Künstliche Intelligenz:Armdrücken mit dem Roboter

Künstliche Intelligenz: Roboter von Franka Emika: Das Gerät lässt sich auch von Nicht-Spezialisten programmieren.

Roboter von Franka Emika: Das Gerät lässt sich auch von Nicht-Spezialisten programmieren.

(Foto: oh)

Roboter sind teuer und vernichten Arbeitsplätze? Von wegen! Neue Hersteller und Geräte zeigen: Die Maschinen könnten sogar den Fachkräftemangel und Lieferkettenprobleme lindern.

Von Helmut Martin-Jung

Franka lässt sich gerne an die Hand nehmen. Oder vielmehr: Wer etwas anfangen will mit Franka, der muss sie an die Hand nehmen. Muss ihr zeigen, was genau sie tun soll. Ohne großen Widerstand lässt sich ihr Arm hierhin bewegen und dorthin, greift etwas oder arbeitet mit einem Werkzeug. Es ist überhaupt nicht schwer, ihr das beizubringen, dabei hat sie weder Augen noch Ohren. Franka Emika 3, so ihr voller Name, ist ein Roboter. Anschließend speichert man die gelernten Bewegungen - fertig ist das Programm.

Wer an Roboter denkt, hat vielleicht Arnold Schwarzenegger in seiner Rolle als "Terminator" vor Augen. Oder Riesenmaschinen, die zentnerschwere Motoren in Autokarosserien hieven, Bleche lackieren und makellos Schweißpunkte setzen - und das alles 7/24. In Autofabriken sind die längst der Normalfall. Doch zwischen den ziemlich dummen Großrobotern, die immer nur stumpf ihren Job ausführen, und der Mensch-Maschine aus der Zukunft gibt es längst eine neue Kategorie. Roboterarme, etwa doppelt so groß wie ein menschlicher Arm, sind genauso ausdauernd wie ihre großen Kollegen. Aber sie sind viel flexibler und können auch von Menschen angelernt werden, die wenig oder gar keine Ahnung von den Feinheiten der Roboter-Programmierung haben.

Cobots nennt man diese Kategorie. Das Co im Namen steht dafür, dass diese Maschinen nicht anstelle von Menschen arbeiten sollen, sondern mit ihnen. Das, so hofft die Branche, werde endlich die Tür öffnen zu vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) - es wäre ein Multimilliarden-Markt. Doch da ist noch einiges zu tun. Die KMU haben zwar in ihren Produktionsstätten viele Tätigkeiten, die gut von einem Roboter ausgeführt werden könnten. Aber sie trauen sich oft noch nicht an das Thema heran. So ging es auch Frank Reinauer. Der erfahrene Produktionsprofi leitet beim Stuttgarter Medizintechnikhersteller Leibinger die Bereiche Produktion und Innovation. Große Schweißroboter, die hatte er schon im Einsatz, aber sie waren extrem teuer. Und um sie zu programmieren, braucht es Experten des Herstellers. Schnell mal etwas ändern, ein anderes Produkt dazwischenschieben - Fehlanzeige.

Doch dann spazierte Reinauer auf einer Messe am Stand des Konstanzer Start-ups Fruitcore Robotics vorbei. Und wurde überrascht: "Ich konnte am Stand einen komplexen Ablauf selber programmieren", erzählt er. Das war auch das Ziel der Grüner Jens Riegger und Patrick Heimburger. Ein Roboter, sagt Riegger, müsse sich so leicht bedienen lassen wie ein iPhone, aber trotzdem für Jobs in der Industrie taugen.

Mittelständler sind der "heilige Gral" für die Konstrukteure

Reinauer war jedenfalls überzeugt. Im Rahmen einer Masterarbeit wurde der "Horst" genannte Roboterarm des Start-ups von einem Studenten in den Produktionsprozess bei Leibinger eingebunden. Es ging darum, Gelenke für Prothesen einem Belastungstest zu unterziehen. "Nach einem halben Jahr hatten wir ein perfektes Ergebnis", schwärmt Reinauer. Und das zu einem Bruchteil des Geldes, das er für einen der üblichen Industrieroboter hätte ausgeben müssen. Knapp 200 000 Euro hätte ihn der gekostet, "Horst" dagegen belastete das Budget mit weniger als 30 000 Euro, freut sich der Produktionschef.

