Computerspiel "Powerwash Simulator":Alles so schön sauber

Computerspiel "Powerwash Simulator": Puh, da hat aber schon lange keiner mehr sauber gemacht: Eines der Level im "Powerwash Simulator" ist ein Vergnügungspark.

Puh, da hat aber schon lange keiner mehr sauber gemacht: Eines der Level im "Powerwash Simulator" ist ein Vergnügungspark.

(Foto: FuturLab/Square Enix Collective)

Im "Powerwash Simulator" reinigt man eine verdreckte Welt mit dem Hochdruckreiniger. Und am Horizont brodelt ein Vulkan.

Von Philipp Bovermann

Computerspieler sind Zerstörer oder Erbauer. Sie erschaffen Häuser, Städte und intergalaktische Imperien. Oder sie ballern aufeinander, machen kaputt, was andere erschaffen haben. Bis zum Sieg. Bis zum Ende der Leben. Und zwischen all den fliegenden Fetzen zieht jemand mit einem Hochdruckreiniger seine Runden, um endlich mal ordentlich sauber zu machen.

Als "Powerwash Simulator" vor einem Jahr in einer frühen Early-Access-Version erschien, fragten einige der ersten Powerwasher sich verwundert, "was die Scheiße soll", so formulierte es ein junger Mann in einem Videostream, während er im Spiel einen Van mit dem Hochdruckreiniger von virtuellem Dreck befreite. "Was ist jetzt das Game, nur sauber machen? Wo ist denn hier die Story?"

Die ist tatsächlich ziemlich egal. Fern am Horizont der fiktiven Stadt Muckingham brodelt ein Vulkan vor sich hin. Ein Vorzeichen einer Katastrophe? Kann schon sein, aber wir, in der Rolle eines professionellen "Powerwashers", können uns damit gerade nicht beschäftigen, wir haben zu tun. Kunden warten, ihre Motorräder, Häuser und Spielplätze starren vor Dreck. Der Verfall macht sich breit. Es ist die Übersetzung eines Gefühls in eine Allegorie: Die Welt droht unterzugehen, sie ist aus den Fugen - oder vielleicht steckt in den Fugen einfach nur sehr viel Dreck. Jemand sollte da dringend mal mit dem Hochdruckreiniger ran. Am besten ein Profi. Also los.

Und dann das meditative Rauschen der Düse: Pssssssssscht.

Schon kurz nach Erscheinen der Early-Access-Version tauchten begeisterte Berichte im Internet auf, die Spieler überwanden ihre ursprüngliche Irritation offenbar schnell - nun ist ein kleiner Hype daraus entstanden. Dieses Powerwashen sei ja so unendlich befriedigend, heißt es in Online-Rezensionen ("wie Sex, nur ohne Sex"): das letzte bisschen Dreck mit der passenden Düseneinstellung noch aus einer unzugänglichen Ecke gespritzt zu haben. Die Bahnen, die man sorgfältig durch den Schmutz zieht, ganz langsam, um auch ja nichts zu übersehen. Wie Mandala-Malen. Die satten Farben, die zum Vorschein kommen. Das "Pling"-Geräusch, wenn eine Fläche fertig ist. Wie schön sauber hinterher alles aussieht - sauberer als es in der Realität je werden könnte.

Vielleicht liegt die Rettung in der Flucht nach vorn - rein in die Simulation

Man hat Zeit nachzudenken, während man Gartenlauben putzt, die gar nicht existieren. Über dies und das, was ja an sich schon mal gut ist. Auch über das Genre der Simulationsspiele. Titel wie "Farming Simulator", wo man mit dem Traktor herumfährt, Äcker pflügt, Heu einfährt, "Flight Simulator", "Train Simulator" oder "Euro Truck Simulator" sind äußerst beliebt. Das Genre hatte laut einer Studie des Branchenverbandes Bitkom im vergangenen Jahr den stärksten Zuwachs von allen. Deshalb erscheinen immer neue, immer schrägere Varianten. Inzwischen kann man nicht mehr nur mit einem virtuellen Truck über Autobahnen tuckern, sondern im "Gas Station Simulator" auch eine virtuelle Tankstelle betreiben. In "Cowboy Life Simulator" erlebt man den Alltag eines Cowboys, in "Bee Simulator" den einer Biene, in "Crypto Mining Tycoon Simulator" erzeugt man per "Mining" Bitcoins - virtuelle Münzen also, die man aber nur virtuell besitzt, im Spiel. Alles ist herrlich nutzlos.

Der Trend zu Simulationen bedeutet umgekehrt: Herausforderungen und Wettbewerb in Games verlieren an Attraktivität. Es gibt offenbar ein Bedürfnis danach, digital weniger zu tun, aber ohne offline zu gehen. Ohne die romantische Illusion, in eine prädigitale Welt frei von "neuen Benachrichtigungen" zurückkehren zu können, am Kachelofen eines Biobauernhofs wieder zu sich selbst zu finden. Die Form des digitalen Detox, die solche Spiele gewähren, ist eine andere. Sie führt eventuell sogar zu mehr digitaler Berieselung, dafür weniger intensiv. Vielleicht liegt die Rettung in der Flucht nach vorn - rein in die Simulation.

Kaum ein Titel verdeutlicht das so gut wie "Powerwash Simulator". Man ist gerade so sehr beschäftigt, dass man in Ruhe Podcast hören kann. Oder mit Freunden quatschen, während man per Kooperationsmodus gemeinsam sauber macht im Internet. Das Spiel als Spiel rückt in den Hintergrund. Was bleibt übrig? Irgendwann nur noch das Geräusch der Düse. Psssssscht. Weißes Rauschen. Endloses Rieseln.

Man baut nicht und zerstört nicht. Man hält etwas instand. Die Wunden heilen. Alles verliert an Bedeutung. Der Vulkan am Horizont brodelt weiter, aber er ist nur Kulisse, unerreichbar weit entfernt. Er wird nicht ausbrechen, ganz bestimmt. Die Welt, ihre Krisen und drohenden Katastrophen dringen nicht bis hierher. Nur gelegentlich spucken sie Asche, die regnet dann ab und alles wird schmutzig. Aber dafür gibt es ja Düsen mit unterschiedlicher Stärke und passende Reinigungsmittel. Wäre ja gelacht, wenn man das nicht ruckzuck wieder sauber kriegen würde.

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