Folgen von Krieg und Klima:Welthungerhilfe: Hunderte Millionen Menschen am Rande der Hungersnot

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Die Ukraine war vor dem Krieg ein wichtiger Getreidelieferant für den Weltmarkt. (Foto: Efrem Lukatsky/dpa)

Steigende Nahrungsmittelpreise verschärfen die Krise in vielen Ländern: "Wer nur knapp drei US-Dollar pro Tag zum Überleben hat, kann sich die Verdoppelung der Brotpreise einfach nicht leisten."

Als Folge von bewaffneten Konflikten, Klimaveränderungen und Entwicklungsdefiziten hungern weltweit aktuell etwa 811 Millionen Menschen. Das geht aus dem Jahresbericht der Welthungerhilfe vor, der an diesem Dienstag vorgestellt worden ist. Der starke Anstieg der Nahrungsmittelpreise habe die Hungerkrisen in vielen Ländern verschärft. Dürren wie derzeit am Horn von Afrika oder im vergangenen Jahr in Madagaskar zeigten bereits die fatalen Folgen des Klimawandels, schreibt Generalsekretär Mathias Mogge. "Wer nur knapp drei US-Dollar pro Tag zum Überleben hat, kann sich die Verdoppelung der Brotpreise einfach nicht leisten."

Über viele Jahre seien "kontinuierliche Verbesserungen in der Hungerbekämpfung zu verzeichnen" gewesen, "doch seit 2014 kehrt sich der Trend um: Multiple Krisen lassen die Zahl der Hungernden immer weiter steigen", heißt es in dem Bericht. Millionen Menschen stünden am Rande einer Hungersnot, denn die Familien hätten keinerlei Ressourcen mehr. Die gestiegenen Preise träfen diejenigen am härtesten, die ohnehin zu den Ärmsten gehörten.

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Schon 2021 seien die Preise für Lebensmittel weltweit teils um 28 Prozent gestiegen. "Durch den Krieg in der Ukraine hat sich die Situation weiter zugespitzt. Besonders dramatisch ist die Lage in Jemen, in Afghanistan und im Südsudan. Aber auch in Madagaskar und den Ländern Ostafrikas, wo massive Dürren die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise zeigen", heißt es in dem Bericht weiter. Die Hilfsorganisation spricht von einem "Weckruf, endlich die Anstrengungen gegen den Klimawandel zu verstärken, der zu immer gravierenderen humanitären Notlagen führt".

Die Zahlen der Welthungerhilfe decken sich weitgehend mit den Schätzungen der Vereinten Nationen. Die UN geht davon aus, dass 2021 im Jahresdurchschnitt etwa 768 Millionen Menschen von Hunger betroffen waren- 46 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Zahl um etwa 150 Millionen gestiegen.

Schulze: Ärmere Länder sollen mehr Getreide selbst anbauen

Was den Krieg in der Ukraine anbelangt, habe in den ersten Wochen die Verteilung von Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln im Mittelpunkt gestanden, jetzt werde die Hilfe auch durch Bargeldverteilungen ausgeweitet, sagte Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme. "Gleichzeitig spüren wir in unseren übrigen Projektländern die dramatischen Folgen der steigenden Nahrungsmittelpreise. Wir sind doppelt gefordert." Im Jahr 2021 hat die Welthungerhilfe nach eigenen Angaben in 36 Ländern mit 526 Auslandsprojekten rund 16,6 Millionen Menschen unterstützt.

Die Ukraine war vor dem Krieg ein wichtiger Getreidelieferant für den Weltmarkt. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) rief deshalb ärmere Länder dazu auf, sich unabhängiger von Getreideimporten zu machen. "Neben der akuten Hilfe kommt es jetzt darauf an, dass Entwicklungsländer mehr selber anbauen können, und zwar klimaangepasst und nachhaltig", sagte die Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Eine größere Unabhängigkeit könne mit dem Anbau lokaler Getreidesorten wie Sorghum gelingen, die an Boden und Klima in Afrika gut angepasst seien.

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