Studie des Berufsverbands Bildender Künstler:Künstlerisches Prekariat

Studie des Berufsverbands Bildender Künstler: Von ihrer Kunst leben können nur die wenigsten Künstlerinnen und Künstler in Bayern. Reich werden eh nur ganz wenige.

Von ihrer Kunst leben können nur die wenigsten Künstlerinnen und Künstler in Bayern. Reich werden eh nur ganz wenige.

(Foto: Robert Haas)

Viel Arbeit - wenig Geld: Eine neue Studie zur Lebens- und Arbeitssituation Bildender Künstlerinnen und Künstler in Bayern zeichnet ein düsteres Bild.

Von Evelyn Vogel

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit - und auch arm. Diese an Karl Valentin angelehnte Erkenntnis zieht der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler für München und Oberbayern (BBK) aus einer gerade vorgestellten Studie. Demnach müssen Münchner Künstler von durchschnittlich 962 Euro im Monat leben. Damit liegen sie weit unter den 1350 Euro, die der hiesige Armutsbericht als Grenze angibt. Auch wenn die Studie nicht spartenübergreifend ausgelegt ist und sich räumlich vor allem auf die Landeshauptstadt bezieht, so gibt sie doch einen interessanten Einblick in das künstlerische Prekariat des 21. Jahrhunderts.

Erhoben wurde die Studie zur Arbeits- und Lebenssituation Bildender Künstlerinnen und Künstler im Auftrag des BBK vom Institut für Strategieentwicklung (IFSE) in Berlin. Das Münchner Kulturreferat hat sie gefördert. Die Zahlen beziehen sich auf 2019, also auf die Zeit, noch bevor der Kulturbetrieb durch die Corona-Pandemie zum Stillstand verdammt war. 2020 sollen die durchschnittlichen Einkünfte aus künstlerischer Arbeit trotz Corona-Hilfen um weitere 11,3 Prozent gesunken sein, sodass jeder Fünfte inzwischen aufgegeben habe oder sich vorübergehend mit anderen Jobs durchschlägt. Die 504 Teilnehmenden der Studie, die zu etwa 100 Themen befragt wurden, kommen aus München und dem Umland und stehen laut BBK stellvertretend für die etwa 3000 Kunstschaffenden in München und 6000 in ganz Bayern.

Anita Edenhofer vom BBK-Vorstand hält die gewonnenen Erkenntnisse der Studie zwar nicht für brandneu, aber durchaus aussagekräftig und für eine belastbare Grundlage für die weitere Diskussion: "Dass die meisten Künstlerinnen und Künstler gerade in München ums Überleben kämpfen, ist keine überraschende Neuigkeit für den Verband. Seit Jahren setzen wir uns für bezahlbare Ateliers und gerechte Ausstellungsvergütungen ein, damit unsere Mitglieder unter fairen Bedingungen ihrem Beruf nachgehen können. Dabei ist nicht nur die öffentliche Förderung gefragt. In Kunst und Kultur zeigt sich auch der Diskurs einer lebendigen Gesellschaft."

Die Einkommenssituation von Künstlerinnen ist besonders prekär

Wie in anderen Wirtschaftszweigen kämpfen Frauen auch in der Kunst um ein geschlechtergerechtes Einkommen - und hinken meilenweit hinterher. Die Studie zeigt, dass Künstlerinnen durchschnittlich 10 559 Euro im Jahr erzielen, Männer hingegen 16 048 Euro. Der sogenannte Gender Pay Gap liegt damit bei 29,5 Prozent und ist um rund ein Drittel höher als die gesamtgesellschaftliche Gehaltslücke von derzeit 18 Prozent. Dass Künstler deutlich häufiger in Einzelausstellungen vertreten sind als Künstlerinnen, erschwert die geschlechtliche Gleichbehandlung in der Kunst zudem.

Trotz Zusatzjobs reicht es hinten und vorne nicht, es droht Altersarmut

Ausschließlich von der künstlerischen Arbeit können nur die wenigsten leben: Nur 22 Prozent erzielten 2019 durch ihre Kunst mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen. Die meisten Kunstschaffenden sind auf weitere Jobs angewiesen, um die Kosten für ihren Lebensunterhalt, Ateliermieten und künstlerische Produktion zu decken. Nur ein Teil davon ist in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu finden, für etliche ist eine Lehrtätigkeit im Bereich der Bildenden Kunst der Brotberuf, der die kreative Freiheit absichert. Doch wer wenig verdient, hat auch wenig im Alter. Die Hälfte der Künstlerinnen und Künstler rechnet damit, später von weniger als 500 Euro Rente im Monat leben zu müssen.

