Gesundheit:Zähneputzen gegen Demenz

Gesundheit: Professor Claudia Bausewein (zweite von links) fordert neue Versorgungsformen und mehr Betreuungskapazitäten.

Professor Claudia Bausewein (zweite von links) fordert neue Versorgungsformen und mehr Betreuungskapazitäten.

(Foto: Nila Thiel)

Mit dem Alter steigt das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Mediziner erklären bei einem Symposium in Pöcking, wie man der Krankheit vorbeugen kann.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Die gute Nachricht zuerst: Demenz ist nicht ansteckend. Allerdings ist die Erkrankung trotz intensiver Forschung bis heute auch nicht heilbar. Auf dem Symposium zum Thema "Leben, Lieben, Loslassen" am Dienstag im Pöckinger Bürgerhaus Beccult verriet der ehemalige Direktor der Polyklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Technischen Universität München, Professor Hans Förstl, was man selbst tun kann, um die Krankheit eventuell zu verhindern oder sie zumindest hinauszuzögern. Das Symposium hatte die Ilse Kubaschewski-Stiftung Starnberg im Rahmen ihres Weiterbildungsauftrags ausgerichtet. Pandemiebedingt war die Veranstaltung jedoch um zwei Jahre verschoben worden.

Das höchste Risiko, an Demenz oder Alzheimer zu erkranken, ist das Alter. "Es wäre sehr ungewöhnlich, dass ein hochaltriger Mensch keine Gehirnveränderungen hätte", sagte Förstl. Neueste Erkenntnisse weisen nach seinen Angaben zudem darauf hin, dass Menschen, die einen schweren Corona-Verlauf hatten, auch häufiger an Demenz erkranken. Ein weiteres Risiko sind Medikamente, allen voran Schlaf- und Beruhigungsmittel. Sie würden verhindern, dass das Gehirn nachts von Alzheimer-Eiweißen gereinigt werde. Große Hoffnungen habe die Forschung auf eine Demenzimpfung gesetzt. Diese gebe es zwar für Mäuse, bislang jedoch nicht für Menschen, stellte er fest. Immerhin haben Menschen, die häufiger gegen Grippe geimpft sind, laut Förstl ein geringeres Demenzrisiko. Zudem gebe es Medikamente, die den Krankheitsverlauf um mehrere Monate nach hinten verschieben können. Auch gesunde Ernährung und regelmäßiges Zähneputzen könne das Risiko vermindern, da dadurch Bakterien minimiert werden, die sich im Stirnlappen festsetzen. Körperliche und geistige Beweglichkeit hat nach Angaben des Experten ebenfalls einen positiven Effekt; da das dabei ausgeschüttete Hormon Irisin das Alzheimer-Eiweiß im Gehirn aufspalten könne.

Vor dem Hintergrund, dass ältere Menschen häufig mehrere Erkrankungen gleichzeitig haben und deshalb auch viele Medikamente einnehmen, sollte nach Meinung Förstls der Frage nachgegangen werden, was eventuell abgesetzt werden könne. Das größte Risiko für eine Erkrankung sind nach seinen Erfahrungen jedoch Arbeitslosigkeit, Faulheit oder Einsamkeit. Das könne durch soziales ehrenamtliches Engagement vermieden werden. Eine positive Einstellung zum Alter und das Leben zu genießen, sei die beste Prävention, sagte er.

Nach Meinung von Cornelia Bürner, die in der Ilse Kubaschewski-Stiftung Starnberg den Bereich Fürsorge im Alter leitet, sollte die Gesellschaft weniger auf die Defizite von Menschen mit einer Demenzerkrankung achten, sondern sie stattdessen stärker unterstützen. Die Stiftung hat deshalb mit "Demenz-Bewegung" ein neues Projekt gestartet. Schon in den kommenden Tagen sollen Tipps mit bestimmten Bewegungsabläufen im Internet abrufbar sein unter www.iks-stiftung.de .

Nach Angaben der Professorin für Palliativmedizin an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Claudia Bausewein, wird die Anzahl der mehr als 90-Jährigen bis zum Jahr 2030 stark ansteigen. Daher sei auch eine Zunahme von Demenzerkrankungen zu erwarten. Zudem werde sich die Lebenserwartung von chronisch Erkrankten um durchschnittlich 16 Jahre verlängern und die Zahl der jährlichen Krebserkrankungen um 100 000 auf 600 000 ansteigen. Schon jetzt wollen 76 Prozent der lebensbedrohlich Erkrankten Bausewein zufolge zuhause sterben. In der Realität indes sterben 50 Prozent der Betroffenen im Krankenhaus. Allerdings könnten Betroffene im Laufe der Erkrankung ihre Meinung ändern, so die Erfahrung der Fachärztin. Denn häufig sei die Sorge um die Familie größer als die Sorge um sich selbst. Vor diesem Hintergrund hielt sie eine Stärkung der Palliativversorgung sowie Konzepte, die frühzeitig greifen, für dringend notwendig. Sie sprach sich für eine engere Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen aus. Betroffene sollten schon frühzeitig, also nicht erst am Ende des Lebens, durch ein multiprofessionelles Team aus Ärzten, Pflegern und Seelsorgern begleitet und die Angehörigen einbezogen werden. Darüber hinaus forderte Bausewein eine Ausweitung der Betreuungskapazitäten, mehr Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals sowie neue Versorgungsformen, wie etwa Tageshospize. Auch die Gründung einer so genannten "Care Communitiy", in der ausgebildete Ehrenamtliche alte und kranke Menschen in der Nachbarschaft unterstützen, bietet sich ihrer Erfahrung nach an. "Aus meiner Sicht ist das Sterben auch ein Brennpunkt für das Leben", betonte Bausewein.

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