Deutschland bei der Fußball-EM:Zu Gast beim Duke von Northumberland

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Ankunft in London: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (Mitte) und die deutschen Spielerinnen. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die deutschen Fußballerinnen erreichen England in der Hoffnung, sich besser zu präsentieren als bei den beiden vergangenen großen Turnieren - und am letzten Julitag noch im Wembley-Stadion spielen zu dürfen.

Von Anna Dreher, London

Der Mann war äußerst elegant gekleidet, gepflegter Bart, dunkelblauer Anzug, Krawatte, schickes Hemd. Nur half ihm das nicht, durch den kleinen Seiteneingang ins Hotel zu gelangen. Das schwarze Tor mit extra angebrachten Sichtschutzplanen stand offen - aber eben nicht für jeden. Der Bewacher des Tores musste im Laufe des Nachmittags noch anderen, ebenso elegant gekleideten Menschen einen alternativen Weg zum Hotel weisen, wo am Sonntag offenbar eine Hochzeit stattfand. Bis schließlich die einzige Gesellschaft mit exklusivem Eintritt durch diese Pforte um 17.20 Uhr ankam: das deutsche Fußballnationalteam der Frauen.

Zwischen dicht gewachsenen Büschen auf der einen und einer dicken Backsteinmauer auf der anderen Seite fuhr der große, weiße Bus die schmale Straße entlang und stoppte auf Höhe des Tores. Als Erste kam Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg heraus und begrüßte nach der in Frankfurt per Charterflieger gestarteten Reise diejenigen aus der Delegation, die etwas früher im Quartier für die Europameisterschaft in England angekommen waren. Eine Nationalspielerin nach der anderen folgte der 54-Jährigen, bis Kapitänin Alexandra Popp mit einem freundlich, lockeren "Hallo!" den Abschluss bildete.

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Es ist keine ungewohnte Umgebung, in der sich die deutsche Auswahl am Sonntag eingefunden hat. Im Hilton London Syon Park wohnte sie bereits 2019 für das Länderspiel gegen England. Eine Bleibe also, die mit guten Erinnerungen verbunden ist: Damals kamen fast 78 000 Zuschauer ins beinahe voll besetzte Wembley, die Deutschen gewannen 2:1. Auch an diesen Ort würden sie gerne zurückkehren, in diesem Stadion findet am 31. Juli das Finale statt - und dieses Turnier soll besser laufen als die vergangenen. Bei der EM 2017 gegen Dänemark und bei der WM 2019 gegen Schweden war jeweils bereits im Viertelfinale Schluss.

Im Idealfall bis zum Halbfinale soll das Vier-Sterne-Hotel im Westen der britischen Hauptstadt zum Basislager werden

Wenn auch aus EM-Titel Nummer neun und WM-Titel Nummer drei nichts wurde, die Rahmenbedingungen waren besser als bei den vorherigen Großereignissen. Vor 2017 war die Nationalelf teils mitten in der Stadt und auch mal in denselben Hotels wie die Konkurrenz untergebracht. 2022 reiht sich hierbei in die neuen Gegebenheiten mit idyllischer Umgebung ein, auch vom Grundgedanken: Im Idealfall bis zum Halbfinale soll das Vier-Sterne-Hotel im Westen der britischen Hauptstadt zum Basislager werden. Die Gruppenspiele gegen den EM-Zweiten Dänemark diesen Freitag (21 Uhr, ZDF) und Titelkandidat Spanien (12. Juli) finden im nahegelegenen Brentford Community Stadium mit 17 000 Plätzen statt. Vor einem potenziellen Viertelfinaleinzug geht es gegen Finnland (16. Juli) noch nach Milton Keynes.

"Ich glaube, dass das ein Ort ist, an dem wir uns wohl fühlen können und werden", sagte Linda Dallmann, nachdem sie das schwarze Tor durchschritten hatte. "Gerade bei einem Turnier ist das ganz wichtig. Dass wir schon mal hier waren, macht es einfacher." Dem Nationalteam steht ein abgetrennter Bereich zur Verfügung, ein Seitenflügel mit Balkonen, Terrasse und Garten, die Spielerinnen schlafen in Einzelzimmern.

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Antwortgeberin nach der Ankunft: Linda Dallmann ist seit Sonntag mit dem Nationalteam in London. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Der 56 Hektar große Syon Park mit Café und Souvenirshop grenzt an die Themse, und wäre da nicht immer wieder dieser Lärm der Richtung Heathrow fliegenden Flugzeuge, man würde sich auf dem Gelände des Duke von Northumberland nicht in einer Metropole wähnen. Die weitläufigen Wiesen mit großen Bäumen und der See - die Landschaft rund um das einer Burg ähnelnde Syon House wirken wie ein idealer Rückzugsort, um sich auf die bevorstehenden Aufgaben vorzubereiten.

"Es wird bei dieser EM sehr eng werden und auch auf Spielglück und Kleinigkeiten ankommen. Wir werden coole Gegner haben, die richtig was können", hatte die Bundestrainerin im SZ-Interview gesagt. Dass Deutschland bei einem Turnier wie selbstverständlich gewinnt, sei eben schon länger nicht mehr der Fall. Tatsächlich gilt es für ihr Team zunächst, die herausfordernde Gruppenphase erfolgreich zu bestreiten. Das erste Ziel lautet daher Viertelfinale. "Wir wissen, dass unsere Gruppe alles andere als leicht wird", sagte Abwehrspielerin Kathrin Hendrich. "Aber wir müssen uns auch nicht verstecken."

Auf der Plus-Seite: Diesmal hatte das Team deutlich mehr Zeit, sich kennenzulernen, insgesamt waren es drei Jahre

Im Vergleich zu 2017 und 2019 hat sich eine Sache durchaus verändert: Bei der bis dato letzten EM mit Steffi Jones (zehn Monate) und bei der WM mit Martina Voss-Tecklenburg (fünf Monate) hatte das Nationalteam keine lange gemeinsame Vorbereitungsphase und musste sich erst kennenlernen, zudem hatte sich der Kader verändert. Diesmal blicken die DFB-Frauen auf drei Jahre Vorbereitung zurück, die im Juni abgerundet wurde mit drei Trainingslagern und einem 7:0 im Test gegen die Schweiz. "Letztendlich wurden unsere Erwartungen übertroffen. Wir konnten viele, viele Themen bearbeiten", sagte Voss-Tecklenburg ein paar Tage vor dem Abflug. "Wir haben die Zeit intensiv genutzt, und das hat uns gutgetan."

Die Schweizerinnen bereiteten zwar kaum Probleme, die Defensive war im Prinzip nicht gefordert. Trotzdem zeigte sich: Die Abstimmung der Deutschen klappt besser, das Spiel läuft flüssiger und wirkt stringenter. Alles, was noch nicht nach den eigenen Vorstellungen lief, soll in den kommenden Tagen behoben werden, damit der Auftakt gegen Dänemark um die frühere Wolfsburger Stürmerin Pernille Harder gelingt. Die erste Trainingseinheit fand am Montag auf der Anlage des Grasshoppers Rugby Football Clubs statt. "Wenn wir unsere Qualitäten auf den Platz bringen und auch diese Spielfreude, die wir gegen die Schweiz gezeigt haben", sagte Svenja Huth am Montag, "dann gibt es nur einen Sieger - und das sind wir."

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