Sinfonische Sommernacht Schönbrunn:Ein hoffnungsvoller Neuanfang

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Die Sinfonische Sommernacht mit dem "Orchester 1756". (Foto: Toni Heigl)

Das "Orchester 1756" aus Salzburg bereitet dem Publikum im Marienhof Schönbrunn ein musikalisch herausragendes Erlebnis.

Von Adolf Karl Gottwald, Schönbrunn

Die Sinfonische Sommernacht Schönbrunn war die traditionsreichste, glänzendste Klassik-Veranstaltung im nördlichen Landkreis Dachau - bis ihr die Corona-Pandemie ein jähes Ende bereitete. Jetzt aber blüht sie vorsichtig wieder auf. Zu einer "sinfonischen" Sommernacht reicht es noch nicht, aber die anspruchsvolle Kammermusik an einem lauen und glücklich trockenen Sommerabend im Marienhof Schönbrunn war nicht nur ein vielversprechender, sondern auch ein gelungener Auftakt für eine hoffentlich stabile Fortsetzung der großen Tradition. Es musizierte das von Konstantin Hiller, einem inzwischen zu einem charmanten Salzburger gewandelten gebürtigen Dachauer, geleitete "Orchester 1756" aus Salzburg.

"1756" und "Salzburg" - das ist Mozart und gehört somit zum Allerheiligsten der Musik. Das "Orchester 1756" präsentierte sich als ein mit nur vier Violinen, einer Viola, zwei Violoncelli, Kontrabass und Cembalo recht schlankes Streicher-Ensemble, das auf noch (oder wieder) mit Darmsaiten bezogenen "Originalinstrumenten" spielt. Man mochte sich auf ein exquisites Mozart-Fest freuen. Leider hatte das "Orchester 1756" von Mozart nur ein frühes, vermutlich 1772 in Salzburg geschriebenes Divertimento mitgebracht. Für eine besonders intime Wiedergabe entschieden sich die Salzburger Gäste für eine Fassung für Streichquartett mit Kontrabass und (wenig) Cembalo. So gedieh das Stück zum kostbaren Kleinod des Programms. Der Rest war Vivaldi, und zwar - wie kaum anders zu erwarten - die vier als "Le Quattro Stagioni" (Die vier Jahreszeiten) bekannten Violinkonzerte.

Eine Fülle überraschender Effekte

Den Beginn machte aber das großartige Concerto für zwei Violinen, Streicher mit Basso continuo op. 3/8 aus Vivaldis "L'estro harmonico", das schon die Wertschätzung von Johann Sebastian Bach fand und von ihm auf die Orgel übertragen wurde. Die Wiedergabe mit den Solisten Dimitris Karakantas und Iveta Schwarz war perfekt und in ihrer scharf akzentuierten Virtuosität mitreißend. Aus der Fülle der überraschenden Effekte dieses Doppelkonzerts sei nur eine Stelle aus dem dritten Satz herausgegriffen, bei der die zweite Solovioline "kantabel und laut" (so Vivaldis Anweisung) zu einer leisen Figuration der ersten Solovioline über dem Pianissimo des Orchesters spielt. Alfred Einstein sah darin einen der größten Einfälle Vivaldis und sagte dazu: "Es ist, als ob in einem Prunksaal des Barock die Fenster und Türen geöffnet würden, und die freie Natur herein grüßte." So gesehen war Vivaldis Musik im Marienhof Schönbrunn bestens aufgehoben. Verständlich, dass gerade dieser Satz zuletzt als Zugabe wiederholt wurde.

Im Mittelpunkt dieses hochvirtuosen, trotzdem eher intimen Abends standen natürlich "Le Quattro Stagioni" in einer ungewohnten, aber in ihrer Eigenart voll überzeugenden Aufführung. Die Protagonisten waren der unerhört virtuose Dimitris Karakantas mit seiner Barockgeige und Konstantin Hiller als Moderator. Vivaldis Jahreszeiten-Konzerte sind Programmmusik. Zu jedem Konzert gehört ein beschreibendes, vermutlich von Vivaldi selbst verfasstes und in der Partitur präzise den entsprechenden Stellen der beschreibenden Musik unterlegtes Sonett. Damit ist man stets im Klaren, was Vivaldi mit Musik beschreiben will. Konstantin Hiller hat nun in seinem bezaubernden Salzburgischen Charme - die Dachauer Wurzel ist offenbar verkümmert - vor jedem Konzert Vivaldis Programm vorgetragen und somit dem Publikum ein vertieftes Erleben der Musik ermöglicht. Dimitris Karakantas verdeutlichte mit seinem vitalen, außerordentlich akzentuierten Musizieren die in Vivaldis Musik beschriebenen Situationen.

Dimitris Karakantas begeistert das Publikum mit seiner Barockvioline. (Foto: Toni Heigl)

So hat man Vivaldis Jahreszeiten wohl noch nie gehört und ihr musikalisches Programm verstanden. Auf diese, in ihrer Eigenart musikalisch herausragende Sommernacht in Schönbrunn soll nächstes Jahr wieder eine "Sinfonische Sommernacht" folgen - mit dem Schönbrunner Traditionsorchester "Wilde Gungl" aus München.

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