Mitten in der Region:Die Ghettofaust hat ausgedient

Am Tag des Händeschüttelns steht manch einem nach zwei Jahren Abstinenz der Angstschweiß auf der Stirn.

Glosse Von Michael Morosow

Der Handschlag ist zurück. Zwei Jahre lang musste er sich in Hosen- und Jackentaschen verstecken, fristete ein kümmerliches Dasein als weltweit Geächteter, geliebt eigentlich nur vom Coronavirus. Statt seiner nahmen der gedämpfte Ellbogencheck und die kumpelhafte Ghettofaust die Begrüßung in die Hand. Jetzt aber werden wieder Hände geschüttelt, was das Zeug hält. Daumen hoch signalisieren die Anhänger des Händedrucks, anderen steht der Angstschweiß auf der Stirn, sie werden jüngst beim Tag des Händeschüttelns, dem National Handshake Day, nicht mitgefeiert haben.

Der Handschlag, so heißt es, sei die Visitenkarte eines Menschen. Es gibt dabei nicht nur viele feuchte Visitenkarten, die einem gereicht werden wie toter Fisch. Es gibt auch welche, die sehr schmerzhaft sein können, sobald man nach ihnen greift. Zum Beispiel, wenn das Gegenüber ein Kraftprotz mit Schraubstockhand ist und dein eigenes Händchen zusammenquetscht wie einst Seewolf Raimund Harmsdorf eine rohe Kartoffel und damit ebenso klar gegen die Empfehlungen von Moritz Freiherr von Knigge verstößt, wonach sich die Festigkeit des Händedrucks dem Gegenüber anpassen sollte. Und dann gibt es noch die Langzeitschüttler, die erst dann aufhören, eine arglos gereichte Hand durchzuschütteln, wenn man flehentlich darum bittet.

Weil nach zwei Jahren Corona-Pause vielleicht einige komplett vergessen haben, wie Händeschütteln geht, weitere geistige Handreichungen zum Thema: Der optimale Händedruck, so sagen die Körpersprache- und Kommunikationstrainer Caroline Krüll und Christian Schmid-Egger, sei fest. "Die Hand umfasst die Hand des anderen ganz, die Hände werden gerade gehalten. Die Arme sind abgewinkelt, zwischen beiden Personen ist eine mittlere, gesunde Distanz. Man schüttelt etwa drei Sekunden lang - und schaut dem anderen dabei in die Augen."

Der Handschlag also ist zurück, aber noch nicht in einer Weise wie vor Corona. Das lässt sich gut beobachten an Zeitgenossen, die wie bei Schnick-Schnack-Schnuck die Hand in Stellung bringen und dann, je nach der Reaktion des anderen, die Hand zur Faust ballen oder wie ein Blatt Papier entgegenstrecken. Für alle, die von Haus aus nicht grüßen: Am 1. August ist Weltmittelfingertag.

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