Luftverkehr:Flughäfen sollen Hilfskräfte aus dem Ausland holen

Luftverkehr: Polizei am Flughafen Düsseldorf: Zum Ferienbeginn in NRW kamen viele Reisende nicht weg.

Polizei am Flughafen Düsseldorf: Zum Ferienbeginn in NRW kamen viele Reisende nicht weg.

(Foto: Christopher Neundorf/Imago/Kirchner-Media)

Die Bundesregierung will die Anwerbung erleichtern, damit es an den Airports wieder besser läuft. Innenministerin Nancy Faeser kritisiert aber auch die Unternehmen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Mal kommen die Fluggäste schon lange vor Sonnenaufgang zum Schalter - und verpassen trotzdem ihren Flieger. Dann wieder verschwinden Koffer auf Nimmerwiedersehen. In schöner Regelmäßigkeit winden sich in diesen Tagen auch lange Schlangen von Passagieren vorbei an Check-ins oder stauen sich über Stunden vor Sicherheitskontrollen. Die Stimmung zum Ferienauftakt in Deutschland: gewittrig. Die Lage an Airports nach zwei Jahren Pandemie: verfahren. Jetzt will die Bundesregierung eingreifen.

"Unter den Versäumnissen der Unternehmen leiden jetzt die Reisenden."

"Wir werden ermöglichen, dass die Unternehmen kurzfristig Hilfskräfte aus dem Ausland zum Beispiel bei der Gepäckabfertigung einsetzen können", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Süddeutschen Zeitung am Sonntag. "In ganz Europa gibt es nach zwei Pandemiejahren massive Personalprobleme im Flugverkehr. Überall fehlen Arbeitskräfte." Der Staat habe die Airlines und Flughäfen in der Corona-Zeit "mit Milliarden" gestützt, dennoch sei es zu Fehlentwicklungen gekommen: "Unter den Versäumnissen der Unternehmen leiden jetzt die Reisenden." Die Bundesregierung biete nun weitere Unterstützung an.

Luftverkehr: Innenministerin Nancy Faeser, hier mit Verkehrsminister Volker Wissing, will den Flughäfen helfen.

Innenministerin Nancy Faeser, hier mit Verkehrsminister Volker Wissing, will den Flughäfen helfen.

(Foto: Christian Mang/Reuters)

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) haben sich mit Faeser darauf verständigt, für eine befristete Zeit die Beschaffung von Flughafenmitarbeitern auch aus Nicht-EU-Ländern wie der Türkei zu erleichtern. Auch für das Ein-und Ausladen von Koffern sollen im Schnellverfahren Hilfskräfte gewonnen werden. "Es gibt Maßnahmen, die die Airlines sehr schnell treffen könnten, zum Beispiel Fast Lanes für alle Reisenden öffnen und die Exklusivbehandlung weniger Passagiere beenden, Flugpläne entzerren und Belastungsspitzen vermeiden", sagte Ministerin Faeser. Im sensiblen Bereich Flughafen werde man dabei aber keine Risiken eingehen. "Bei der Sicherheit gibt es keine Abstriche." Sicherheitsmaßnahmen wie die Kontrolle des Handgepäcks etwa oder das Abtasten von Passagieren will Faeser nicht ungelernten Aushilfen aus dem Ausland übertragen lassen. Konkrete Details müssen allerdings noch geklärt werden.

Die Lage an Flughäfen ist in etlichen EU-Staaten chaotisch. Es kommt zu stundenlangen Verzögerungen, viele Airlines streichen Flüge in Serie. Grund ist neben Fehlplanung auch der Personalabbau in der Pandemie. Es fehlen gelernte Kräfte beim Bodenpersonal, bei der Gepäckabfertigung und im Cockpit. Und weil auch in Deutschland die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen oft schlecht waren, wollen etliche Entlassene der Pandemie jetzt nicht an die Flughäfen zurückkehren. Außerdem hatte offenbar kaum ein Unternehmen auf dem Schirm, wie viele Menschen im Sommer 2022 wieder den Flieger in den Urlaub nehmen wollen - Klimaerhitzung und Wirtschaftskrise hin oder her.

Die Bundesregierung will nun dem Vorschlag der Luftfahrtbranche entgegenkommen, rund 2000 Aushilfen über Arbeitsvermittler in Ländern wie der Türkei anzuwerben. Geplant ist ein möglichst unbürokratisches Verfahren. Arbeitsminister Heil will dabei aufs Tempo drücken, gleichzeitig aber miserable Arbeitsbedingungen verhindern. Man werde "jede Form von Sozialdumping und Ausbeutung ausschließen", sagte er Bild am Sonntag, die als erstes über das Vorhaben berichtete. "Die Arbeitgeber müssen Tariflöhne zahlen und für die befristete Zeit anständige Unterkünfte bereitstellen."

Bewerber aus Nicht-EU-Staaten brauchen einen vollständigen Sicherheitscheck

Bundesinnenministerin Faeser wiederum will sicherstellen, dass die Sicherheitsanforderungen für Flughafenmitarbeiter nicht unterschritten werden. Bewerber aus Nicht-EU-Staaten müssten an deutschen Auslandvertretungen Visa beantragen und sich einem vollständigen Sicherheitscheck unterziehen. Normalerweise sei das binnen weniger Tage möglich. Straftäter, Personen mit extremistischer Vorbelastung oder nachgewiesener finanzieller Unzuverlässigkeit würden so ausgeschlossen. Allen übrigen Hilfskräften soll eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden. Sicherheitskontrollen sollen sie nicht übernehmen.

Damit stellt sich die Frage, ob das Vorhaben der Bundesregierung die Sicherheitskontrollen an Flughäfen beschleunigen kann. Hier liegt zumindest nach Auffassung vieler Airlines das Hauptproblem. Sie fordern, das Personal bei Bundespolizei und privaten Sicherheitsdiensten aufzustocken. Im Innenministerium sieht man die Sache anders. "Wir haben dafür gesorgt, dass die privaten Sicherheitsdienstleister in der Krise keine betriebsbedingten Kündigungen vorgenommen und 85 Prozent des Personals behalten haben", sagte Faeser. Mit anderen Worten: Die Hauptverantwortung für die Misere sei in den Unternehmen zu suchen. Die Bundespolizei will ihre Kräfte nun etwas verstärken, lösen kann sie das Problem aber nicht. Dafür seien 10 000 neue Stellen nötig, ein Planziel fern der Wirklichkeit.

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