutet hätte. Was vermutlich weniger über das Camp als vielmehr über das Schubladendenken der Beobachter aussagt. Durle und Joe zum Beispiel, ein älteres Ehepaar aus dem Ruhrgebiet, die ihren Nachnamen nicht nennen möchten. "Wir haben in der Nähe unsere Ferienwohnung und waren neugierig auf das Camp", sagt Durle. Die beiden erzählen von der Friedensbewegung in den 80er-Jahren, von den Demos in Bonn, auf denen sie waren. Es sei ihnen ein Anliegen gewesen, dem Zeltlager hier einen Besuch abzustatten, weil sie es toll fänden, wenn junge Menschen demonstrierten.

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