Konjunktur:Die Weltwirtschaft kratzt an der Rezession

Konjunktur: Eines der größten Containerschiffe der Welt im Hamburger Hafen: Am Welthandel hängen die großen Volkswirtschaften.

Eines der größten Containerschiffe der Welt im Hamburger Hafen: Am Welthandel hängen die großen Volkswirtschaften.

(Foto: Chris Emil Janssen/imago)

Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft deutlich nach unten korrigiert. Die Auswirkungen von Inflation, Null-Covid-Politik in China und dem Ukraine-Krieg seien schlimmer als befürchtet.

Von Florian J. Müller

Inflation im Westen, Null-Covid-Strategie in China und über allem der Krieg in der Ukraine: Die Weltwirtschaft befindet sich einer neuen Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge auf dem Weg in die Rezession. Die Ökonomen aus Washington gehen für dieses Jahr nur noch von einem weltweiten Wachstum von 3,2 Prozent aus. Das sind 0,4 Punkte weniger als sie bei ihrer letzten Vorhersage im April als Zielmarke ausgegeben hatten. Für kommendes Jahr gehen sie noch von 2,9 Prozent Wachstum aus, ein Minus von 0,7 Punkten.

Und die genannten Zahlen sind sogar noch das vergleichsweise optimistische Szenario. Denn nachdem alle Befürchtungen aus der April-Prognose eingetreten sind, bietet der Fonds auch ein "plausibles Alternativ-Szenario". Demnach würde die weltweite Wirtschaftsleistung dieses Jahr nur noch um 2,6 und nächstes Jahr um 2,0 Prozent zunehmen. Damit das eintritt, müsste Russland Europa den Gashahn komplett zudrehen, die Inflation noch stärker steigen und die Regierungen müssten wie in der Eurokrise einen Sparkurs einschlagen und aufhören, die Konjunktur durch Milliarden-Programme zu stützen. Die Weltwirtschaft befände sich dann in einer der schlimmsten Perioden der vergangenen fünfzig Jahre.

Konjunktur: SZ-Grafik: saru; Quelle: IWF

SZ-Grafik: saru; Quelle: IWF

(Foto: sz-grafik)

Speziell gefährdet wäre dabei Deutschland, das sinkenden Energieexporten aus Russland und schwächelnder globaler Nachfrage nach Exportgütern besonders stark ausgesetzt ist. Untermauert wird das durch die jüngste Umfrage des Ifo-Instituts zur Stimmung in der deutschen Außenwirtschaft, die sich im Juli deutlich eingetrübt hat. "Die Gasknappheit belastet den Ausblick", erklärt das Institut dazu. Der IWF sagt Deutschland für dieses Jahr noch ein Wachstum von 1,2 Prozent und nächstes Jahr von 0,8 Prozent voraus. Das sind 0,9 beziehungsweise 1,9 Prozentpunkte weniger als noch vor drei Monaten, die stärkste Korrektur unter den Euroländern.

Die steigenden Energiepreise treiben die Produktionskosten der Firmen in die Höhe und leeren die Geldbörsen der Haushalte. Daneben sorgt der Ukraine-Krieg für eine Lebensmittelknappheit, was die Inflation zusätzlich steigen lässt. Da können die Lohnsteigerungen nicht Schritt halten, die Menschen können sich weniger leisten. Der IWF hat seinen Inflationsausblick für die Eurozone deutlich auf 7,3 Prozent nach oben korrigiert, warnt gar vor einer möglichen "Stagflation" - einer stagnierenden Wirtschaft bei gleichzeitig hoher Teuerungsrate, einem Teufelskreis, aus dem sich Volkswirtschaften nur schwer wieder befreien können.

Die Europäische Zentralbank fällt in diesem Szenario als Retterin in der Not aus. Um die Inflation zu bekämpfen, kann sie nur die Leitzinsen erhöhen und muss aufhören, durch Anleihekaufprogramme Billionen Euro in die Wirtschaft zu pumpen. Wenn allerdings die ohnehin schon durch die Pandemie-Konjunkturprogramme schwer verschuldeten Regierungen sich wegen sinkender Steuereinnahmen und höherer Finanzierungskosten keine neuen Stützpakete mehr leisten können und anfangen zu sparen, droht die heimische Wirtschaft komplett abzuschmieren.

Konjunktur: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat in der vergangenen Woche die Leitzinsen erhöht.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat in der vergangenen Woche die Leitzinsen erhöht.

(Foto: Imago/ECB)

Nach der letzten Weltwirtschaftskrise 2008 war es Chinas Wirtschaft, die den Karren aus dem Dreck zog. Darauf können sich die Deutschen diesmal allerdings nicht verlassen, denn die chinesische Regierung ist derzeit mit der Pandemie-Bekämpfung beschäftigt. Die jüngsten Corona-Lockdowns dort sorgen für weiteres Lieferkettenchaos, Fabrikschließungen und ein Absacken der Nachfrage. Auch der wichtige Immobiliensektor, den Peking in den vergangenen Jahren aus Angst vor einer Schuldenblase ausgebremst hatte, kommt nicht mehr in Fahrt. Deshalb hat der IWF seine Wachstumsprognose für China dieses Jahr auf 3,3 Prozent gesenkt. Das seien die schlechtesten Aussichten bei Deutschlands wichtigstem Handelspartner seit mehr als vier Jahrzehnten, schreiben die Ökonomen. 2020, das Anfangsjahr der Corona-Pandemie, haben sie dabei aber ausgeklammert.

Auch bei Deutschlands zweitgrößtem Wirtschaftspartner USA läuft es nicht so wie erhofft. Dort sind die Menschen ebenfalls von der allgemeinen Teuerung betroffen, wegen steigender Zinsen können sie weniger Schulden machen. Der IWF geht noch von einem Wachstum von 2,3 Prozent dieses Jahr aus, das ist ein Drittel weniger als bei der letzten Prognose.

Russland kommt besser als erwartet durch die Krise

Besser als vorhergesagt steht hingegen Russland da: Die hohen Energiepreise lassen die Staatseinnahmen sprudeln und strenge Kapitalkontrollen haben den Zusammenbruch des Bankensektors trotz der westlichen Sanktionen verhindert. So soll die russische Wirtschaft dieses Jahr laut IWF "nur noch" um sechs Prozent schrumpfen. Deutschland hilft das jedoch wenig, da die Geschäfte mit Russland abgesehen vom Energiebereich weitgehend zum Erliegen gekommen sind.

Wie soll die Weltwirtschaft aus der drohenden Krise wieder herauskommen? Augen zu und durch, raten die IWF-Ökonomen. Sie fordern von den Zentralbanken, die Leitzinsen "entschieden" zu erhöhen, auch wenn dies kurzfristig Wachstum kostet, höhere Arbeitslosigkeit und niedrigere Löhne bedeutet. Obwohl dabei gerade die Ärmsten und Schwächsten besonders leiden, argumentieren die Wirtschaftswissenschaftler, dass ein harter Schnitt jetzt "abrupte und störende Anpassungen zu einem späteren Zeitpunkt vermeidet". Gleichzeitig spricht sich der IWF gegen Preiskontrollen auf Energie und Lebensmittel aus, da diese erfahrungsgemäß das "Angebot verringern". Stattdessen sollten die Regierungen Bedürftigen gezielt durch Überweisungen helfen, die steigenden Lebenshaltungskosten abzumildern.

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