Baurecht:Wie viel Beton verträgt der Wörthsee?

Lesezeit: 2 min

Am Wörthseeufer stehen reihenweise "opulente Bauten", wie der Seefelder Bürgermeister sagt. Eine weitere Bebauung lehnt die Gemeinde deshalb ab. (Foto: Arlet Ulfers)

Im Uferbereich sind mächtige Villen entstanden. Die Gemeinde Seefeld geht deshalb nun restriktiv mit Bauanträgen um - allerdings mit Kollateralschäden.

Von Christian Deussing , Seefeld

Seit dreieinhalb Jahren kämpft Patrik Welz darum, auf seinem mehr als 2000 Quadratmeter großen Grundstück in der Nähe des Paradieswinkels am südöstlichen Zipfel des Wörthsees ein kleines Einfamilienhaus zu bauen. Das Areal, auf dem der 44-Jährige bereits mit seiner Familie wohnt, befindet sich nicht direkt am Seeufer, sondern erst in vierter Reihe oberhalb an der Wörthseestraße im Seefelder Ortsteil Hechendorf. Doch mit der Gemeinde liegt der Eigentümer im heftigen Clinch, weil sie seinen Bauantrag für ein zweites Haus auf dem Areal am Ortsrand ablehnt. Dagegen klagt der Hechendorfer vor dem Verwaltungericht München. Er verweist auf "unzulässige Festsetzungen und gravierende Abwägungsfehler" der Gemeinde im Bebauungsplan "Wörthseeufer", den Welz und seine Anwälte deshalb für unwirksam halten.

Patrik Welz wohnt mit seiner Frau Katarina und Tochter Maja in der Wörthseestraße. In ihrem großen Garten würden sie gerne noch ein Haus bauen - dürfen aber nicht. (Foto: Arlet Ulfers)
Theoretisch wäre neben dem Haus der Familie Welz noch Platz für Nachverdichtung. Die Baugenehmigung verweigert die Gemeinde aber. (Foto: Arlet Ulfers)

Dass die Verwaltungsrichter dies auch so sehen könnten, hat das Rathaus mittlerweile als Gefahr erkannt - und deshalb die Notbremse gezogen. Der Gemeinderat beschloss daher nun einstimmig, einen rechtssicheren B-Plan sowohl für den nördlichen, als auch für den südlichen Teil des Gebietes aufzustellen und somit langfristig den "sensiblen Seeuferbereich in seinem ökologischen und naturräumlichen Zusammenhang zu erhalten und zu regenerieren".

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Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde kurz vor der mündlichen Verhandlung im Verwaltungsgericht im "Teil Süd" sowie im "Teil Nord" für insgesamt etwa 30 Grundstücke noch eine Veränderungssperre erlassen. Damit will die Gemeinde dem "wachsenden Siedlungsdruck sowie den hohen Begehrlichkeiten", auf hochwertigen Seegrundstücken baulich nachzuverdichten, einen Riegel vorschieben. Stattdessen sollen sich Wohnbauentwicklung und Nachverdichtung auf die Hauptorte Seefeld und Hechendorf konzentrieren, so der Ratsbeschluss.

"Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagt der Kläger

Der Beschluss betrifft unter anderem auch Patrik Welz. Der Luftfahrt-Ingenieur wurde von der Entscheidung kalt erwischt, wie er sagt. Er fühlt sich mit seinem Anliegen erneut ausgebremst, brüskiert und ungerecht behandelt. Der Vorsitzende Richter Johann Oswald betonte jedoch im Prozess am Verwaltungsgericht, dass die Gemeinde wohl in diesem Bereich keine weitere Bebauung wünsche und daher diese Karte gezogen habe. Die 11. Kammer schlug dem Kläger nun vor, sich mit der Kommune gütlich zu einigen und eine Lösung zu finden.

Neun Grundstücke wurden aus dem Bebauungsplan herausgenommen. Warum - das weiß man in der Gemeinde heute nicht mehr. Dort sind jedenfalls üppige Wohnbauten entstanden. (Foto: Arlet Ulfers)

"Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagt der Hechendorfer, "am See unten stehen Monsterbauten und ich bin in der vierten Reihe und darf nichts machen." Seine Anwälte führen in der Klage an, dass früher zu Unrecht neun von 22 Grundstücken am Seeufer aus dem geltenden Bereich des Bebauungsplans herausgenommen worden seien und es damit möglich geworden sei, diese Grundstücke massiv baulich zu verdichten - indem darauf Ein- und Mehrfamilienhäuser errichtet werden konnten - was auch weiterhin geschehe.

Aber genau dieser Umstand widerspreche doch dem Ziel des Bebauungsplans, den Seeuferbereich zu schützen und zu regenerieren, heißt es in der 67-seitigen Klageschrift, die Welz und sein Anwalt ausgearbeitet haben. Überdies werde nicht berücksichtigt, dass die Grundstücke des unmittelbaren Seeuferbereichs zum erheblichen Teil im Landschaftsschutzgebiet lägen und die durchschnittliche Grund- und Geschossflächenzahl mindestens doppelt so groß sei wie das Grundstück der Familie Welz weit weg von der Uferzone, das sich in Gänze nicht im Landschaftsschutzgebiet befinde.

Auch Seefelds Bürgermeister Klaus Kögel räumt ein, dass im nördlichen Teil des Seeufers "opulente Bauten" entstanden und lange vor seiner Amtszeit aus unerfindlichen Gründen etliche Grundstücke von dem Bebauungsplan ausgespart worden seien. So hätten die Eigentümer damals nach Paragraf 34 handeln können, erläutert der Rathauschef. Ein Vorhaben ist demnach zulässig, wenn sich Bauweise und Maß in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird.

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