Typisch deutsch:Yoga in München - die Geschichte eines Geisteswandels

Lesezeit: 2 min

Yoga ist nur was für Frauen mit viel Zeit, dachte Mohamad Alkhalaf früher. (Foto: Romeo Gacad/AFP)

Was, du machst Yoga? Diese Frage hätte unser Autor früher fast als Beleidigung empfunden. Dann wurde er neugierig. Über eine folgenreiche Probestunde und die Vorteile, sich wie ein Hund zu verbiegen.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Ich war der festen Überzeugung, dass Yoga für immer eine Frauenangelegenheit bleiben wird. Fußball, Basketball, Judo, darüber ließe sich reden. Aber Yoga? Es wird offenbar von Leuten praktiziert, die Zeit haben. Eine Art Erholung für reiche Frauen mit dem Anspruch, kultiviert zu sein. Frauen, die indische Musik lieben oder lieben sollen.

Um in München indischer Musik zu begegnen, muss man sich in den Westpark begeben. Dort erlebt man Frauen, die sich sehr leise und sehr langsam zu sehr indischer Musik bewegen. Und, ich konnte es kaum glauben: Männer mitten drin.

Warum auch immer, hegte ich lange Zeit eine Abneigung gegen Yoga. Vielleicht liegt es daran, dass ich einst von syrischen Gefängniswärtern an den Händen an die Decke gehängt wurde, sodass meine Füße in der Luft baumelten. Ich ertrug es nur, indem ich es mit Humor versuchte. So müsse sich Yoga anfühlen, diesen Gedanken ließ ich durch meinen Kopf kreisen. Und sowas machen Leute freiwillig? Irgendwann ließen die Wärter mich wieder runter - und ich durfte zurück in meine Zelle.

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Ich hatte seinerzeit den Bürgermeister von Raqqa in einem Artikel kritisiert, was mir eben jene Haftstrafe samt yogahafter Hängeübung einbrachte. Umso entrüsteter war ich, als ich in München angekommen einer Yoga-Übung bezichtigt wurde. Dabei kniete ich lediglich auf meinem Teppich und las Koranverse zum muslimischen Gebet.

Auf meine Empörung hin hielt mir ein guter Freund einen Werbevortrag. Yoga mache körperlich fitter, sportlich leistungsfähiger und weniger verletzungsanfällig. Ich glaubte ihm keineswegs. Seine verquere Einschätzung aber machte mich neugierig. Zumal ich ja seit kurzem dieses Ziehen im Rücken verspürte.

Ich kannte eine Yogalehrerin von der Arbeit - und so kam der Tag meiner Probestunde. Ich war der einzige Neue, was nicht ideal war aber nun auch nicht mehr abzuwenden. Ich fing damit an, leichte Bewegungen mitzumachen. Manchmal fiel ich zu Boden oder scheiterte beim Balancieren. Die Erstklässlerin Lotta wirkte deutlich souveräner. Bei meinem Anblick hielt sie sich die Hand vor den Mund.

Die Yogalehrerin sagte "Oooooom" und bat uns, die Figur eines Hundes zu vollführen. Ich fasste es als Kompliment auf. Du bist ein Hund! Kaum etwas drückt in Bayern besser Zuneigung aus. Später aber war die Kuh an der Reihe. Ich verwarf weitere Gedanken an Interpretationen.

Nach dem Finale bekam ich von der Trainerin eine Nachhilfeeinheit in der Position des Hundes. Weil ich angesichts dieser Figur besonders eifrig bei der Sache gewesen sei: Gehe auf Händen und Knien nach unten, in festem Kontakt mit dem Boden, den Rücken möglichst lang und gerade. Stelle die Zehen auf. Die Knie vom Boden lösend, stütze dich auf die Hände und Fußballen sowie Zehen. Strecke die Hüften nach oben und hinten, so dass dein Körper ein Dreieck bildet. Ziehe die Schulterblätter weg von den Ohren. Die Wirbelsäule halte gestreckt und gerade, den Kopf in Verlängerung mit der Wirbelsäule. Strecke die Beine zunehmend aber nur soweit durch, wie es dir möglich ist, ohne den Rücken zu krümmen. Atme lang und tief und halte diese Position für einige Sekunden. Fertig ist der Hund.

Nach meiner Yogastunde schlief ich tief und fest wie lange nicht. Mein Witzrepertoire ist seither um einige Kalauer ärmer geworden. Yoga kann nicht mehr herhalten, weil ich es inzwischen regelmäßig selbst praktiziere. Ja, ich bin Besitzer einer Yogamatte. Links neben mir biegt sich Vanessa aus der Ukraine, und rechts Omar aus Afghanistan.

Typisch deutsch

Ihre Flucht hat drei Journalisten nach München geführt. In einer wöchentlichen Kolumne schreiben sie, welche Eigenarten der neuen Heimat sie mittlerweile übernommen haben. Alle Texte dieser Reihe finden Sie unter sz.de/typisch

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