ARD-Doku zu Olympia '72:Längst nicht vorbei

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"Man vergisst das Schöne nicht, und das andere vergisst man aber auch nicht": Gisela Welzenbach mit BR-Autor Christoph Nahr im Olympiastadion. (Foto: BR/Christoph Nahr)

Christoph Nahrs Dokumentarfilm "Meine Spiele" zeigt, wie die Folgen des Anschlags auf Olympia '72 nachwirken.

Von Holger Gertz

Die Olympischen Sommerspiele in München '72 bewegen die Menschen offensichtlich immer noch. Es gibt Bücher, Ausstellungen, Zeitungsserien und TV-Dokumentationen, für den Herbst ist zum 50. Geburtstag ein Doku-Drama bei Sky angekündigt. Und schon am Samstag zeigt der BR einen Film des Autors Christoph Nahr, der sich unter anderem der Frage widmet, warum die Sommerspiele von München '72 die Menschen immer noch bewegen. Oder, um sich aus dem olympischen Sprachbaukasten zu bedienen: warum das Feuer immer noch brennt. In Nahrs Doku brennt es gleich am Anfang, da ist er zu Besuch bei Familie Samuel in Hohenschäftlarn, wo die Flamme lodert, seit der Hausherr seinerzeit beim Fackellauf ein Flämmchen vom olympischen Feuer abgezapft und in einer Sturmlaterne heimgetragen hatte.

Diese Art der fürsorglichen Erinnerung ist typisch für die Olympiastadt München, in der das Maskottchen von damals, ein Dackel, gerade in einer überlebensgroßen Zweitexistenz auf dem Marienplatz herumsteht. Denn München ist auf doppelte Weise mit den Spielen verbunden, es waren strahlende Tage und abgrundtief düstere, beides nebeneinander, beides unvergesslich. Das Attentat. Die Toten aus dem Team Israel. "Man vergisst das Schöne nicht, und das andere vergisst man aber auch nicht. Es ist nun mal leider so, dass das miteinander verbunden ist - auf ewig", sagt Gisela Welzenbach, die damals zu den Kindern gehörte, die bei der Eröffnungsfeier über die Tartanbahn des Stadions tanzten, kurz bevor Bundespräsident Gustav Heinemann die Spieler für eröffnet erklärte.

"Man muss lernen, dass es Situationen gibt, in denen man hilflos ist"

All diese Bilder versammelt die dreiviertelstündige Dokumentation: Gold-Ulrike. Gold-Heide. John Akii-Bua, der die Ehrenrunde erfand. Die Hockeyspieler aus Pakistan, die Gold wollten, nur Silber kriegten und ihre Medaillen in die Schuhe steckten, eine so ungelenke wie unreife Form, mit der Enttäuschung umzugehen. Man hat das alles schon mal gesehen, man hat davon gehört, aber es ist natürlich trotzdem immer wieder packend, wie gegenwärtig diese Bilder noch sind. Sie wurden mit Hochleistungskameras aufgenommen damals, dirigiert von dem auch als Vater des Schweinderl bekannten Robert Lembke, der in München für die Übertragungen von den Spielen verantwortlich war. Und auch deshalb leben die Bilder: weil es so viele gibt.

Die Auskünfte der alten Sportler, die Autor Nahr einsammelt ("Alle brüllten: Deutschland"), sind dabei nicht so eindrücklich wie etwa die Erinnerungen des damals als Polizist tätigen Walter Renner, der der Einbruch des Bösen angemessen zeitlos zusammenfasst: "Man muss lernen, dass es Situationen gibt, in denen man hilflos ist." Renner wechselte danach in den psychologischen Dienst der Polizei, er wollte das besser machen, was damals gescheitert war. So bewegen die Olympischen Spiele von München 1972 die Menschen, jeden auf eigene Art.

"Meine Spiele - Olympia 72 in München": ARD, Samstag, 19Uhr.

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