Trinkhalme:Aus dem Leben eines Saugenichts

Trinkhalme: Schön gedacht, aber leider recht oft nervig: Ein Strohhalm aus Metall.

Schön gedacht, aber leider recht oft nervig: Ein Strohhalm aus Metall.

(Foto: imago images/Cavan Images)

Seit einem Jahr sind Trinkhalme aus Plastik in der EU verboten. Schön gemeint war das. Nur: Die Alternativen aus Metall, Nudeln und Papier haben es nicht besser gemacht.

Von Violetta Simon

Es waren die Sumerer, die bereits 4000 Jahre vor Christus zum Trinken von Bier einen Halm aus Roggenstroh nutzten. Eine aus süddeutscher Sicht eigenartig anmutende Idee, doch damals notwendig, um die Aufnahme von Nebenprodukten der Fermentation zu verhindern. Erst 1888 erfand der Amerikaner Marvin C. Stone den modernen Trinkhalm aus Papier. Dass sich der Klebstoff im Bourbon auflöste, trübte die Freude und zog weitere Optimierungsversuche nach sich. Der Halm wurde mit Wachs beschichtet, später ersetzt durch ein Modell aus Plastik - und damit fing der Ärger an. Allein in Deutschland wanderten am Ende jedes Jahres angeblich 40 Milliarden Plastiktrinkhalme in den Müll, die Zahl ist allerdings umstritten.

Seit einem Jahr sind sie nun EU-weit verboten. Ein Klimaärgernis weniger, könnte man sagen. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass auf die Beseitigung eines Übels (Kohle, mieser Ehepartner, Pest) nicht selten ein anderes Übel (Atomenergie, noch mieserer Ehepartner, Cholera) folgt. Und zwar immer dann, wenn man ein Ärgernis nicht einfach abschafft. Sondern durch eine vermeintlich bessere Alternative ersetzt. So wie auch die Plastiktrinkhalme abgelöst wurden - von fancy Trinkhalmen aus Bambus, Papier, Glas, Metall, Silikon, ja sogar Röhrchennudeln und was sich sonst noch zum Saugen eignet.

Die neuen Halme sind eine gut gemeinte Maßnahme, keine Frage. Nur eben keine zufriedenstellende. Sonst hätten sich Röhrchennudeln und Bambusröhrchen wohl schon früher gegen Plastik durchgesetzt.

Wenn man lang genug wartet, ist der Nudel-Trinkhalm al dente

Nehmen wir die Papiervariante: Beim verträumten Nuckeln am Sundowner aus dem Einmachglas kann man schon mal darüber sinnieren, ob es eine gute Idee ist, Bäume zu fällen für ein Produkt, das man vor dem Erschlaffen rechtzeitig rausziehen muss, damit es sich nicht im Drink auflöst. Ähnlich ergeht es einem mit Trinkhalmen aus rohem Pastateig. Ach, würden einem die Mitmenschen beim Monologisieren nur einmal derart an den Lippen kleben wie diese angeweichten Makkaroni, aus denen umweltbewusste Partygäste neuerdings ihre Cocktails schlürfen. Zugegeben, wenn man lang genug wartet, könnte man den Trinkhalm anschließend al dente verzehren. Aber will man das?

Ob man beim Eiskaffee aus coolen Metallröhrchen einen Gefrierbrand an der Lippe riskiert, ist nicht belegt. Allerdings nimmt Wasser damit schnell einen metallischen Geschmack an - und das, obwohl es erwiesenermaßen kein bisschen eisenhaltig ist. Dass sie darüber hinaus lebensgefährlich sein können, zeigt der dramatische Tod der britischen Dressurreiterin Elena Struthers-Gardner. Als sie in ihrer Küche zusammenbrach, hielt sie ein Glas mit Metalltrinkhalm in der Hand - der ihr Auge und Hirn durchbohrte.

Kein Zweifel, beim Trinkhalm sind es die Alternativen, die einen schwermütig machen, nicht das Plastik.

Dabei ist es unbestritten, dass bessere Lösungen gefragt sind, und zwar in vielen Bereichen - vor allem für Treibstoffe und Energie. Nur manchmal helfen die hippen Alternativen wenig, das zeigt ein Fazit nach dem ersten plastikhalmfreien Jahr. Dann doch lieber gleich zurück auf Null, dorthin, wo alles begann. Neuerdings gibt es sie wieder: Strohhalme in ihrer Urform, aus Stroh, auf Wunsch sogar Halme aus Bio-zertifiziertem Roggen. Mit so einem Ding im Mund weiß man schon mal, wie sich ein Wiederkäuer fühlt. Das fördert die Naturverbundenheit.

Und sollte das mit dem echten, wahren Strohhalm nicht funktionieren, gibt es immer noch eine Alternative: erwachsen zu werden und das Genuckle sein zu lassen. Wer das nicht möchte, kann sich eine Schnabeltasse zulegen. Die ist zumeist aus Hartplastik gefertigt und damit wiederverwendbar.

In einer vorherigen Fassung hatte es geheißen, vor dem Verbote seien in Deutschland jährlich 40 Milliarden Plastikstrohhalme im Müll gelandet. Demnach hätte jeder Deutsche vom Baby bis zum Greis eine Jahresstrohhalmbilanz von 485. Die Zahl ist jedoch umstritten, sie beruht auf einer Schätzung einer auf Nachhaltigkeit spezialisierten Beratungsfirma. Wir haben den Text an dieser Stelle präzisiert.

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