25 Jahre Oderflut:Als die Dämme brachen

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Ratzdorf, ein Ort am Zusammenfluss von Oder und Neiße nahe der polnischen Grenze, wurde vor 25 Jahren von braunen Fluten überschwemmt. (Foto: DPA)

Wer helfen konnte, half, als die Oder im Sommer 1997 so dramatisch über die Ufer trat wie nie zuvor oder danach. Aber welche Konsequenzen zog man dann für die Zukunft?

Ganze Landstriche unter Wasser, Bundeswehrsoldaten, die anpacken, und ein damals noch ziemlich unbekannter Brandenburger Minister, der zum "Deichgrafen" wird. Die Oderflut von 1997 hat Geschichte geschrieben. Immer wieder gefilmt wird damals das Pegelhäuschen auf seinem Pflastersockel am Ufer in Ratzdorf im Landkreis Oder-Spree. Damals, im Sommer vor 25 Jahren, steht das kleine Häuschen plötzlich mitten in den Fluten und droht aufgrund der Wassermassen unterzugehen. In Höhe Ratzdorf klafft im Deich eine eintausend Meter große Lücke. Die Flut bahnt sich unaufhaltsam ihren Weg in den Ort - den ersten in Brandenburg, den das Oderhochwasser nach verheerenden Überschwemmungen in Tschechien und Polen erreicht.

Umweltminister Matthias Platzeck hat zu diesem Zeitpunkt längst erste Warnstufen ausgelöst. "Wir haben uns genau angeschaut, was in Tschechien und Polen passiert, und damals schon gedacht: Wenn das so vehement beginnt, dann kann das nicht ohne Folgen für uns bleiben." Der SPD-Politiker fährt in die vom Hochwasser bedrohten Ortschaften, trifft dort aber zunächst auf vorgezeigte Gelassenheit. "Die Leute an der Oder haben gesagt: Wir kennen unseren Fluss, macht nicht solchen Aufruhr, das geht vorbei. Spätestens als das Wasser in Ratzdorf ankam, war allen klar: Das wird hier kein normales Hochwasser."

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Am 22. Juli 1997 ordnet Landrat Jürgen Schröter die Evakuierung des Ortes an. Doch die Ratzdorfer weigern sich, ihren Ort zu verlassen - auch aus Angst vor Plünderungen verteidigen sie ihr 335-Seelen-Dorf bei Dauerregen mit Sandsackwällen gegen das Hochwasser.

Der höchste Pegelstand von 6,88 Metern wird am 24. Juli erreicht. Platzeck erlebt die Urgewalt des Flusses hautnah. "Ich habe gesehen, wie jahrhundertealte Eichen in der Ziltendorfer Niederung senkrecht stehend vom Wasser Hunderte Meter nach hinten gedrückt worden sind", erzählt der SPD-Politiker, der in den Medien wegen seines Krisenmanagements den Titel "Deichgraf" bekam.

Der Deichrückbau kommt kaum voran

Und heute? "Wir müssen auf Extremhochwasser im kleinen Raum gefasst sein", sagt Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne). Zwei Erkenntnisse habe man mit der Oderflut gewonnen: die Deiche mit neuen Systemen zu verstärken und dem Fluss durch Deichrückverlegung mehr Raum zu geben. Von den an der Oder zu erweiternden beziehungsweise neu zu bauenden 191 Deichkilometern sind laut Umweltministerium von September 1997 bis Ende 2021 insgesamt 161 Kilometer erneuert worden, etwa 90 Prozent. Dafür haben Land, Bund und EU insgesamt 338 Millionen Euro bereitgestellt.

Dagegen kommt der Deichrückbau nach Worten von Vogel eher wenig schnell voran. 50 Hektar mehr Raum habe der Fluss bisher nur erhalten, allerdings durch veränderte Trassen und nicht durch Rückverlegung der Deiche. Es sei ein generelles Problem an der Oder, dass auf deutscher Seite wenig potenzielle Überflutungsfläche zur Verfügung stehe, erklärt der Umweltminister in Frankfurt (Oder). Die Deichlücke in Ratzdorf wurde im Jahr 2005 geschlossen. Der Deich bewährte sich beim nächsten Oderhochwasser 2010.

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