Bayerisches Jugendrotkreuz:"Youth on the Run"

Junge Menschen werden in Marzling an einem Wochenende im Juli in die Rolle von Menschen auf der Flucht schlüpfen - und so deren Not und Hilfsbedürftigkeit besser verstehen lernen.

Von Gudrun Regelein, Marzling

Menschen auf der Flucht: Die Erfahrungen, die auf diesem langen Weg gemacht werden, sind extrem. Behördenwillkür beispielsweise, Erniedrigungen, Nahrungs- und Schlafentzug und das Gefühl, ausgeliefert zu sein, gehören dazu. Bei dem Bildungsprojekt "Youth on the Run" werden Jugendliche und junge Erwachsene mit Situationen konfrontiert, die den realen Fluchterlebnissen nachempfunden sind. Sie übernehmen bei einer 24-Stunden-Simulation die Rolle von Flüchtlingen aus Somalia. Erstmals wird dieses Projekt nun auch in Bayern am 9. und 10. Juli über die Bühne gehen - und zwar in Marzling.

Empathie für Flüchtlinge

Konzipiert wurde "Youth on the Run" vor mehr als 30 Jahren vom dänischen Pädagogen Steen Cnops Rasmussen, berichtet Daniela Frei vom Bayerischen Jugendrotkreuz. Gedacht war es ursprünglich für Schulklassen. Rasmussen überließ dieses Konzept dann aber dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes. In Irland, Italien und Belgien beispielsweise fand das Rollenspiel bereits statt - in Deutschland beispielsweise in Westfalen.

"Youth on the Run" will einen Denkanstoß zur Beschäftigung mit dem Thema Flucht geben, das aktuell auch in Europa und in Deutschland durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine präsenter wird. Die jungen Teilnehmer, von denen sich bereits einige ehrenamtlich in der Flüchtlingsbetreuung engagieren, lernen bei dem Rollenspiel die Not, die Bedürftigkeit, die Hilflosigkeit und Abhängigkeit der Menschen auf der Flucht kennen. "Vorurteile sollen nachhaltig abgebaut und Empathie für geflüchtete Menschen aufgebaut werden", erklärt Frei.

Neue Identitäten für die Teilnehmer

Bislang haben sich 25 junge Mitglieder des Jugendrotkreuzes für die Premiere in Bayern angemeldet. Sie werden zu Beginn des Projektes ausführlich gebrieft, erhalten beispielsweise Information über Somalia und die dortige Situation - und erfahren den Grund für ihre Flucht. Dann werden die Rollen verteilt, die jungen Teilnehmer bekommen neue Identitäten und werden "Familien" zugeordnet. Ihre "Flucht" - jede Familie wird durch einen Instruktor begleitet - beginnt dann am Nachmittag. Erste Station ist die staatliche Behörde im Heimatland, danach geht die mühsame Reise durch verschiedene Länder weiter nach Deutschland.

Dabei müssen Grenzkontrollen passiert werden oder die Familie wird von einer militärischen Patrouille aufgehalten. Nach einem Zwischenstopp in einer Flüchtlingsunterkunft im Jemen am frühen Abend führt der Weg weiter, bis die Familien gegen Mitternacht in Deutschland - dem BRK-Katastrophenschutzzentrum in Marzling - ankommen. Bis in die frühen Morgenstunden muss dann noch das bürokratische Prozedere überstanden werden: Danach werden die Familien abgewiesen - oder sie dürfen bleiben.

Kaum Schlaf, wenig zu essen

Die 24-Stunden-Simulation solle möglichst realistisch sein, "es gibt kaum Schlaf, nur wenig zu essen", sagt Frei. Am Sonntagvormittag findet schließlich noch eine Evaluation statt, das Spiel wird ausgewertet. Situationen und Umstände werden hinterfragt, die Teilnehmer berichten, wie sie mit den vielen physischen und psychischen Herausforderungen zurechtkamen.

Am Samstag werden in den Abendstunden und nachts bis etwa zwölf Uhr auf den Straßen, Feldwegen in und um Marzling und den angrenzenden Isarauen kleinere Gruppen zu je fünf bis sechs Personen, teils auch in Verkleidung, unterwegs sein. Die örtliche Polizei und die Feuerwehr sind bereits informiert und begleiten das Geschehen.

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