Akademie-Präsident Nerdinger:"Es handelt sich also um einen eindeutigen Vertrauensbeweis"

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Winfried Nerdinger, Präsident der Akademie der Schönen Künste und emeritierter Professor für Geschichte der Architektur und Baukonstruktion. (Foto: Robert Haas)

Winfried Nerdinger geht in die zweite Amtszeit als Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er sieht sich durch das Wahlergebnis bestätigt. Doch ist tatsächlich Ruhe eingekehrt unter deren Mitgliedern?

Interview von Sabine Reithmaier, München

Winfried Nerdinger, 77, ist im Mai als Präsident der Akademie der Schönen Künste wiedergewählt worden. Ruhe ist damit in der von internen Kämpfen geprägten Akademie nicht eingetreten. Mitglieder wie der Komponist Moritz Eggert und die Schriftstellerin Petra Morsbach üben weiterhin Kritik am Führungsstil des ehemaligen Gründungsdirektors des Münchner NS-Dokuzentrums und emeritierten Professors für Geschichte der Architektur und Baukonstruktion. Bis Nerdinger Zeit findet, auf Fragen zu antworten, die sich in diesem Zusammenhang entstehen, bedingt er sich einige Wochen Zeit aus. Doch er gibt sie.

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SZ: Glückwunsch zu Ihrer Wiederwahl. Finden Sie es bedauerlich, dass Sie keinen Gegenkandidaten hatten?

Winfried Nerdinger: Warum sollte ich das bedauern? Alle wahlberechtigten Mitglieder wurden zur Kandidatur und Wahl schriftlich eingeladen, offensichtlich bestand nicht das geringste Interesse an einer weiteren Kandidatur. Es handelt sich also um einen eindeutigen Vertrauensbeweis.

68 Prozent der Mitglieder haben Sie gewählt. Das heißt, ein Drittel der Mitglieder steht nicht hinter Ihnen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum viele Sie so kritisch sehen?

Das ist eine falsche Schlussfolgerung. 87 Mitglieder haben mit Ja, und 27 mit Nein gestimmt. Das ist eine Mehrheit von 76 Prozent. In einer heterogenen Künstlersozietät wie der Akademie ist das ein großartiges Ergebnis, das mich ausgesprochen ehrt und unterstützt.

Sie lassen diejenigen außer Acht, die gar nicht gewählt haben. Aber kommen wir zu Ihren Plänen für Ihre nächsten Jahre als Präsident. Worauf wird der Schwerpunkt liegen?

Die Planung des Programms der Akademie erfolgt über die Mitglieder der fünf Abteilungen und wird von den jeweiligen Direktoren umgesetzt. Der Präsident kann mit eigenen Veranstaltungen Akzente setzen, das habe ich gerade gemacht mit einer Vortragsreihe über die brennende Frage "Gibt es ein Recht auf Wohnen?", und das werde ich fortsetzen mit einer Reihe über "Nationale Kultur? Missbrauch und Instrumentalisierung" sowie mit Vorträgen über die bedrohte Kultur in der Ukraine. Außerdem bereite ich ein Programm "Junge Akademie" mit Stipendien und einem Aufenthalt in einem kürzlich von der Akademie geerbten Haus vor.

Sie hatten bei Ihrem Antritt angekündigt, den Frauenanteil steigern zu wollen. Ist das geglückt?

Neue Mitglieder werden von den einzelnen Abteilungen vorgeschlagen und in geheimer Wahl von allen ordentlichen Mitgliedern der ganzen Akademie gewählt. Eine direkte Einflussnahme ist somit nicht möglich. Der Frauenanteil erhöht sich jedoch kontinuierlich, in diesem Jahr wurden mehr Frauen als Männer neu gewählt.

Laut Geschäftsordnung der Akademie ist es den Mitgliedern unter Androhung eines vorübergehenden Ausschlusses verboten, über Inhalte der Sitzungen oder den Sitzungsverlauf mit Dritten zu sprechen. Welchen Grund gab es, die Geschäftsordnung im Jahr 2020 so zu verschärfen?