Etwa auf diesem Niveau liegen auch die Roboter anderer Hersteller. Sie alle wetteifern um den Markt der kleinen und mittleren Unternehmen, den "heiligen Gral", wie Andrea Alboni das nennt. Der Italiener leitet die Geschäfte des aus Dänemark stammenden Herstellers Universal Robots in Westeuropa. KMU scheuten bisher vor dem Einsatz von Robotern zurück, sagt er. Sie haben keine Fachkräfte für Roboterprogrammierung, anders als die Auto- oder Elektronikhersteller. Und Roboter, wie sie in der Industrie für gewöhnlich eingesetzt werden, sind teuer. Was sich trotzdem lohnt, denn es geht ja um Fertigung großer Stückzahlen, vulgo: Massenproduktion.

Anders bei einem Handwerksbetrieb oder anderen kleineren Firmen. Ein Schreiner etwa baut in der einen Woche dieses Möbelstück, in der nächsten womöglich Fenster und in der übernächsten wieder etwas anderes. Da hilft ihm ein Robotersystem nichts, das nur von Experten und mit hohem Aufwand umprogrammiert werden kann. Genau hier setzen Hersteller wie Universal Robots, Franka Emika oder Fruitcore Robotics an. Sie alle werden mit einer Software ausgeliefert, die es auch Roboter-Laien ermöglicht, ihrem automatischen Helfer schnell und einfach das beizubringen, was er tun soll.

"Viele könnten von Robotern profitieren", sagt Andrea Alboni von Universal Robots, "kein Unternehmen ist zu klein." Das klingt erst einmal nicht überraschend für jemanden, der seine Produkte schließlich auch verkaufen will. Aber er hat ganz gute Argumente: "Oft geht es darum, Teile von A nach B zu bewegen." Das sei doch stumpfsinnig und langweilig. "Man denkt immer an den Film mit Charlie Chaplin." Die Menschen sollten anders als in "Modern Times" mit dem Roboter arbeiten, nicht wie ein Roboter. Manches ist auch körperlich herausfordernd. Der Bohrmaschinenhersteller Hilti etwa entwickelte deshalb zusammen mit Universal Robots ein System, das Bohrungen in Zimmerdecken ausführt.

Der Roboter übernimmt die monotone Arbeit, der Mitarbeiter die kreative

Oder Schweißen. Nicht nur ist die Arbeit anstrengend und schlecht für die Gesundheit durch die Belastung der Luft mit Schadstoffen. Es fehlen in Deutschland auch Tausende Schweißtechniker. Der Job steht auf der Liste der Mangelberufe - so wie der vieler anderer Fachkräfte auch. Der Einsatz von Robotern könne da nicht bloß helfen, indem die Geräte sich wiederholende und langweilige Aufgaben ausführen und damit Personal ersetzen, das ohnehin schwer zu bekommen ist. Bei Leibinger, dem Medizintechnikhersteller, sagt Produktionschef Reinauer, sei Arbeitsplatzvernichtung auch nie ein Thema gewesen. "Es war eher so, dass es begrüßt wurde, weil es zeigt, dass wir auf der Höhe der Zeit sind." Und die menschlichen Mitarbeiter können sich mehr dem widmen, was Spaß macht an ihrem Beruf, den Dingen, bei denen es auf menschliche Intuition ankommt und auf manuelles Geschick.

Wobei die Roboter bei Letzterem immer besser werden. Alwin Mahler, der Chef des Münchner Roboter-Start-ups Franka Emika, will die Geräte seines Unternehmens daher am liebsten als taktile Roboter bezeichnet wissen, nicht bloß als schnöde Cobots. Ein ausgeklügeltes mehrstufiges System von Sensoren und Motorsteuerung befähigt den Roboterarm der Münchner, auch diffizile Aufgaben mit der nötigen Sensibilität auszuführen. Die Firma ist eine Ausgründung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR), einer der Gründer ist Sami Haddadin, Professor an der TU München und anerkanntermaßen einer der besten Robotik-Wissenschaftler weltweit. Dass er vor einigen Jahren aus den Staaten nach Deutschland zurückkehrte, wurde als kleine Sensation gefeiert.

Dabei war der Schritt nicht unlogisch, schließlich ist Deutschland, was die Produktionstechnik angeht, schon lange vorne dabei. Alwin Mahler, ein in der Technologiebranche erfahrener Manager, sagt, das gelte auch für die Robotik, die ja letztlich die Produktionsweise auf ein neues Level hebt. Ein Level, das es womöglich auch erlaubt, einiges an Produkten wieder im eigenen Land herzustellen, sagt Andrea Alboni - zu dann geringeren Kosten und ohne die logistischen Probleme, die in jüngerer Zeit das Konzept der Globalisierung infrage stellen.

Bei den Robotern von Franka Emika immerhin funktioniert das schon zu großen Teilen. Bis auf die elektronischen Bauteile werden sie von einem Mittelständler im Allgäu hergestellt. Und zwar überwiegend von den Robotern. Mahler: "Die bauen sich praktisch selber."

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