Evangelische Kirche:"Letzte Chance für die EKD"

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Den Opfern Gehör verschaffen: Der Künstler Gerhard Roese hat drei Skulpturen zum Missbrauch geschaffen. Sie heißen Hoffnung, Vertrauen (Foto) und Respekt. Mit ihnen setzen die Evangelische Brüdergemeinde Korntal und ihre Diakonie ein öffentliches Zeichen der Warnung und Wegweisung im Gedenken an die Missbrauchsgeschehen in ihren damaligen Kinderheimen in Korntal und Wilhelmsdorf in den 1950er bis 1980er Jahren. (Foto: Tom Weller/dpa)

Diesen Freitag startet ein neues Gremium zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Beteiligte Betroffene stellen klar: Es sei die letzte Gelegenheit, "unsere Expertise in Anspruch zu nehmen".

Von Annette Zoch, München

An diesem Freitag nimmt das neue "Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt" der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seine Arbeit auf. Kurz vor dem Start erhöhen die acht in dem Gremium sitzenden Betroffenen den Druck: "Das Beteiligungsforum ist die letzte Chance für die EKD, unsere Expertise in Anspruch zu nehmen", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung.

Die EKD hat bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bislang vor allem Negativschlagzeilen gemacht. Im vergangenen Jahr hatte sie den erst wenige Monate zuvor gegründeten Betroffenenbeirat einseitig aufgelöst, obwohl einige Mitglieder in dem Gremium ausdrücklich dagegen waren. Die ehemalige Beirätin Katharina Kracht kritisierte im Frühjahr, nicht in die Neuausrichtung eingebunden gewesen zu sein. Auch dass die Betroffenen nun kein eigenes Gremium mehr haben, wurde kritisiert.

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Die Sprecher der Betroffenenvertreter, Nancy Janz und Detlev Zander, versuchen, Bedenken zu zerstreuen: Betroffene hätten nun "eine deutlich einflussreichere und gestaltende Funktion". Für Beschlussvorlagen sei zwingend eine Mehrheit der Stimmen der Betroffenen nötig. "Die EKD gibt Deutungshoheit und Macht ab."

Ein Kritikpunkt: Es fehlen kirchenferne Betroffene

Janz und Zander sparen aber nicht mit Kritik: Noch immer sei der Umgang mit sexualisierter Gewalt in vielen Landeskirchen und kirchlichen Institutionen "nicht von Offenheit und Fürsorge geprägt, sondern von institutioneller Abwehr". Kirchliche Würdenträger hielten "aufrüttelnde Reden und versagen doch in der Praxis".

Katharina Kracht sieht in dem Modell weiterhin "grundlegendste strukturelle Probleme", zum Beispiel, weil die Mehrheit der beteiligten Betroffenen bei der Kirche oder einem kirchlichen Träger arbeite. "Die vielen evangelischen Betroffenen, die sich fern der Kirche positionieren und wirklich unabhängige Aufarbeitung wollen, sind nicht angemessen vertreten", so Kracht.

Es sei ihnen bewusst, dass sie nur einen Teil der Betroffenen vertreten, schreiben die Mitglieder des Beteiligungsforums. Deshalb setzten sie sich für eine Vernetzungsplattform ein sowie für neue Arbeitsgruppen im Beteiligungsforum, um mehr Betroffene ins Boot zu holen.

Kracht indes plädiert für eine von den Täter-Institutionen unabhängige Aufarbeitung: "Aufarbeitung in allen Kontexten muss endlich als gesellschaftliche Aufgabe erkannt werden. Dafür müssen öffentliche Strukturen geschaffen werden, die sich an klare Standards halten."

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