Messe München:Die Sonderausstellung Schmuck ist zurück

Messe München: Auffallend giftig: Petra Zimmermanns Fliegenpilzring.

Auffallend giftig: Petra Zimmermanns Fliegenpilzring.

(Foto: Internationalen Handwerksmesse München)

Die Ausstellung auf der Internationalen Handwerksmesse gilt als Zentrum zeitgenössischer Schmuckkunst. Erstmals werden Stücke von allen fünf Kontinenten gezeigt.

Von Ira Mazzoni

Eine Brosche aus gepresstem Staub! Die Chinesin Yi Cao bildet damit eine E-Cloud ab, die genauso vergänglich ist wie alles Leben. Eine Kette aus Flaschenhälsen und Schraubverschlüssen: Veronika Fabian aus Ungarn erinnert damit nicht nur an eine lange Nacht, sondern auch an Momente, die Menschen verbinden, in denen Gemeinschaft gefeiert wird. Mit einem ungewöhnlich schweren, in schwellenden Formen frei endenden Halsschmuck aus Stahl, Baumwollschnüren und Acryllack reflektiert Jieun Park ihre Gefühle als heranwachsende junge Frau in der koreanischen Gesellschaft.

Die Sonderausstellung Schmuck ist nach langer Covid-Pause zurück. 1959 von Kunsthistoriker Herbert Hofmann ins Leben gerufen, hat diese kuratierte Ausstellung auf der internationalen Handwerksmesse München (IHM) zum Zentrum zeitgenössischer Schmuckkunst gemacht. Seit 2006 hat die Danner-Stiftung die Trägerschaft und damit auch die Finanzierung dieser einzigartigen Schau übernommen. Einmal in Jahr kommen Künstler, Galeristen, Sammler und Museumskuratoren aus aller Welt zusammen. In der ganzen Stadt wird Autorenschmuck zelebriert: In den Ateliers der hier ansässigen Künstler, in spezialisierten Galerien, in freien Ausstellungsräumen, den Museen und selbstverständlich auf der Straße. Jetzt heißt es wieder Augen auf in der U-Bahn und auf den Terrassen der Cafés.

Messe München: Stahl, Baumwollschnüre und Acryllack: Der Schmuck von Jieun Park hat starke Bezüge zur koreanischen Gesellschaft.

Stahl, Baumwollschnüre und Acryllack: Der Schmuck von Jieun Park hat starke Bezüge zur koreanischen Gesellschaft.

(Foto: JBC/JBC)

Die diesjährige Ausgabe der Schmuck-Woche ist die nachgeholte des Jahres 2021. Damals wegen der Pandemie kurzfristig abgesagt und in diesem März aus gleichem Grund verschoben, kann sie nun endlich dem Publikum vorgestellt werden. Kuratiert wurde sie von der in München ansässigen australischen Künstlerin Helen Britton. Aus 670 Bewerbungen hat sie 63 starke Stücke für die Ausstellung ausgewählt. Die Künstlerinnen und Künstler kommen aus 23 Ländern und erstmals von allen fünf Kontinenten. Helen Britton hat Werke gewählt, "die an diesem Tag, in diesem Moment etwas" in ihr "zum Klingen gebracht haben". Freundschaft und Bekanntheitsgrad sollten ihre Auswahl nicht beeinflussen. Eigener Geschmack auch nicht. Sie filterte Stücke heraus, die ihr den Eindruck vermittelten, dass die Urheber keine andere Wahl hatten, als die Arbeit genau so zu gestalten, wie sie ist. Jedes Unikat ist mit großer Ernsthaftigkeit sublimierte Lebenszeit. Und manchem Werk wohnt das Trauma der pandemischen Isolation inne. So hat die große Dame der Paduaner Schmuckkunst, Annamaria Zanella, ein textiles Collier eingereicht, dessen verträumt lapislazuliblauen Glieder von Goldstäben auf Distanz gehalten werden.

Besonders gefreut hat Helen Britton, dass sich diesmal auch Kunstschaffende der First Nations beworben hatten. Wie oft schon wurden Amulette und Talismane im zeitgenössischen Schmuck zitiert. Es ist an der Zeit, aus dem kolonialen Schatten zu treten und die Künstlerinnen und Autoren wahrzunehmen, die sehr bewusst in der Tradition ihrer mehrfach gebrochenen Kulturen leben und arbeiten. Sie haben ein Recht als gleichberechtigte zeitgenössische Stimmen wahrgenommen zu werden. So trifft einen zwischen filigransten Goldschmiedearbeiten und flirrenden Neonbroschen westlicher und asiatischer Provenienz die Wucht großer scheibenförmiger Ohrringe von Lisa Waup, die versucht, die fehlenden Geschichten ihrer Ahnen mit der intensiven Hinwendung zur australischen Natur zu kompensieren. Fast übersehen könnte man das kulturelle Gewicht, das die Perlenarbeiten von Akwele Suma Glory haben. Die Ghanaerin hat bereits mit zehn Jahren von ihrer königlichen Großmutter die Herstellung von Perlen, dem traditionellen Zahlungsmittel, gelernt.

