Hatespeech:Mann wünscht Polizisten den Tod - ein Jahr Haft

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Sie gehörten genauso erschossen wie ihre Kollegen in Kusel, brüllte der 35-Jährige den Beamten entgegen. Es war das erste Mal, dass wegen derartiger Hass-Reden in München verhandelt wurde.

Von Susi Wimmer

Wenn Lars H. trinkt, dann entgleisen seine Gedanken. Dann tauchen die Parolen der Schulhof-CDs aus seiner Thüringer Jugend wieder auf, behauptet er. Dann grölt er, dann randaliert er, dann beleidigt er eintreffende Polizisten in antisemitischer und rassistischer Art und Weise aufs Übelste. Was er den Polizisten im Februar dieses Jahres noch zusätzlich an den Kopf warf, brachte den 35-Jährigen nun in Windeseile vor das Amtsgericht München: Diese "Wichser" gehörten genauso erschossen wie die "Bastarde" in der letzten Woche, brüllte er und meinte damit die Beamten, die in Kusel bei einer Verkehrskontrolle erschossen worden waren. Unter anderem dafür verurteilte ihn das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr - ohne Bewährung.

Es war das erste Mal, dass wegen Hass-Reden in Bezug auf die beiden Tötungsdelikte in Kusel in München verhandelt wurde. Nachdem die beiden Polizisten Ende Januar 2022 zwei mutmaßliche Wilderer kontrolliert hatten und einer von ihnen das Feuer eröffnet hatte, hagelte es im Netz hämische und hasserfüllte Kommentare. In Rheinland-Pfalz installierte die Polizei eine Ermittlungsgruppe "Hatespeech", um herabwürdigende Kommentare strafrechtlich zu verfolgen. In München war Lars H. nun angeklagt unter anderem wegen Belohnung und Billigung von Straftaten in Tateinheit mit Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener.

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Was am 4. Februar 2022 im Kopf von Lars H. vorging, versuchte nun Amtsrichterin Cornelia Wölk zu ergründen. H. selbst sagt, er habe sich nach einem Streit via Skype mit seiner Schwester betrunken. "Ein, zwei, drei, vier Bier", erzählt er. Am Ende waren es zehn, noch dazu Jägermeister, allesamt also über 2,2 Promille. Aus Wut über den Streit habe er den Glastisch zu Boden geworfen, der sei lautstark zersplittert. H. meint, dass wegen der Lautstärke die Nachbarn die Polizei alarmiert hätten.

Oberstaatsanwalt Andreas Franck hingegen hat ermittelt, dass H. in dem Wohnanwesen an der Amalienstraße in der Maxvorstadt gegen Türen seiner Nachbarn gehämmert und gedroht haben soll, jemandem "die Kehle aufzuschneiden". Als die Polizei an seine Türe klopfte und klingelte, habe er das wohl nicht gehört, weil er Kopfhörer aufgehabt habe, meint H. vor Gericht. Also kamen die Polizisten über die Terrassentüre in seine Wohnung, sahen die zerstörte Einrichtung und dazu noch ein offenes Einhandmesser.

"Ich bin in dem Moment nicht klar gekommen", sagt H.

Wie ein Polizist vor Gericht aussagt, nahm Lars H. das Messer an sich, fuchtelte damit herum. Und er stieß laufend übelste Beleidigungen aus - und dass die Polizisten ebenso erschossen gehörten wie die Kollegen in der vergangenen Woche. Erst auf Androhung von Pfefferspray ließ H. das Messer fallen. Auch im weiteren Verlauf wehrte sich H. mit Händen und Füßen, warf mit Schuhen und grölte, er lasse sich nicht von "Kanaken" verhaften, "sondern nur von einem deutschen Staatsbürger". Die vier Polizisten stellten Strafantrag, ebenso die Angehörigen eines der getöteten Polizisten aus Kusel.

"Er räumt alle Vorwürfe ein", sagte Rechtsanwalt Nico Werning im Namen seines Mandanten. Als die Beamten in seiner Wohnung standen, sei er wütend geworden, sagt H. "Ich bin in dem Moment nicht klar gekommen und hab irgendwelche Sachen losgeredet", behauptet er. Es tue ihm "mega leid". Als er 13, 14 Jahre alt gewesen sei, seien "die Parteien" auf dem Schulhof mit CDs aufgetaucht, da habe es Luftballons und Kekse gegeben. Und er habe diese CDs "rauf und runter" gehört. Da seien juden- oder ausländerfeindliche Parolen hängen geblieben. "Aber ich bin in keiner Partei oder Vereinigung", versichert er.

H. habe ein massives Alkoholproblem, "angehende Leberzirrhose", sagte sein Hausarzt. Er sei zweieinhalb Jahre trocken gewesen, habe als Kundenbetreuer für einen Automobil-Konzern gearbeitet. Kurz vor der Tat hatte er gekündigt, H. sagt, "ich hab das mit dem Home-Office nicht mehr geschafft". Und er sagt, dass er in nüchternem Zustand niemanden beleidigen würde, dass er nichts gegen Juden und Ausländer habe. Das Bundeszentralregister listet elf Einträge auf, von Volksverhetzung über Bedrohung, Beleidigung und Körperverletzung. Am Abend des OEZ-Anschlags betrank er sich mit einem Kollegen und grölte im Taxi auf der Heimfahrt rechtsradikale Parolen.

Richterin Wölk erklärte, H. sei vielfach einschlägig verurteilt, die Beleidigungen seien von "erheblicher Qualität". Zudem sehe sie keine positive Sozialprognose. Lars H. hat nun noch die Möglichkeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

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