Bundeswehr:Der grobe Herr Lindner

Der Finanzminister sorgt sich um die Armee und verfasst einen Brief an die Verteidigungsministerin, mit Durchschlag an den Kanzler. Das ist nicht nett, zumal Christine Lambrecht schneller reformiert, als ihr Kollege schreibt.

Kommentar von Mike Szymanski

Auf ziemlich grobe Art und Weise treibt Finanzminister Christian Lindner (FDP) Kabinettskollegin Christine Lambrecht von der SPD an, das Beschaffungswesen der Bundeswehr zu reformieren. Per Brief, der zugleich auch an Kanzler Olaf Scholz ging, mahnt er mehr Mut zum großen Umbau an. Er hat Angst, dass die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, die die Ampel-Regierung zusätzlich lockergemacht hat, in dysfunktionalen Strukturen versickern.

Der heutige desolate Zustand der Bundeswehr hängt tatsächlich mit den Prozessen im Beschaffungswesen zusammen. Ist die Mammutbehörde mit Hauptsitz in Koblenz ein Bürokratie-Ungetüm? Ja. Aber die Beschäftigten dort haben sich die Richtlinien, denen sie folgen, nicht selbst geschrieben: Europaweite Ausschreibungen? Sind von der Politik so verlangt worden. Es könnte ja sein, dass die Werft im Ausland die neue Fregatte günstiger baut. Mehr Wettbewerb? Klingt gut, doch es stellte sich heraus, dass unterlegene Bieter vor Gericht ziehen und dann jahrelang nichts entschieden wird. Rechtssicherheit in den Verfahren ist wichtiger geworden, als die Truppe zügig mit dem zu versorgen, was sie braucht.

Ohne funktionierendes Beschaffungswesen werden auch 100 Milliarden Euro nicht helfen, die Bundeswehr zu modernisieren. Ministerin Lambrecht hat das erkannt, lange bevor Lindner seine Post verschickte. Sie hat dafür gesorgt, dass Beschaffungen bis 5000 Euro direkt vergeben werden können, und für große Projekte die Devise ausgegeben, dass von der Stange gekauft wird. Gerade erst hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, womit Auftragsvergaben deutlich beschleunigt werden. Die SPD-Politikerin hatte keinen leichten Start ins Amt. Vor allem ließ sie es in ihrer Anfangszeit an Interesse für die Truppe fehlen. Bei aller Kritik an ihrer Arbeit: Im Beschaffungswesen hat sie aber jetzt schon mehr korrigiert als ihre beiden Vorgängerinnen zusammen. Aber darüber verliert Lindner kein Wort.

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