Literatur:345 Seiten Olympiapark

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Dynamisch sollten die Olympischen Spiele 1972 wirken, bis hin zur Farbgebung. (Foto: Büro Wilhelm/Ines Jenewein)

Ein neuer Bildband zeigt zum Jubiläum der Olympischen Spiele in München, dass der Olympiapark mehr ist als ein Zeltdach oder das Olympiadorf.

Von Sabine Reithmaier, München

50 Jahre Olympische Spiele in München - das Thema motivierte in diesem Jahr viele Verlage, Bücher zum Thema auf den Markt zu bringen. Aus der Menge der Neuerscheinungen ragt als ein besonders gelungenes Beispiel der Bildband "Olympiapark München" hervor, herausgegeben von der Architekturfotografin Ines Jenewein im Amberger Büro-Wilhelm-Verlag. Das Buch bildet auf 345 Seiten den Olympiapark bis ins Detail ab, stellt mit zahlreichen Fotos und knappen, klaren Texten sämtliche Gebäude und Anlagen vor einschließlich der im Park aufgestellten Kunstobjekte.

"Der Olympiapark ist mehr als ein Zeltdach oder Stadion, mehr als Olympiadorf oder die Olympischen Sommerspiele 1972", schreibt Ines Jenewein in ihrem Vorwort. "Er ist ein Ensemble, das abgesehen von den vorolympischen Bauten Olympiaturm und Eissportzentrum wie aus dem Nichts geschaffen wurde." Das "Nichts" war ein flaches Brachland am Oberwiesenfeld, das einst der königlich-bayerischen Armee als Exerzierplatz diente und später Münchens erster Verkehrs- und Sportflugplatz war. Dort lagen fast elf Millionen Kubikmeter des Münchner Trümmerschutts aus dem Zweiten Weltkrieg. Beim Entminen des Gebiets fand man zehn Tonnen Blindgänger. Doch aus diesem Schutt habe man, so Jenewein, auf dem 160 Hektar großen Gelände während der Bebauung eine grüne Parklandschaft geformt. Sieben Millionen Kubikmeter Erde wurden versetzt, mehr als 3000 Bäume gepflanzt.

Das Dach des Olympiastadions - eine architektonische Glanzleistung. (Foto: Büro Wilhelm/Ines Jenewein)

Was Jenewein, Jahrgang 1986, vor allem begeistert: dass es kaum einer anderen Stadt gelungen ist, ihre olympischen Stätten so vielfältig und aktiv zu nutzen, wie es die Stadt München tut. Hier sei der Park ein Ort, der Natur, Sport, Freizeit, Kultur, Architektur und Geschichte auf spielerische Weise vereint. Der aufwendig und künstlerisch gestaltete Band, ausgezeichnet mit einer Verlagsprämie des Freistaats, ist eine Kombination aus Sach-, Kunst- und Fachbuch. Aktuelle Fotos stehen neben historischen Aufnahmen, Grafiken und anderen Illustrationen, Anekdoten neben Baubeschreibungen und Statistiken.

Selbstverständlich erfährt man alle Fakten über das Gelände und die einzelnen Bauwerke, liest, welche Pannen es während der Bauzeit gab oder was sich während der Spiele an dem jeweiligen Ort ereignete. Beispielsweise, dass Stadionsprecher Joachim Fuchsberger während der Abschlusszeremonie im Stadion eine Massenpanik verhinderte. Denn als sich ein unbekanntes Flugzeug dem Olympiastadion näherte und die Verantwortlichen, noch geschockt vom Attentat, einen Terroranschlag befürchteten, entschied sich "Blacky" Fuchsberger dafür, die Stadionbesucher nicht zu informieren. Er hatte Glück, denn es handelte sich tatsächlich nur um ein verirrtes Passagierflugzeug mit ausgefallener Radaranlage.

Nach den Spielen wurden die Unterkünfte in der Pressestadt zu Wohnungen umfunktioniert. (Foto: Büro Wilhelm/Ines Jenewein)

Neuigkeiten bietet das Buch nicht, das allermeiste ist lang bekannt. Doch der besondere Charme des Bandes liegt in der Art und Weise, wie Jenewein Vergangenheit und Gegenwart des Olympiaparks mischt. Nicht ausgespart wird auch das Haus in der Connollystraße 31, in das am 5. September 1972 die palästinensischen Terroristen eingedrungen waren. Seit 1974 gehört es der Max-Planck-Gesellschaft, die es als Gästehaus für internationale Wissenschaftler nutzt.

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Das Motto der Spiele "Fest der Musen und des Sports" schloss von Anfang an Kunstobjekte als Teil der Parkgestaltung mit ein. Von 84 Kunstobjekten berichtet Jenewein, manche wurden direkt für die Olympischen Spiele aufgestellt, andere kamen später dazu, etwa der "Klagebalken" von Fritz Koenig zur Erinnerung an die elf israelischen Opfer des Attentats. Unvergessen auch der Ärger, den es um Walter de Marias "Erdskulptur" gab, ein 60 Meter langer durch den Schuttberg geführter Nagel, der die Oberfläche mit dem unbelasteten Untergrund verbinden sollte. Als dieses "Olympic Mountain Project" 1971 nach jahrelanger Vorarbeit als zu kritisch abgelehnt wurde, wanderte der erzürnte Galerist Heiner Friedrich in die USA aus.

Der Olympiapark: Hier war einst flaches Brachland, das der Armee als Exerzierplatz diente und das später Münchens erster Verkehrs- und Sportflugplatz war. (Foto: Büro Wilhelm/Ines Jenewein)

Manche Kunstobjekte sind inzwischen aus dem Olympiapark verschwunden. Jenewein erwähnt die von Bert Maecker konzipierte Sonnenmauer, auch "Maeckermauer" genannt. Ihr setzte der Bau des Sea Life ein Ende. Verschwunden sind auch die "Wasserwolke" von Heinz Mack, eine große Fontäne im Olympiasee, demontiert im Jahr 2009, Josef Gollwitzers Acrylglas-Blumen oder die im Jahr 2000 eingelagerten Prismenspiegel in der Olympiahalle. Und ob das Glockenspiel Carillon, 2007 wegen Renovierungsarbeiten eingemottet, irgendwann wieder erklingt, wird immer wieder mal diskutiert. Das 50 Töne umfassende Glockenensemble ist vielen einfach zu laut.

Ines Jenewein: Olympiapark München. Architektur, Landschaft, Kunst. Büro Wilhelm Verlag, Amberg 2022, 48 Euro.

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