Fußball-WM in Katar:"Die Umsetzung ist mangelhaft"

Fußball-WM in Katar: Umstrittene Baustellen: Bei der Konstruktion der Stadien für die Fußball-WM in Katar - hier das Khalifa International Stadium westlich von Doha vor fünf Jahren - sollen Rechte von Arbeitsmigranten massiv verletzt worden seien.

Umstrittene Baustellen: Bei der Konstruktion der Stadien für die Fußball-WM in Katar - hier das Khalifa International Stadium westlich von Doha vor fünf Jahren - sollen Rechte von Arbeitsmigranten massiv verletzt worden seien.

(Foto: Bernd Feil/M.i.S./Imago)

Eine Anhörung im Sportausschuss des Bundestages zeichnet ein düsteres Bild des WM-Ausrichters: Katar verletzte weiter systematisch Menschenrechte, Fußballverbände machten sich der "stillen Komplizenschaft" schuldig.

140 Tage vor dem Beginn der Fußball-WM in Katar hat eine Anhörung vor dem Sportausschuss des Bundestags ein düsteres Bild des Endrundenausrichters gezeichnet und den Weltverband Fifa an den Pranger gestellt. Vor allem die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) warf dem Land vor, Menschenrechte anhaltend zu verletzen. Laut der Organisation habe es ab 2017 zwar Fortschritte gegeben, diese seien jedoch zum Teil schon wieder rückgängig gemacht worden. "Die Umsetzung der Reformen ist mangelhaft. Wir sehen eine Stagnation", sagte AI-Expertin Katja Müller-Fahlbusch.

"Innerhalb der katarischen Wirtschaft formiert sich zunehmend Widerstand gegen die Reformen - aus Sorge, Einfluss und Profit-Möglichkeiten zu verlieren", schreibt AI in einer schriftlichen Analyse. Trotz anderslautender gesetzlicher Bestimmungen würden die Rechte von Arbeitsmigranten weiter massiv verletzt. Dies bleibe für katarische Arbeitgeber "in aller Regel straflos und ohne Konsequenzen". Amnesty erkennt zwar an, dass die katarische Regierung zentrale Reformen des Kafala-Systems angestoßen hat, "spürbare Verbesserungen" gebe es aber fast nur auf den direkten WM-Baustellen. Dabei handele es sich lediglich um "etwa zwei Prozent" aller Arbeitsmigranten.

AI prangert zudem an, dass "70 Prozent aller Todesfälle nicht untersucht werden". Deshalb fordert Amnesty von der Fifa "ein umfassendes Entschädigungsprogramm" für sämtliche Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der WM. Bei künftigen WM-Vergaben müsse die Menschenrechtslage zudem besser berücksichtigt werden. Trotz der damals bereits bekannten Lage in Katar seien bei der WM-Vergabe "keinerlei Bedingungen" gestellt worden. Hunderttausende Arbeitsmigranten hätten "massive Menschenrechtsverletzungen" erlitten, die "in unmittelbarem Zusammenhang" mit der WM stehen.

Die DFB-Generalsekretärin verspricht: "Die Mannschaften werden Zeichen setzen."

Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung fand deutliche Worte. "Die Menschenrechtslage ist besorgniserregend", sagte Luise Amtsberg. In ihrem schriftlichen Bericht kritisierte die Grünen-Politikerin vor allem die Fifa. Die WM hätte 2010 "niemals an diesen Staat vergeben werden dürfen", heißt es darin: "Der Schutz von Menschenrechten muss künftig zentrale Maßgabe bei der Vergabe werden." Weitere Experten kritisierten die Fifa, Katar, Sponsoren, auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Dabei ging es unter anderem um den Vorwurf der "stillen Komplizenschaft" mit autoritären Regimen.

Kritik kam am Montagabend vom katarischen Botschafter in Deutschland, Abdulla bin Mohammed Al-Thani. "Ich hätte mich gefreut, wenn ich oder jemand aus dem OK eingeladen worden wäre", sagte er in München, ein Dialog sei nur im persönlichen Austausch möglich. Aus Berlin hieß es auf SZ-Anfrage indes, dass das OK sehr wohl zur Debatte eingeladen worden war: in Person von Hassan Al-Thawadi, dem Generalsekretär des WM-Organisationskomitees.

Der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte schon vor der Anhörung, an der die DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich teilnahm, seine Haltung im kicker untermauert. Laut des 60-Jährigen könne man schon heute "mit Sicherheit sagen, dass es eine der umstrittensten Weltmeisterschaften ist, die bisher stattgefunden haben". Die Reise Ullrichs in der vergangenen Woche nach Katar habe laut Neuendorf gezeigt, dass "sich einiges bei den Arbeitsbedingungen verbessert" habe. "Aber viele Gesetzesänderungen werden nur unzureichend umgesetzt", so Neuendorf: "Und bei Frauenrechten, Pressefreiheit oder der LGBTIQ+-Thematik zeigten sich weiter deutliche Differenzen."

Neuendorf plant vor der Endrunde eine Reise mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Doha. Zudem wollen die europäischen Teilnehmer gemeinsam auf die Menschenrechtslage hinweisen. "Bis zum Herbst werden wir die Ideen der europäischen Mannschaften sammeln", sagte Ullrich: "Die Mannschaften werden Zeichen setzen."

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