Da sind Sie falsch informiert. Die Geschäftsordnung wurde nicht verschärft, sondern für die Akademie überhaupt erst 2020 eingeführt. Dies geschah auf Antrag der Abteilung Musik, da ein Mitglied personenbezogene Interna veröffentlichte. Die Akademie vergibt entsprechend ihrer Aufgabe Preise, Ehrungen, Stipendien, Aufträge, es werden Gutachten erstellt, Ausstellungen bewertet, Veranstaltungen konzipiert und neue Mitglieder gewählt. In den Abteilungen wird somit ständig über Personen gesprochen, da ist Diskretion zum Persönlichkeitsschutz nicht nur notwendig, sondern auch juristisch zwingend erforderlich. Im Übrigen handelt es sich um keinen Ausschluss aus der Akademie, sondern um eine kurzfristige Einschränkung der Teilnahme an Abteilungssitzungen.

Sind die Mitglieder dazu gefragt worden?

Die Einführung einer bei Körperschaften üblichen Geschäftsordnung ist vom Direktorium, das heißt also von den gewählten Vertretern der Akademie, einstimmig beschlossen worden.

Die Akademie beklagt ihre geringen finanziellen Mittel. Laut Aussage des Ministeriums hat die Akademie der Schönen Künste im Haushaltsjahr 2020 vom Freistaat Bayern insgesamt rund 865 000 Euro erhalten, die Räume in der Residenz stehen mietfrei zur Verfügung. Wie viel von dieser Summe bleibt für Veranstaltungen übrig?

Die Akademie beklagt sich nicht, sondern bemüht sich wie jede Organisation oder Körperschaft darum, dass der laufende Etat den ständig steigenden Kosten angepasst wird. Von den Mitteln des Freistaats ist das meiste durch Fixkosten für Personal, Gebäudeunterhalt und vieles andere gebunden. Für Veranstaltungen stehen aus dem Staatsetat etwa 60 000 Euro jährlich zur Verfügung.

Ein weiterer wichtiger Förderer ist die Baur-Stiftung, die mit einem Fünftel ihrer Stiftungserträge die Akademie unterstützt. Die Erträge sind sicher schwankend, aber können Sie uns eine Größenordnung nennen, innerhalb der sich diese Summe bewegt?

Fragen bezüglich der Baur-Stiftung beantwortet Ihnen gerne der Vorsitzende der Stiftung.

Gibt es einen Vertrag oder eine schriftliche Festlegung, wie viel von den Zuwendungen der Baur-Stiftung zur Förderung der Kultur wieder nach Oberfranken gehen muss?

Es gibt einen eigenen Oberfranken-Etat der Stiftung, über den wir nicht verfügen.

Wie viel Geld wird im Schnitt in München für Veranstaltungen ausgegeben, wie viel in Oberfranken?

Die Akademie führt jährlich circa 70 bis 80 öffentliche Veranstaltungen durch. Bei in der Regel kostenlosem Besuch bietet sie eines der besten und vielseitigsten Kulturprogramme in Bayern an. Die Veranstaltungen kosten je nach Abteilung zwischen 1500 und 8000 Euro, bei Ausstellungen erheblich mehr. Für die Kosten der Veranstaltungen in Oberfranken ist die Stiftung zuständig.

Ist es richtig, dass die Konzerte in Oberfranken deutlich besser honoriert werden als in München?

Es werden nicht Konzerte, sondern Honorare von Künstlern bezahlt, über die grundsätzlich keine öffentlichen Auskünfte erteilt werden.

Welche Aufgabe hat die Akademie bei dem Festival Lied & Lyrik?

Es handelt sich um ein Festival der Baur-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Akademie, die Vorschläge macht. Entscheidungen trifft die Stiftung, an der Organisation sind beide Einrichtungen beteiligt.

In manchen lokalen Presseberichten über das Festival wird die Generalsekretärin der Akademie als künstlerische Leiterin genannt. Ist sie dazu von der Akademie ernannt worden?

Die Generalsekretärin hat ehrenamtlich und zusätzlich auf Wunsch und Bitte der früheren Präsidenten sowie der Baur-Stiftung und in Abstimmung mit den Direktoren, also den gewählten Repräsentanten der Mitglieder, die Betreuung übernommen, da sich kein Mitglied für diese immense Arbeit zur Verfügung gestellt hat.

Wurden oder werden die Mitglieder regelmäßig gebeten, sich dort zu engagieren?

Jedes Mitglied war und ist über die Veranstaltungen informiert beziehungsweise kann sich informieren und hat immer die Möglichkeit, einen Antrag zur Mitwirkung zu stellen. Etwa 30 Mitglieder aus allen Abteilungen haben sich im Laufe der Jahre in die Veranstaltungen in Oberfranken eingebracht. Engagieren muss sich jeder und jede schon selber.

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