Messe München: Peter Bauhuis hat seine Broschen als kleinen Fliegenschwarm konzipiert.

Peter Bauhuis hat seine Broschen als kleinen Fliegenschwarm konzipiert.

(Foto: Internationalen Handwerksmesse München)

Die Sonderausstellung Schmuck ist eine Feier der Diversität. Da gibt es die Neon-Broschen von Ryangjae Jung, deren feine Kettenglieder aus dem 3-D-Drucker gewonnen wurden. Vom Goldschmied kunstvoll gebündelt ergeben sie fantastische Broschen, die durch die Bewegung des Körpers Leben gewinnen. Wie aus einer anderen Welt wirken die matten Silberarbeiten des Japaners Fumiki Taguchi. Auch sie wirken auf den ersten Blick, als seien sie programmiert worden. Doch die reinweißen Skelette sind exakt von Hand geschnitten und gebaut.

Es gibt ganz leise Arbeiten wie die erdigen Anhänger von Pedro Sequiera oder die ganz verschlossenen Objekte des in München ansässigen Junwon Jung, die erst in der Entfaltung ihr zweites Wesen als Schmuck offenbaren und in einer Vitrine eher verloren sind. Freudesprühend sind hingegen die zu großem Halsschmuck verarbeiteten Perlenstickereien des Franzosen Sebastian Care. Graphisch vibrierend überzeugen die vielfach verschlungenen Gummiketten von Silke Trekel als Körperkunst. Mit starken Stücken sind auch wieder Künstler vertreten, die an der Münchner Akademie ausgebildet wurden: Karl Frisch mit gewaltigen Ringen, Peter Bauhuis mit einem kleinen Fliegenschwarm und Bettina Dittlmann mit einer Magnetbrosche, auf der sie verführerisch funkelnde Pyritsplitter, sogenanntes Narrengold, versammelt hat.

Diese Woche wird eine hochrangige Jury aus den ausgestellten 63 Arbeiten drei Positionen auswählen, die am Samstag mit dem renommierten Herbert-Hoffmann-Preis ausgezeichnet werden.

Messe München: "King Nebuchadnezzar 1" heißt diese Goldarbeit von Robert Baines.

"King Nebuchadnezzar 1" heißt diese Goldarbeit von Robert Baines.

(Foto: Clare Martin Lapworth)

Eingebettet in die Sonderschau "Schmuck" ist wie üblich die exquisite Präsentation eines "Klassikers" - eines Künstlers, der schaffend und lehrend über viele Jahre Einfluss genommen hat. In diesem Jahr wird Robert Baines gefeiert, der in München durch etliche Ausstellungen kein Unbekannter ist. Er gehört seit langem zu den "Amigos" der Galerie Biró. Der Australier hat sich wissenschaftlich archäologisch in die Techniken vor allem etruskischer und altgriechischer Goldschmiede vertieft und hat diese praktisch für seine Zwecke neu interpretiert und wiederbelebt. In Australien bekam er den Ehrentitel eines "Living treasure". Seine aus linearen Elementen räumlich aufgebauten, verwirrend detaillierten und vielschichtigen Arbeiten stecken voller literarischer, mythologischer Anspielungen. Bei jedem Stück merkt man, dass Schmuck für Baines immer "Nahrung", "Fest" und "Freude" war und ist. Lustvoll hat er in seinen maskenähnlichen Broschen gezeigt, wie Farbe den Charakter gleicher Stücke radikal verändert.

Die Intensität und Komplexität seiner Werke macht sie zu ganz intimen Stücken, die nach und nach von denen erfasst werden, die sie besitzen und tragen, oder denen, die diesen Personen näher kommen dürfen. Die kleine, feine Ausstellung im Rahmen der Sonderausstellung Schmuck erlaubt aber zumindest lange, forschende Blicke in die Vitrinen, so dass ein Abglanz des Zaubers spürbar wird.

Sonderschau Schmuck, München, 6.- bis 10. Juli, Messe Ost, Halle B5, Weitere Sonderschauen der Gesellschaft für Handwerksmessen: Talente - Meister der Zukunft und Exempla (größte Sonderschau der IHK von Werkstätten aus aller Welt). Das Theatiner zeigt Fr., 8. Juli, 16 Uhr und So., 10. Juli, 11 Uhr, die Doku "Hunter from Elsewhere - a Journey with Helen Britton". Einen Überblick über das Angebot der Schmuck-Woche gibt www.hwk-muenchen.de/artikel/schmuck-2022-74,0,10540.html

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