Landkreis Erding:Steigende und unkalkulierbare Preise gefährden Fertigstellungen

Landkreis Erding: Die Preise für Baustoffe, wie zum Beispiel Stahl, sind regelrecht explodiert seit 2020.

Die Preise für Baustoffe, wie zum Beispiel Stahl, sind regelrecht explodiert seit 2020.

(Foto: Renate Schmidt)

Bauunternehmen stellen neue Aufträge zurück und beteiligen sich erst gar nicht an Ausschreibungen.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Stark steigende Preise bei Baumaterialien, eine hohe Inflation und Ungewissheit, wie es angesichts mehrerer Krisen weitergeht, führen dazu, dass Bauunternehmen ihre Angebote nicht verlässlich kalkulieren können, Aufträge zurückstellen und sich bei Ausschreibungen nicht mehr beteiligen. Dass es schwierig wird, eine Firma zu finden, musste jüngst auch das Landratsamt Erding feststellen. Für die Erweiterung und den Umbau der Zimmererwerkstätte in der Berufsschule wurden im Gewerk Baumeisterarbeiten 22 Firmen angeschrieben, sechs haben daraufhin Interesse an den Ausschreibungsunterlagen gezeigt, aber nur eine Firma gab letztlich ein Angebot ab.

Rudolf Waxenberger, Kreishandwerksmeister und Inhaber der Anzinger Baubetriebsgesellschaft mbH, berichtet, dass "seit circa Ende 2019/Anfang 2020 die Rohstoffkosten, und spätestens mit Beginn des Ukraine-Krieges auch die Energiekosten, davongaloppieren." Seither vergehe nahezu keine Woche, in der nicht Lieferanten "erkleckliche Preiserhöhungen" ankündigen und auch durchsetzen. Waxenberger sagt, dass Baukosten derzeit nicht kalkulierbar seien. Die Preisexplosion der Materialkosten und steigende Finanzierungszinsen würden jetzt bereits gerade den so nötigen Wohnungsbau immer stärker beeinträchtigen. In großen Teilen würden die Bauhandwerker die "Trägheit und die immer weiter ausufernde Bürokratie scheuen", die den Kommunen staatlicherseits auferlegt werde, und mit welcher diese dann die Handwerker zu "piesacken" haben. "Gerade in der jetzigen Vollbeschäftigungslage am Bau nehmen Auftragnehmer lieber unkompliziertere Aufträge wahr." Leidtragende seien unter anderem die Kommunen, da sie kaum noch Angebote auf ihre Ausschreibungen bekommen, sagt der Unternehmer. Ursache für letzteres sei auch, dass durch zwei Bundeserlasse zur "Stoffpreisgleitklausel" zusätzlich "irrwitzige Bürokratie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgebaut wurde". Deshalb würden viele Bauunternehmer erst gar kein Angebot abgeben.

Im Mai mussten gegenüber dem Vorjahr 17,6 Prozent mehr für Bauleistungen gezahlt werden

Laut Statistischem Bundesamt mussten im Mai diesen Jahres 17,6 Prozent mehr für Bauleistungen gezahlt werden als ein Jahr zuvor. Das war der höchste Anstieg seit Mai 1970. Besonders stark war der Preisanstieg bei Metallbau- und Betonarbeiten (jeweils mehr als 20 Prozent). Mit der Stoffpreisgleitklausel ist der Auftragnehmer nicht gezwungen, bei steigenden Kosten weiterhin für einen Festpreis zu arbeiten, sondern kann den Vertrag entsprechend anpassen.

Petra Grumann, Assistentin der Geschäftsleitung beim Neumayer Bauteam GmbH in Taufkirchen, berichtet ähnliches: "Es ist in der Tat so, dass der Bürokratismus zugenommen hat bei Ausschreibungen. Die Ausschreibungsunterlagen sind oft sechs, sieben Zentimeter dick. Zudem werden verschiedene Online-Portale benutzt, was oft zum Teil eine hohen Arbeitsaufwand nach sich zieht." Bei den Auftragseingängen schaue man beim Bauteam, ob das Projekt interessant und in der Nähe ist, damit die Mitarbeiter nicht immens weit und lange fahren müssen. Entscheidend sei, ob man überhaupt Zeit habe. Passe alles, gebe man Preiskalkulationen ab, bei "gefährlichen Materialien", wie Dämmung oder Stahl, habe man die Gleitklausel drin. Zurzeit sei alles "sehr, sehr schwierig". An allen Ecken würden die Preise steigen, bei den Lieferanten komme nicht nur die Steigerung bei den Materialien dazu, sondern auch Treibstoffzuschläge. Gegenüber dem Kunden versuche man alle Fakten auf den Tisch zu legen, damit der Bauherr weiß, worauf er sich alles einstellen muss. "Es gibt nichts Schlimmeres als böse Überraschungen." Und die wolle man vermeiden.

Der Markt spielt schon eine ganze Zeitlang verrückt

Immobilienunternehmer Robert Decker bestätigt, dass der Markt schon eine ganze Zeitlang verrückt spielt. Speziell die Preise für Stahl oder Dämmstoffe. Wie es weiter geht, da müsste er eine Glaskugel haben. Er glaubt aber, dass man langsam am oberen Ende der Preisbewegung angekommen sei, wenn nicht die Energieknappheit eine neue Runde einläute, da man Gas zum Beispiel beim Brennen von Ziegeln benötige, beim Glasschmelzen und so weiter. Auch die Zulieferung aus China sei wegen der dort immer wieder ausbrechenden Corona-Fälle und damit verbundenen Lockdowns unkalkulierbar. Auch er arbeite mit einer Gleitklausel. "Damit haben wir nicht das Problem, dass wir irgendwelche Angstzuschläge einkalkulieren müssen und es ist für den Kunden transparent und fair. Er sieht die Chancen und Risiken am Markt, die adäquat weiter gegeben werden."

"Die Zeiten werden nicht einfacher, sondern eher schwerer."

Auch Sebastian Huber vom Baugeschäft Huber in Inning am Holz sagt: "Eine Preisangabe ist derzeit sehr schwer, fast unmöglich, da sich fast täglich was ändert". Man habe in den Verträgen deshalb ebenfalls die Stoffpreisgleitklausel drinnen, dass man nach Tagespreisen abrechnet. So sei man als Unternehmer abgesichert. Bei öffentlichen Ausschreibungen würde man größtenteils nicht mehr mitmachen, da sei inzwischen zu viel Bürokratie: "Das sind ja teilweise 100 Seiten Vorbemerkungen schon", sagt Huber. Man arbeite deshalb derzeit eher mit Privaten zusammen. "Die Zeiten werden nicht einfacher, sondern eher schwerer." Die Anfragen nach Hausbauten sei sehr unterschiedlich. "Die Leute sind verunsichert, springen auch mal ab oder legen Projekte auf Eis."

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