Bezahlbare Ateliers im teuren München zu finden, wird immer schwieriger

Mit am wichtigsten für ihre Arbeit ist den Befragten, dass sie geeignete und bezahlbare Räume für Ausstellungen und Ateliers finden. Beides gibt es im Großraum München viel zu selten - und das Angebot schrumpft. Auf den ersten Blick scheint die durchschnittliche monatliche Kaltmiete für ein Atelier innerhalb der vergangenen zehn Jahre nicht übermäßig gestiegen zu sein: von 9,15 Euro auf 10,60 Euro je Quadratmeter. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass dieser Durchschnittswert vor allem auf einem Altbestand langfristiger Mietverträge basiert. Wer neue Arbeitsräume sucht, kann sich die teuren Angebote oft nicht leisten. Die Folge: Entweder versucht man sich im eigenen Wohnraum zu arrangieren, geht Zweckgemeinschaften mit anderen Künstlern ein - oder verlässt München.

Studie des Berufsverbands Bildender Künstler: Die Künstlerin Susi Gelb hat München verlassen, weil sie keine bezahlbaren Atelierräume in der Landeshauptstadt fand.

Die Künstlerin Susi Gelb hat München verlassen, weil sie keine bezahlbaren Atelierräume in der Landeshauptstadt fand.

(Foto: Jakob Wiessner/oh)
Studie des Berufsverbands Bildender Künstler: Niko Abramidis ging wie Susi Gelb nach Berlin, obwohl er in München mit Max Goelitz auch einen Galeristen hat.

Niko Abramidis ging wie Susi Gelb nach Berlin, obwohl er in München mit Max Goelitz auch einen Galeristen hat.

(Foto: Niko Abramidis & NE)

So wie 2021 Susi Gelb und Niko Abramidis. Die beiden jungen, mehrfach ausgezeichneten Künstler, die mit ihrem nomadischen Offspace-Konzept "easy!upstream" immer wieder spannende Ausstellungen kuratierten, fanden nach dem Auslaufen ihres Vertrags im Städtischen Atelierhaus Baumstraße (hier sind die Verträge auf fünf Jahre begrenzt) keine bezahlbaren neuen Räume in München und wanderten ab nach Berlin. Bei etwa einem Viertel der rund 680 durch den BBK gezählten Ateliers in München ist die Existenz bedroht oder sie haben eine unsichere Zukunft. Dabei ist das Atelier, so der BBK, der wichtigste Ort nicht nur der Produktion, sondern auch der Vermarktung. Mehr als 67 Prozent der Künstlerinnen und Künstler verkaufen direkt ab Atelier, nur bei knapp 25 Prozent der Verkäufe spielen Galerien eine Rolle.

Der Kunststandort München ist nicht konkurrenzfähig

Die Stadt München ist zwar für viele attraktiv, als Kunststandort aber schwierig. Das kulturelle Angebot und die vielen Kolleginnen und Kollegen schätzen die meisten Kunstschaffenden. Persönliche Netzwerke - fast 60 Prozent stammen laut der Studie aus München oder Bayern - helfen den meisten bei ihrer Arbeit. Doch die öffentliche Förderung der Kunst mit Ausstellungsmöglichkeiten sei definitiv noch "ausbaufähig", so das Urteil der Befragten. Zudem ist die überregionale Sichtbarkeit von junger zeitgenössischer Kunst aus München im Vergleich zu Berlin - dort sind übrigens nur zwölf Prozent auch gebürtige Berliner - kaum gegeben. Daran hat die Galerieninitiative mit ihrer Open Art, die seit Jahrzehnten zum Saisonauftakt ein Galerienwochenende bestreitet, zuletzt kaum etwas ändern können. Aber auch der vor einigen Jahren aus der Taufe gehobene Verbund Various Others aus Museen, Institutionen, Galerien und Off-Spaces müht sich bislang vergeblich, München mit einem gemeinsamen Start in die Herbstsaison in einer internationalen Liga mitspielen zu lassen.

Die Studie soll für den BBK und das Kulturreferat die Grundlage für Workshops und Diskussionen sein, die auch gefördert werden und im Laufe des Jahres 2023 umgesetzt werden sollen, so das Versprechen von Münchens Kulturreferent Anton Biebl. Bleibt zu hoffen, dass dies die Situation vor Ort verbessert. Sonst werden Bildende Künstlerinnen und Künstler in der Metropolregion München, aber auch in ganz Bayern weiterhin unter mehr als prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen leiden.

Die Studie gibt es als Download auf den Websiten des BBK München und Oberbayern und des IFSE.

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